„Shoppe jetzt, bezahle später.“ „Bezahle in deinem Tempo.“ „Für ein noch besseres Shopping-Erlebnis.“ Die viel kritisierte Klarna-App soll den Online-Kaufprozess erleichtern – und stürzt vor allem junge Menschen in einen finanziellen Teufelskreis. In vielen Online-Shops, wie beispielsweise bei IKEA oder H&M, kann mit Klarna bezahlt werden. Mit einem Klick haben auch minderjährige Kundinnen und Kunden auf dieser Plattform einen waschechten Kredit. Rechnungen fürs Online-Shoppen können mit bis zu 36 Monatsraten beglichen werden. Der Sollzins beträgt monatlich fast 12 Prozent.
„Klarnaschulden“ und „Girlsmath“
Auf der Social Media-Plattform „TikTok“ sind Videos unter dem Titel „Klarnaschulden“ seit Monaten im Trend. Jugendliche und junge Erwachsene offenbaren in kurzen Videos Schulden, die sie sich durch die Ratenzahlung und das immer nach hinten schiebende Zahlungsziel auf Klarna angehäuft haben.

Aber es geht noch weiter. In sogenannten „Girlsmath“ (Mädchenmathematik)-Videos erklären die Nutzerinnen und Nutzer ihr mitunter sehr fragliches Verständnis des Finanzwesens. Ist beispielsweise ein Pullover von 100 auf 60 Euro reduziert, hat man 40 Euro gespart und nicht 60 ausgegeben. Zahlt man mit Bargeld, war das Produkt gratis, weil sich der Kontostand nicht ändert. Die Videos sind durchaus komödiantisch, werfen aber eine ernste Frage auf: Haben Jugendliche jegliche Kontrolle über ihre Finanzen verloren?
Wenig Barrieren in der Konsumwelt
Ganz so einfach ist es nicht. Und Klarna ist weniger Auslöser als Symptom eines viel umfassenderen Problems, mit dem Jugendliche zu kämpfen haben. Junge Menschen würden im Vergleich zu früher in einer ganz anderen Welt leben, sagt der Verhaltensökonom Michael Kirchler von der Universität Innsbruck. Während von allen Seiten Informationen und Angebote auf sie einprasseln, entsteht vor allem auf Social Media ein gewisser Druck, bestimmte Produkte zu kaufen, kosten sie, was sie wollen. „Die Jugendlichen sind mit ihrem Smartphone der Konsumwelt, ihren Verlockungen und den Methoden, die angewendet werden, gänzlich ausgeliefert“, so Kirchler.

Viele Menschen würden außerdem zu Impulskäufen neigen. Das war vor einigen Jahrzehnten nicht anders als heute, nur hat sich die Konsumwelt insofern geändert, dass so gut wie alle Barrieren zwischen dem Willen, etwas zu kaufen, und dem Akt des Kaufens abgebaut wurden. Früher musste man Bargeld abheben und in ein Geschäft gehen. Für einen Kredit, den man nicht sicher bekam, brauchte es einen Bankberater. Heute sei all das mit nur einem Klick entfernt. Auch Studien würden laut Kirchler zeigen, dass Menschen, die zu Impulsentscheidungen neigen, mehr Probleme bekommen, je weniger Hindernisse es gibt.
Kein Überblick über Ausgaben
Die Schuldnerberatung Tirol verzeichnet indes keinen nennenswerten Anstieg in der Altersgruppe 18 bis 26. Rund 15 Prozent der Neuaufnahmen fallen in diese Gruppe, das sind 150 Klientinnen und Klienten im Jahr. Laut Thomas Pachl, dem Leiter der Schuldnerberatung, kümmern sich er und sein Team aber vor allem um Privatkonkurse. Schulden durch Online-Shopping würden vielleicht in eine persönliche Zwick-Mühle, in den meisten Fällen aber nicht in den finanziellen Ruin führen. Jedoch würden laut Kirchler viele junge Menschen aufgrund von angehäuften Konsumschulden zur Schuldnerberatung kommen.

In Tirol bietet, im Gegensatz zu anderen Bundesländern, nicht die Schuldnerberatung, sondern die Arbeiterkammer Kurse über Finanzwissen in Schulen an. In den Workshops werde deutlich, dass Jugendliche oft keinen genauen Überblick über ihre Ausgaben haben. So seien nicht nur die Konsumschulden durch Ratenzahlungen Thema, sondern auch die monatlichen Ausgaben wie Handyrechnung oder Ausgehen sehr hoch, sagt Michael Obermeier vom Bereich Bildungspolitik der AK.
Finanzwissen als Schlüssel
Eine Studie der AK gemeinsam mit der Universität Innsbruck ergab, dass es bei den 14 bis 17-Jährigen einen „umfassenden Aufholbedarf“ im Bereich der finanziellen Grundbildung und im „Wissen über das eigene Verhalten im Konsum- und Finanzbereich gibt“. Gleichzeitig habe Finanzwissen einen positiven Einfluss auf die „Geduld bei Finanzentscheidungen“, was wiederum die praktische Relevanz dieses Themas zeige.
Die Arbeiterkammer bietet fünf Workshops in diesem Bereich an: „Schau aufs Geld“, „Schau aufs Geld Expert“, „FiT – Financial Training“ und die Planspiele „Wirtschaft“ und „Nachhaltigkeit“. In den vergangenen zwei Jahren werden diese Kurse deutlich mehr nachgefragt, so Obermeier. Die AK erreicht mit diesen Kursen pro Monat bis zu 60 Schulklassen bzw. 1.100 Schülerinnen und Schüler von der 6. bis zur 13. Schulstufe.