Politologe: Innsbruck spaltet ÖVP

Der Konflikt innerhalb des bürgerlichen Lagers in Innsbruck könnte zum Kristallisationspunkt für eine schwere Krise der ÖVP werden. Diese Einschätzung trifft der Innsbrucker Politologe Prof. Ferdinand Karlhofer im ORF-Interview.

Prof. Ferdinand Karlhofer; Univ. Innsbruck

ORF

Ferdinand Karlhofer leitet seit 2004 das Institut für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck. Er ist Mitherausgeber des Politischen Jahrbuchs Tirol.

Wie strategisch geschickt ist - aus Sicht der ÖVP - das Antreten Platzgummers als Vizebürgermeister?

Sollte es der ÖVP gelingen, FI-Leute auf ihre Seite zu ziehen, dann wäre das irritierend für die neue Koalition, ändert an der Regierungsbildung aber nichts. Es würde der Riss zwischen FI und ÖVP und auch Landes-ÖVP noch tiefer werden.

Warum ist das Antreten zweier schwarzer Listen nebeneinander plötzlich ein Problem? Das ist ja nichts Neues.

Dass die ÖVP mit mehreren Listen antritt, hat eine lange Tradition. Immerhin hat Herwig van Staa selbst diese Liste gegründet und damit das Parteistatut gebrochen, dass Listen koppeln müssen. Van Staa wäre schon damals Kandidat für einen Aussschluss gewesen. Die ÖVP misst hier mit zweierlei Maß. Man muss beachten, die amtierende Bürgermeisterin sitzt im Parteivorstand und lag vor dem Antreten Platzgummers bei 70 Prozent. Das war ganz anders bei Niescher damals (früherer ÖVP-Bürgermeister, Anm.), der angeschlagen war, der umstritten war, wo es der ÖVP ein großer Wunsch war, eine Ablöse herbeizuführen. Im aktuellen Fall musste es einfach zu einer Brüskierung der Bürgermeisterin und der Liste FI kommen und jetzt ist die Frage, wer ist schuld. Vor allem die Drohung mit Parteiausschlüssen könnte tatsächlich zum Bumerang werden für die ÖVP.

Etwas verschlüsselt fordern manche jetzt den Partei-Ausschluss von Oppitz-Plörer (FI) aus der ÖVP. Wie realistisch ist das?

Es wäre sehr schlechte Beratung im Hintergrund, das tatsächlich durchzuführen. Die ÖVP täte gut daran, diesen Schadensfall, der - man kann fast sagen mutwillig und durch schlechte Beratung verursacht wurde - möglichst zu kalmieren und zu beheben.

Stellt der Konflikt die Partei vor eine Zerreißprobe?

Innsbruck könnte tatsächlich zum Kristallisationspunkt werden für eine schwere Krise der ÖVP. Im Grunde ähnlich wie in der Stadt Hall, auch dort gab’s schon einmal eine Ampel gegen den amtierenden ÖVP-Bürgermeister unter der Leitung eines ÖVP-Dissidenten, der allerdings nie ausgeschlossen wurde, nur - war das ein Fall im Kleinen. Innsbruck ist immerhin die Landeshauptstadt und sie hat einen großen Wähleranteil. Und hier riskieren, dass man nicht einheitlich auftreten kann bei der Landtagswahl, da zieht man dann in eine Schlacht mit schlechtesten Vorzeichen.

Aber auch auf Landesebene haben konkurrierende schwarze Listen die Partei bisher eher gestärkt als geschwächt. Warum soll das in Innsbruck anders sein?

Wir finden in den Gemeinden außerhalb von Innsbruck unzählige Fälle, wo ÖVP-Listen gegeneinander antreten und auch nicht koppeln, obwohl das Parteistatut das vorsieht. Die Partei hat immer beide Augen zugedrückt, am Ende ist ja alles ÖVP sozusagen. Im Grunde ist es in Innsbruck auch nicht anders gewesen. Jetzt hat man hier versucht, fünf Wochen vor der Wahl einer amtierenden Bürgermeisterin noch einen Kandidaten ins Rennen zu schicken und damit die ÖVP-Bürgermeisterin brüskiert. Und damit hat man einen Konflikt begonnen, der von der Regie her so hätte ausgehen müssen: Die ÖVP gewinnt, aber dass der Bürgermeister Platzgummer heißt und von der ÖVP gestellt wird, diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Jetzt geht’s rein um Schadensbegrenzung. Und das ist etwas, das ohne irgendeine andere Möglichkeit einfach zurückfallen muss auf den Landespartei-Obmann, das ist zugleich der Landeshauptmann. Das heißt, die ÖVP hat sich hier nicht gut überlegt eine schwere Hypothek für die kommende Wahl eingebrockt.

Muss die ÖVP - in Hinblick auf die Landtagswahl 2013 - schon nervös werden?

Die Auswirkungen in Sachen innerparteilicher Zusammenhalt sind jetzt schon spürbar. Es ist ja nicht allein der Konflikt mit Innsbruck, es gibt mehrere innerparteiliche Herausforderungen und Bruchlinien. Die Stabilität der ÖVP war vor Innsbruck schon nicht sehr ausgeprägt. Und jetzt, nach diesem Konflikt, der ja nicht notwendig war, ist er umso stärker.

Interview: Johanna Aichinger, Ulrike Finkenstedt

Link:

Innsbruck: Angelobung ohne ÖVP (tirol.ORF.at; 16.5.12)