Gesamtschule: ÖGB mauert, Minister skeptisch

Die AHS-Gewerkschaft erteilt Günther Platters (ÖVP) Vorstoß in Richtung Gesamtschule eine radikale Abfuhr. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle steht dem Vorschlag abwägend gegenüber.

„Die real existierende Gesamtschule ist gescheitert. Die hochfliegenden, sozialromantischen Erwartungen an die Gesamtschule blieben in den Ländern, in denen man auf sie gesetzt hat, unerfüllt“, erklärte der Tiroler AHS-Gewerkschafter Karl Digruber am Freitag. Bildungspolitik dürfte den Herrn Landeshauptmann bisher nicht besonders interessiert haben, sonst wäre ihm das bekannt, so Digruber. Er empfiehlt dem Landeshauptmann und Tiroler ÖVP-Chef: „Platter soll lieber auf der Jagd Böcke schießen.“

Gesamtschule als Wahlkampf-Strategie?

Er frage sich, warum Platter ausgerechnet jetzt auf die Gesamtschule umschwenke, so Digruber. „Ist der Landeshauptmann in eine Torschlusspanik vor der Landtagswahl 2013 geraten? Will er mit diesem Schritt potenzielle Koalitionspartner ins Boot holen?“ Der AHS-Gewerkschafter warnt eindringlich davor, das bewährte Schulsystem aufs Spiel zu setzen und die gefragteste Schulform abzuschaffen.

Töchterle: Zuerst Förderung klären

Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle wollte sich im Gespräch mit dem ORF nicht für oder gegen die Gesamtschule festlegen. Die Diskussion sei verengt, man sollte nicht über Strukturen reden, sondern darüber, was künftige Schule sein müsse. Auch Platter habe in seinem Vorschlag Schulformen genannt, in denen Kinder bestmöglich gefördert würden, erklärte der Minister im ORF-Interview mit Barbara Daser. Wie man diese dann nenne, sei erst die zweite Frage.

Manche Fächer benötigen länger als nur Oberstufe

„Mir ist es wichtig, das Gymnasium als besonders geglückte europäische Bildungsinstitution zu erhalten“, führte Töchterle aus. Ein Gymnasium erst ab der Oberstufe halte er für problematisch, da manche Fächer, wie z.B. Latein, günstigerweise früher beginnen müssten. „Wenn so ein Fach früher beginnen sollte als mit 15 Jahren, bräuchte es schulische Langformen.“

Gegen Einheitsbrei, für Differenzierung

Er sei Platter dankbar, dass dieser die Diskussion anstoße und Bewegung zeige, aber über Details könne man erst sprechen, wenn man sich über die bestmögliche Förderung aller Talente im Klaren sei. Die Gesamtschule als Drohung verstehe er dann, wenn diese einen Einheitsbrei bis 14 Jahre meine, so der Minister. Wenn eine Differenzierung stattfinde, dann könne Gesamtschule eine Weiterentwicklung bedeuten. Karlheinz Töchterle ergänzte, wenn innerhalb der Schulform keine Differenzierung stattfinde, bringe das eine Nivellierung nach unten, viele Kinder blieben stehen und seien unterfordert, das dürfe man nicht machen, so Töchterle.