Drei Mütter schieben ihre Babys im Kinderwagen bei einem gemeinsamen Spaziergang
APA/dpa/Wolfram Steinberg
APA/dpa/Wolfram Steinberg
Gesundheit

Aufholbedarf bei Versorgung nach Geburt

Tirol hat massiven Aufholbedarf, wenn es um die psychische Versorgung von Müttern vor und nach einer Geburt geht. Laut Schätzungen leiden pro Jahr 1.500 frischgebackene Mütter in Tirol an psychischen Problemen. Bei der Versorgung dieser Erkrankungen liegt Tirol im Bundesländervergleich am unteren Ende.

Bis zu jede fünfte Mutter und jeder zehnte Vater leiden während der Schwangerschaft und im ersten Jahr nach der Geburt unter psychischen Problemen wie Depressionen oder Angststörungen. Es handelt sich damit um häufige und schwerwiegende Komplikation in der peripartalen Phase, erläuterte das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) am Freitag per Aussendung. Das AIHTA stellte bei einer Analyse Aufholbedarf bei Prävention und Versorgung in Österreich fest, vor allem auch in Tirol.

Institut empfiehlt eine Spezialambulanz

Spezielle Unterstützungsangebote und auch Mutter-Kind-Betten auf der Erwachsenenpsychiatrie würden fehlen. „Es gibt keine Möglichkeit in Tirol derzeit, dass Mütter zusammen mit ihren Kindern aufgenommen werden. Es gibt ein paar Betten auf der Kinder- und Jugendpsychiatrie, wo auch eine Eltern-Kind-Aufnahme möglich ist – allerdings nur, wenn Mütter nicht zu schwer erkrankt sind“, so Ingrid Zechmeister-Koss vom Austrian Institute for Health Technology Assessment.

Heli-Pad der Klinik Innsbruck
ORF
AIHTA empfiehlt in Tirol zumindest drei Mutter-Kind-Betten für Betroffene

Doch gerade schwer erkrankte Mütter bräuchten eine medizinische Versorgung und sollten laut der Gesundheitsökonomin gemeinsam mit ihrem Kind behandelt werden. Für Tirol empfehlen Forscherinnen und Forscher zumindest drei Mutter-Kind-Betten, im Idealfall sogar eine Spezialambulanz.

Psychische Probleme noch immer stigmatisiert

In Tirol gebe es ein hohes Level an Stigmatisierung, so die Sozialwissenschafterin Jean Paul von der Meduni Innsbruck. Betroffene würden darum oft erst spät Hilfe suchen. Psychische Probleme nach einer Geburt seien aber keine reine Frauensache. Auch etwa jeder zehnte Mann kämpfe mit Depressionen oder Angststörungen nach der Geburt eines eigenen Kindes.

Forschende warnen vor Folgen

Die Forschenden des AIHTA warnten vor „unmittelbaren und langfristigen potenziell schwerwiegenden Auswirkungen auf Mutter, Vater und insbesondere das Kind“. Diese können von Verhaltensproblemen bis zu einem erhöhten Suizidrisiko reichen und mit großen Belastungen im Gesundheits-, Sozial- und Bildungssystem einhergehen, hieß es weiter. Trotzdem gebe es in Österreich bisher weder eine nationale Strategie noch ein nationales Versorgungsmodell für peripartale psychische Gesundheit, betonte das AIHTA. Die vorhandenen Angebote zeigen zudem große regionale Unterschiede, die häufig unkoordiniert und nicht bundesländerübergreifend verfügbar sind.