Kinder von hinten
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Soziales

Kinder sind immer noch Gewalt ausgesetzt

Gewalt an Kindern ist laut Kinder- und Jugendanwaltschaft nach wie vor sehr präsent, habe sich aber entscheidend verändert. Vor allem psychische Gewalt betrifft viele Kinder in ganz unterschiedlichen Bereichen, beispielsweise in der Schule. Ein großes Problem, dessen Ausmaße und Folgen oft nicht erkannt werden.

Am Montag ist der Internationale Tag der Kinderrechte. Er erinnert an die Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention am 20. November 1989. Mit dem Gewaltverbot hat Österreich im Jahr 1989 als viertes Land nach Schweden, Finnland und Norwegen, eine wichtige Vorreiterrolle eingenommen. Seit 2011 ist das Kinderrecht auf Schutz vor Gewalt auch im Bundesverfassungsgesetzes verankert. Obwohl die gesetzlichen Grundlagen vorhanden sind, zeigt sich in der Praxis der Kinder- und Jugendanwaltschaft leider ein anderes Bild.

Zunehmende Gewalt in den Schulen

Bei der Kinder- und Jugendanwaltschaft Tirol hat es zuletzt zunehmend Beschwerden über Gewalt an Schulen gegeben. In vielen Fällen sei die Gewalt dabei von Lehrpersonen ausgegangen, sagt die Kinder- und Jugendanwältin Elisabeth Harasser: „Man darf sich jetzt nicht vorstellen, dass Lehrpersonen Kinder und Jugendliche schlagen, sondern es geht um das Thema psychische Gewalt. Das Bewusstsein darüber, welche Folgen psychische Gewalt für Kinder und Jugendliche haben kann, ist bei Erwachsenen relativ gering. Ich würde mir bei diesem Thema mehr Sensibilität wünschen.“ Auch mehr Fortbildungen zur gewaltfreien Kommunikation seien wichtig, so Harasser.

Meistens würden Eltern die Beschwerden herantragen. Aber auch die schauen oft lange zu, weil sie Angst vor den Konsequenzen für das Kind haben. Es gebe nach wie vor Fälle, in denen Kinder ins Eck gestellt werden oder sie beispielsweise im Turnunterricht vorgeführt werden, wenn sie etwas nicht können. Erst kürzlich erlebte Harasser einen Fall in einer Volksschule, wo die Kinder nicht auf die Toilette gehen durften. „Das ist so weit gegangen, dass die Kinder dann tatsächlich eingenässt haben. Das ist sehr peinlich für das Kind.“ Diese psychische Gewalt sei für die Kinder extrem belastend und könne psychische und psychosomatische Auswirkungen haben. Konsequenzen für Lehrer gebe es meist nicht.

Fehlende Beachtung des Kindeswohls bei Abschiebungen

Handlungsbedarf sieht die Kinder- und Jugendanwältin auch bei der vorrangigen Beachtung des Kindeswohls bei Behördenentscheidungen, so wie es auch im Bundesverfassungsgesetz explizit steht. Dieses Kindeswohl werde bei Abschiebungen von Kindern und Jugendlichen aus Österreich oft ignoriert, kritisiert Harasser: „Das sind ganz klare Kinderrechtsverletzungen. Denn in erster Linie muss geschaut werden, was eine Abschiebung für die Kinder bedeutet. Kinder, die gut integriert sind, die unsere Sprache sprechen, die die Schule besuchen, die in Vereinen aufgenommen worden sind, die sich am Gemeinschaftsleben beteiligen. Diese Kinder abzuschieben ist eigentlich ein Skandal und das darf in Österreich nicht passieren.“

Teuerung auch für Kinder sehr belastend

Die Teuerung hat laut Harasser nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder und Jugendliche eklatante Auswirkungen. Zu sagen, dass man sich bestimmte Dinge nicht leisten kann oder dass man bei der Klassenfahrt nicht dabei ist, bringe Kinder in schwierige und sehr belastende Situationen, so Elisabeth Harasser: „Die Kinder wollen ja in der Gruppe akzeptiert werden und sie wollen anerkannt werden. Es kommt leider immer wieder vor, dass beispielsweise fehlende Markenkleidung zu Mobbing führt.“ Es sei wichtig, so die Jugendanwältin, sowohl den Erwachsenen als auch den Kindern zu vermitteln, dass sich niemand schämen muss, Beihilfen und Unterstützungen in Anspruch zu nehmen. Oft werde das nämlich nicht getan.

700 Tiroler Kinder fremduntergebracht

In Tirol gibt es rund 700 Kinder, die aus verschiedenen Gründen nicht bei ihren Familien leben können und deshalb in Einrichtungen untergebracht sind. „Es ist immer schlimm, wenn Kinder aus ihren Familien herausgenommen werden. Es gibt ganz wenige, die zum Beispiel massive Gewalt erfahren, die dann froh sind aus der Gefahrenzone zu sein. Im Großen und Ganzen wollen die Kinder aber bei ihren Familien leben – ganz egal, was passiert ist. Kinder sind ja so großzügig und großherzig, dass sie den Eltern alles verzeihen“, schildert Harasser.

Ziel sei es, dass die Kinder wieder in die Familien zurück können. Das gehe nur, wenn sich die Situation bei den Eltern ändert. Das ist viel Arbeit und kann nur gemeinsam mit den Erziehungsberechtigten gelingen. Harasser: „Das heißt, in erster Linie muss das Ziel einer Fremdunterbringung auch wieder die Rückführung sein.“

Die Tiroler Kinder- und Jugendanwaltschaft bietet regelmäßig in Kindergärten, Schule, Horten und Jugendzentren Workshops an. Denn, so Anwältin Elisabeth Harasser, es sei wichtig, dass Kinder- und Jugendliche ihre Rechte auch kennen.