Arbeit von Heimkindern nicht nur für Swarovski

Nicht nur für Swarovski, sondern auch für andere Betriebe sollen Mädchen aus dem Heim St. Martin bis in die 1980er Jahre gearbeitet haben. Auch für den Marmeladenhersteller Darbo und die Lampenfirma EGLO waren Heimkinder im Einsatz.

Nach dem Bekanntwerden von Zwangsarbeit in der berüchtigten Tiroler Landeserziehungsanstalt St. Martin in Schwaz für den Kristallhersteller Swarovski - mehr dazu in Unbezahlte Arbeit von Heimkindern? - tauchten am Donnerstag weitere Vorwürfe auf. Darbo mit Sitz in Stans im Unterinntal und der Leuchtenhersteller EGLO griffen in den 1960er und 1970er Jahren auf die Arbeitskraft von 15- bis 18-Jährigen zurück, berichtete der „Kurier“ (Donnerstag-Ausgabe).

Sozialpädagogisches Zentrum St. Martin in Schwaz

APA/Parigger

In St. Martin soll Jugendlichen der Lohn für Heimarbeit vorenthalten worden sein

Betroffene sahen kein Geld

„Ich habe an einer Maschine gearbeitet. Dort ist Honig abgefüllt worden“, erinnerte sich eines der Heimkinder, das 1979 bis 1981 in St. Martin untergebracht war. Eine weitere betroffene - inzwischen erwachsene - Frau sprach gegenüber dem Blatt davon, dass sie „einige Male“ für Darbo gearbeitet und dabei hinter einer Lagerhalle die guten von den faulen Äpfeln getrennt habe. Geld habe sie dafür allerdings nie bekommen.

Martin Darbo

Darbo

Martin Darbo

Gegenüber ORF Tirol bestätigte Firmenchef Martin Darbo, dass das Erziehungsheim St. Martin mit Heimarbeit beauftragt worden sei. Die Arbeit sei allerdings korrekt bezahlt und an das Heim überwiesen worden, so Darbo. Die Mädchen seien mindestens 15 Jahre alt gewesen. Das Unternehmen wolle sicherstellen, dass niemand umsonst für Darbo gearbeitet habe, und schloss Regressansprüche gegen Dritte nicht aus.

Früheres Heimkind berichtet von Lampenfertigung

Bei EGLO mit Sitz in Pill im Bezirk Schwaz wurde inzwischen eine „wenige Wochen“ andauernde Zusammenarbeit mit dem Erziehungsheim im Jahr 1981 bestätigt. Ein früheres Heimkind hatte in dem Zeitungsbericht angegeben, Lampenschirme angefertigt zu haben.

Sollte der ausbezahlte Lohn nicht weitergegeben worden sein und sich dabei jemand bereichert haben, „war das eine richtig kleine Mafia“, meinte der Gesellschafter des Leuchtenherstellers, Ludwig Obwieser, gegenüber der APA. EGLO habe in jedem Fall einen bestimmten Stückpreis bezahlt. Was mit dem Geld gemacht wurde, sei für das Unternehmen nicht nachvollziehbar.

Hat Erziehungsheim profitiert?

Offensichtlich habe aber das Heim mitverdient, weshalb Obwieser eine faire und offene Vorgangsweise bei der Aufarbeitung forderte. Die Kooperation mit dem Kinderheim St. Martin habe nur wenige Wochen angedauert. „Die Zusammenarbeit war nicht fruchtbar“, begründete der EGLO-Gesellschafter. Deshalb habe man sie beendet.

Gerhard Reheis

Land Tirol/Schwarz

Gerhard Reheis (SPÖ)

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe appellierte Soziallandesrat Gerhard Reheis (SPÖ) an die Unternehmen, bei der Aufarbeitung mitzuhelfen. Geklärt werden müsse, welche Rechte und Ansprüche entstehen, sollten rechtliche Vorgaben missachtet worden sein.

Das Land verwies auf seine Bereitschaft, für in Landeseinrichtungen erlittenes Leid Entschädigungszahlungen zu leisten. Die Vorgänge in St. Martin sollen näher untersucht werden. Reheis wiederholte am Donnerstag, dass sich Betroffene beim Land melden sollen.

Land installiert Arbeitsgruppe

Das Land Tirol rief eine eigene Einsatzgruppe unter dem Titel „Arbeit in Tiroler Heimen“ ins Leben. „Ich erwarte mir lückenlose Aufklärung“, betonte Reheis im Gespräch mit der APA. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe habe man „sofort“ reagiert und die Arbeitsgruppe installiert. Von den Opfern habe sich bisher niemand beim Land gemeldet.

Die Gruppe „Arbeit in Tiroler Heimen“ bestehe aus Mitarbeitern der Jugendwohlfahrt und externen Experten. Sie würden die jüngst bekanntgewordenen Vorkommnissen aufarbeiten, kündigte Reheis an. Weiters würde bei den betroffenen Betrieben angefragt, ob sie mitarbeiten wollen.