Zwei Wölfe stehen im Wald
APA/Karl-Josef Hildenbrand
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Politik

Wölfe sorgen in Brüssel für Diskussionen

Die EU-Kommission will in einer Studie bis zum Jahresende Möglichkeiten zum Umgang mit den regionalen Problemen durch Wölfe aufzeigen. Für eine Änderung des Schutzstatus’ der Wölfe brauche es Einstimmigkeit der Mitgliedsstaaten.

Es sei wichtig, die Ängste und Konflikte ernstzunehmen und wahrzunehmen, sagte Carmen Preising, Kabinettschefin des zuständigen Umweltkommissars Virginijus Sinkevičius, am Mittwochabend bei einer Diskussion über „Die Herausforderungen des Wolfsmanagements in der EU“ in Brüssel.

Zu der Veranstaltung mit dem Untertitel „Der Schutzstatus des Wolfes in der EU: Brauchen wir eine Überprüfung?“ hatte der Europaparlamentarier Herbert Dorfmann (SVP) geladen. Im Vertretungsbüro der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino ließen der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher und der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) keinen Zweifel an der Brisanz des Problems.

Jogger im Trentino durch Bären getötet

„Derzeit haben die Menschen Angst“, sagte Kompatscher und verwies darauf, dass im Mai in Südtirol viele Eltern die Erlaubnis für die Teilnahme ihrer Kinder an den traditionellen Schulausflügen verweigert hätten. Dazu habe auch der Fall eines Joggers im Trentino beigetragen, der von einem Bären getötet wurde – mehr dazu in Nach tödlicher Attacke: JJ4 ist gefangen.

Die laufende Diskussion sei auch demokratiepolitisch gefährlich, da viele Menschen in Zweifel zögen, warum in der Stadt über Probleme der Menschen am Land entschieden werde. „Auch das EU-Bashing macht wieder die Runde.“

Mattle: Politik muss Lösungen finden

„Großraubtiere sind nun massiv auch ein politisches Problem“, sagte Anton Mattle. „Die Politik ist gefordert, Lösungen zu finden. Wir brauchen Lösungen für die Bevölkerung, für die Landwirte, aber auch im Sinne der Biodiversität.“

Schafe in einem Wald
Hermann Hammer

Im Alpenraum leben 500 bis 600 Wölfe

In Tirol werden Wolfs-Abschüsse nach einer jagdgesetzlichen Novelle nun nicht mehr per Bescheid – der oftmals erfolgreich beeinsprucht wurde –, sondern per Verordnung freigegeben, jüngst dreimal binnen weniger Tage – mehr dazu in Abschusserlaubnis für weiteren Wolf.

Man brauche jedoch eine EU-Lösung, mehr noch, eine europäische Lösung, da etwa im Schweizer Kanton Graubünden derzeit rund 100 Wölfe in mehreren Rudeln lebten, so Mattle. Die gesamte Wolfspopulation im Alpenraum, wird derzeit auf rund 500 bis 600 Wölfe geschätzt.

Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie regelt Schutzstatus

EU-weit werden Wölfe durch die 1992 beschlossene Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, europaweit auch durch die aus 1979 stammende Berner Konvention des Europarates geschützt. Dort ist die Schweiz mit mehreren Anträgen zur Rückstufung des Schutzstatus des Wolfs, die mehr Handlungsspielraum beim Wolfsmanagement bieten würde, bisher gescheitert, zuletzt im November des Vorjahres.

Länder wie Schweden und Finnland hätten diesbezüglich mehr Spielraum erhalten – was aber nur beim Ersteintritt in die Konvention, nicht aber nachträglich möglich sei, erläuterte der Jurist Roland Norer, der die Materie juristisch extrem interessant und sich selbst als geistigen Vater der derzeit in Kärnten und Tirol angewandten Regelungen bezeichnete.

Einstimmigkeit bei Änderung der Richtlinie erforderlich

Die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie mit ihren Listen der schutzwürdigen Arten sei seit 30 Jahren unverändert, monierte Dorfmann, denn nicht nur die Gefährdungslage sondern auch die politische Stimmung habe sich geändert. Auf eine Änderung der Richtlinie zu warten sei allerdings müßig, da dafür eine Einstimmigkeit der EU-Mitgliedsländer erforderlich sei, erläuterte Norer.

Er plädierte daher für die Nutzung nationaler Spielräume. Doch statt den Ländern diese zu gewähren, sei man von Pilotverfahren und Vertragsverletzungsverfahren bedroht.

EU sieht genug Spielraum durch jetzige Richtlinie

„Unser Ansatz ist sehr pragmatisch“, entgegnete Preising. „Wir glauben, dass die jetzige Richtlinie genug Spielraum lässt.“ Jeder Mitgliedsstaat müsse für sich einen geeigneten Mix an Maßnahmen finden, um zu „ganz spezifischen, regionalen Lösungen für den Herdenschutz“ zu kommen.

Dafür gebe es viele Best-Practice-Beispiele. Als ersten Schritt brauche es Aufklärung und Sensibilisierung der Bevölkerung.

Aufklärung durch Beantwortung von 93 Fragen

Diese Aufklärung versucht auch ein im November erschienenes Buch zu liefern, das im Anschluss von einem der Mitautoren, dem aus der Steiermark stammenden Wildtierbiologen Wolfgang Schröder, emeritierter Professor für Wildbiologie und Wildtiermanagement an der Universität München, vorgestellt wurde.

In „Der Wolf im Visier – Konflikte und Lösungsansätze“ werden 93 Fragen von 26 Fachleuten beantwortet, darunter „Woher stammen die Wölfe in den Alpen?“ „Wie sollte man auf eine Wolfsbegegnung reagieren?“, „Wie viel kostet der Wolf?“ oder „Was frisst der Wolf lieber, Wild- oder Nutztiere?“

Wolfspopulation ungemein dynamisch

Wölfe seien ungemein dynamisch, kommentierte Schröder eine im Buch enthaltene Karte über die Wolfspopulation im Alpenraum, die bereits „rettungslos überholt“ sei.

Diese Dynamik sei wohl auch dafür verantwortlich, dass der Versuch einer neuen friedlichen Koexistenz von Mensch und Wolf möglicherweise „aus dem Ruder gelaufen ist“.