Unscharfe Fenster eines Hauses
ORF
ORF
Politik

Mindestentschädigung für Psychiatrie-Opfer

Die Liste Fritz fordert für die Opfer der Innsbrucker „Kinderbeobachtungsstelle Maria Nowak-Vogl“ eine Mindestentschädigung von 15.000 Euro. Die bisherigen Entschädigungen von 250 Opfern seien unterschiedlich ausgefallen, kritisierte Klubobmann Markus Sint.

In der Innsbrucker „Kinderbeobachtungsstelle Maria Nowak-Vogl“ kam es über drei Jahrzehnte bis 1987 zu Misshandlungen oder sexuellen Erniedrigungen. Die bereits verstorbene Nowak-Vogl verabreichte in den 1970er-Jahren Kindern unter anderem Epiphysan. Dabei handelt es sich um ein Mittel aus der Tiermedizin zur Vermeidung von Brunftverhalten bei Kühen.

Damit wollte sie damals etwa „sexuell übererregte Mädchen“ therapieren. Zudem soll sie Kinder systematisch terrorisiert und eingeschüchtert haben. Brutales Bloßstellen von Bettnässern vor anderen Kindern und Schläge sollen zudem üblich gewesen sein. Insgesamt soll es 3.654 „Krankengeschichten“ von Betroffenen geben.

Liste Fritz durch Opfer kontaktiert

Als Grund für das Wiederaufgreifen der Causa nannte Sint am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Innsbruck die Kontaktaufnahme eines Opfers. Vor einem dreiviertel Jahr habe ihn ein Opfer kontaktiert, sagte der Klubobmann. Gespräche mit der zuständigen Landesrätin Eva Pawlata (SPÖ) seien im Anschluss wenig zielführend verlaufen. „Unter anderem deshalb haben wir uns dazu entschlossen, mit unserem Antrag im Mai-Landtag für eine faire Entschädigung und Klarheit zu sorgen“, sagte Sint.

Markus Sint
ORF
Markus Sint, Klubobmann der Liste Fritz, sprach sich für eine Mindestentschädigung von 15.000 Euro für Opfer der Innsbrucker Kinderbeobachtungsstation Nowak-Vogl aus

Es gehe jedenfalls nicht um eine Wiedergutmachung, stellte Sint klar und übergab damit das Wort an das Opfer. „Ich war 85 Tage bei Nowak-Vogl“, berichtete dieser. Bereits der normale Tagesablauf sei ein Martyrium gewesen, Türen hätten zum Teil keine Klinken gehabt und auch ihm sei das Hormonmittel Epiphysan verabreicht worden. Er sei außerdem oft als „abartige Kreatur“ beschimpft und mit einem Rohrstock körperlich gezüchtigt worden.

15.000 Euro sollen Mindeststandard werden

Von 500 bis 25.000 Euro habe es bei den Entschädigungen für die Opfer sämtliche Summen gegeben, erklärt Sint und bezog sich damit auf die Beantwortung einer schriftlichen Anfrage der „Liste Fritz“ an Landesrätin Pawlata.

Bei der jetzigen Summe von 15.000 Euro, die zum Mindeststandard werden soll, orientiere man sich nunmehr an den Entschädigungen durch die „Klasnic-Kommission“, der Opferschutzkommission für Betroffene von sexuellem Missbrauch durch die katholische Kirche. „15.000 Euro stellen dort einen Mittelwert dar“, strich Sint heraus. Für die bereits entschädigten Opfer, die weniger als 15.000 Euro bekamen, soll es „eine Aufzahlung geben“.

Einige Opfer wollen keine Entschädigung

Diese Summen würden das Land Tirol jedenfalls nicht vor große finanzielle Herausforderungen stellen. Sie böten stattdessen klare Entscheidungsgrundlagen für die dahinterstehende Kommission, die über die Entschädigungen entscheidet, so Sint.

Neben den 250 bereits entschädigten Opfern seien aktuell „noch 20 Personen offen, von denen acht gar keine Entschädigung wollen“, nannte Sint konkrete Zahlen. Wie viele der insgesamt rund 3.600 Personen sich noch melden werden, sei indes offen: „Es wird aber wohl eine überschaubare Zahl sein.“

Pawlata verweist auf Einzelfallprüfung

Soziallandesrätin Pawlata erklärte in einer Reaktion gegenüber der APA, dass eine Kommission die Höhe der Entschädigung nach einer Einzelfallprüfung festlegt. Berücksichtigt werden dabei Faktoren wie die Dauer der Unterbringung sowie Art und Schwere der Misshandlung. „Ich möchte aber auch betonen, dass es bewusst die Entschädigungskommission ist, die unabhängig von der Politik eine Entscheidung über die Höhe der Summe trifft“, sagte sie.

Sie bedauere das „Unrecht und die Gewalthandlungen, die Betroffene dort erfahren haben“, dies müsse heute „gesehen und gehört“ werden. Bis dato wurden 642 Personen im Ausmaß von rund 3,2 Mio. Euro entschädigt, die in einem Landesheim untergebracht waren. Zudem wurden 500.000 Euro für die Übernahme von Therapiestunden aufgewendet.

Landtag stärkte Rechte der Missbrauchsopfer

Der Tiroler Landtag hatte im Jahr 2020 unter der schwarz-grünen Landesregierung beschlossen, im Rahmen von möglichen Zivilprozessen unter bestimmten Voraussetzungen auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Das Land wollte damit die rechtlichen Ansprüche von Missbrauchsopfern stärken, hieß es – mehr dazu in Land stärkt Rechte der Missbrauchsopfer.

Das Gesetz umfasst mehrere ehemalige Kindererziehungsheime des Landes – das Landeserziehungsheim Kleinvolderberg, das Landeserziehungsheim für Mädchen Kramsach-Mariatal (bis 1971), das Landessäuglings- und Kinderheim Arzl, „Schwyzerhüsli“ (1947 bis 1987) und Axams, das Landeserziehungsheim St. Martin in Schwaz – sowie die Kinderbeobachtungsstation Dr. Nowak-Vogl (1954 bis 1987).