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Tiroler Bauernhäuser: Zwischen Romantik und Realität
Die Gaislachhöfe hoch über Sölden im Ötztal zählen zu den letzten noch intakten Hof-Ensembles in Tirol. Sie hocken am Steilhang in 1.800 Meter Höhe, als wären sie immer schon da gewesen.
Sendungshinweis:
Österreich Bild am Feiertag
Pfingstmontag, 29. Mai,
18.25 Uhr, ORF 2
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Wie durch ein Wunder sind die historischen Höfe zwischen dem Touristen-Hotspot Sölden und dem James Bond Museum am Gaislachkogel heute noch beinahe unberührt erhalten. Walter Hauser, der Chef des Tiroler Denkmalamtes bemüht sich derzeit, gemeinsam mit dem Ötztaler Besitzer eine neue Nutzung für das wertvolle Kulturgut zu entwickeln.

Herbe Verluste
Vor 30 Jahren gab es noch 800 vergleichbare Ensembles in Tirol, heute sind es gerade noch 80. Im Tiroler Kunstkataster dokumentiert Karl Wiesauer jeden Verlust fein säuberlich. Doch wie sieht die Zukunft aus? Welche sinnvollen Formen des Weiterlebens abseits des Musealen sind möglich? Teresa Andreae hat mit ihrem Team historische Höfe in Nord- und Osttirol besucht.
Die Landwirtschaft ist kein Hobby
„Unser Bauernhof ist ein wertvolles Kulturgut und einfach wahnsinnig schön“, sagt der Tiroler Bauer und Schauspieler Tobias Moretti, „aber letztendlich ist es harte Arbeit, so einen Betrieb zu führen. Die Arbeit macht 90 Prozent aus und 10 Prozent bleiben für den Genuss der Schönheit.“ Der im 15. Jahrhundert erstmals erwähnte Hof steht nicht unter Denkmalschutz. Die Morettis haben den Bau 1998 in einem desolaten Zustand übernommen und mit viel Feingefühl saniert. Die Einfahrt in den Stall ist immer noch so nieder wie früher. Wer mit dem Traktor hineinfährt, sollte den Kopf einziehen.

Weiterleben heißt Weiterbewirtschaften
Gemeinsam mit seiner Frau, der Musikerin und Bäuerin Julia Moretti bewirtschaftet Tobias Moretti den Hof in der Nähe von Innsbruck. Den beiden geht es nicht darum, in einem romantischen Bauernhaus zu leben, sondern um die Bewirtschaftung des Hofes. Das sei die beste Form für das Weiterleiben der historischen Bauernhäuser.
Wenn Julia Moretti in der Früh in den Stall geht, schaltet die Bäuerin und Oboistin als erstes klassische Musik ein. Das würde ihrer eigenen Stimmung gut tun und die Tuxer Rinder wirken auch zufrieden. Sie entwickelt immer wieder neue Produkte. Auf den steilen Wiesen rund um den Hof pflückt die Kräuterkundige Blumen und Wildkräuter. Daraus mischt sie individuelle Tees, die das Leben leichter machen.
Das Bewirtschaften habe noch einen entscheidenden Effekt, betont die engagierte Bäuerin: „In einem Land, in dem Grund und Boden so knapp sind, ist es wichtig, sich gegen die Versiegelung einzusetzen. Das sehe ich als eine wichtige Aufgabe von uns Bäuerinnen.“

Die Nutzung ist entscheidend
In dem ÖSTERREICH BILD AM FEIERTAG „Tiroler Bauernhäuser – Zwischen Romantik und Realität“ aus dem Landesstudio Tirol werden verschiedene Modelle abseits des Musealen vorgestellt. Ohne zeitgemäße Nutzung haben die Höfe wenig Überlebenschancen. Das zeigt der denkmalgeschützte Bichlerhof in Matrei in Osttirol. Der mehr als 500 Jahre alte Hof wird trotz aller Bemühungen in den nächsten Wochen abgerissen.

Sanieren mit Herzblut
Eine andere Geschichte erzählt der Wannerhof oberhalb von Inzing, in dem einst Jörg Kölderer, der Lieblingsmaler von Kaiser Maximilian, geboren worden ist. Kölderer hat die Fresken am Goldenen Dachl in Innsbruck gemalt. Die junge Familie Gastl hat den Wannerhof von einem kinderlosen Bauern übernommen und sehr viel Zeit und Nerven in die Sanierung gesteckt.

„Superspreader“ für die Denkmalpflege
Auch im Kaunertal gibt es einen Lichtblick. Der gelernte Installateur und selbstständige Baggerfahrer Willi Buchhammer hat ein komplett verfallenes Bauernhaus eigenhändig hergerichtet und in ein Vorzeigeprojekt verwandelt. Er will die alten Gemäuer mit sanftem Tourismus neu beleben.
Die Denkmalpfleger hoffen, dass Willi Buchhammer wie ein „Superspreader“ wirkt und viele Eigentümer:innen mit seiner Begeisterung für alte Bauten ansteckt. Wenn es gelinge, ein Drittel der Höfe von heute mit einer sinnvollen Erzählung ins Morgen zu retten, sei er stolz, sagt Walter Hauser, der Chef des Tiroler Denkmalamtes. Bauernhöfe prägen seit Jahrhunderten die Tiroler Landschaft, ihr Anblick ist auch Nahrung für die Seele und das tut uns allen gut.

Umbauen ist das neue Bauen
In Zeiten der Klimakrise geht es um den ressourcenschonenden Umgang mit dem Bestand. Davon ist der Innsbrucker Architekt Martin Mutschlechner überzeugt. Er hat bereits einige Erfahrung mit dem Wiederbeleben von historischen Höfen gesammelt. In Kals am Großglockner hat er den sogenannten „Roanerhof“ für einen deutschen Unternehmer von Grund auf saniert. Der Umbau eines bestehenden Gebäudes sei in Summe meist nachhaltiger als der Abbruch und der Neubau.

Eine Produktion des ORF Tirol gestaltet von Teresa Andreae.