Mit dem Verkehrsmanagementsystem soll das sogenannte Lkw-„Slot-System“ implementiert werden, wobei Termine für die Durchfahrt gebucht werden. Freilich können die drei Länder ein solches Verkehrsmanagementsystem nicht im „Alleingang“ beschließen und umsetzen, dies fällt in die hoheitliche Zuständigkeit der Nationalstaaten, in diesem Fall Österreich, Deutschland und Italien. Laut Experten ist ein Staatsvertrag notwendig. Österreich signalisierte Zustimmung, aber ob Deutschland und Italien dem zustimmen, ist mehr als ungewiss.
Für Mattle eine wegweisende Erklärung
Mattle meinte bei der gemeinsamen Pressekonferenz nach dem Treffen, dass es sich um eine Erklärung handle, die „wegweisend“ für die Zukunft sei. Es gehe jetzt darum, „gestaltend und steuernd“ einzugreifen und zu erreichen, dass es auf keiner Seite mehr zu einem großen Stau komme. „Wir brauchen die Staaten. Wir können das nicht alleine stemmen. Das ist ein erster, massiver Anstoß“, appellierte Mattle an die Nationalstaaten und sprach von einer „Entzerrung“ durch das neue System.

Der Landeshauptmann zeigte sich überzeugt, dass man „in kurzer Zeit vom Reden ins Tun“ komme. Einen Zeitplan wollten die Verantwortlichen indes nicht nennen – diesbezüglich und auch zur genauen Ausgestaltung wurde auf die Arbeitsgruppen verwiesen, die kommende Woche erneut tagen sollen.
Für Söder „echte Chance“
Dass das „Slot-System“ – es war grundsätzlich bereits 2019 in einem Abkommen zwischen Berlin und Wien paktiert worden war, damals hatte die CSU mit Andreas Scheuer den Verkehrsminister gestellt – noch nicht umgesetzt ist, führte Söder auf diplomatische Spannungen zwischen Bayern und Tirol zurück.

Man könne zwar in eine Richtung „funken, aber wenn der Apparat ausgeschaltet ist, bringt das nichts“, meinte er. „Wir haben einige Jahre Funkstelle gehabt. Jetzt senden wir ein wichtiges Signal“, erklärte er und ergänzte: „Das ist ein Angebot für eine Lösung an die Nationalstaaten. Das ist eine echte Chance.“ Sollten die Nationalstaaten dies nicht umsetzen wollen, dann würden diese die Verantwortung dafür tragen: „Dann liegt die Verantwortung nicht mehr bei uns.“ Man werde jedenfalls für das „Slot-System“ werben, es handle sich um eine „faire, gute Lösung.“ Mit der Erklärung in Kufstein gebe man den „Startschuss für die Weiterentwicklung des Systems“, so Söder, der von der „buchbaren Autobahn“ schwärmte.
Blockabfertigung für Söder rechtswidrig
Söder zeigte sich „optimistisch“, dass es nun tatsächlich zu einer Umsetzung komme. Dennoch betonte er, dass der Freistaat bei seiner Position bleibe, dass die Lkw-Blockabfertigungen Tirols EU-rechtswidrig seien. Der Ministerpräsident war nach wie vor unzufrieden damit, dass Bayern selbst keine EU-Klage einbringen könne und es in der Bundesregierung keine Mehrheit dafür gebe. Die in Berlin regierende Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP habe nun aber die Möglichkeit, seine „Bayernfreundlichkeit“ zu zeigen und dem Slot-System zuzustimmen.
Kompatscher: Wunsch nach Korridorlösung
Südtirols Landeshauptmann Kompatscher sagte, dass es einerseits die Position Italiens gebe, die sich mit den Blockabfertigungen nicht einverstanden zeigt. Andererseits herrsche aber bei der „transitgeplagten“ Südtiroler Bevölkerung und auch auf politischer Ebene in der autonomen Provinz „durchaus Sympathie für die Tiroler Maßnahmen“, da sie ein Signal dafür seien, dass es so nicht weitergehen könne. Allerdings gebe es in der Südtiroler Landesregierung das Bewusstsein, dass man mit „lokal beschränkten Maßnahmen nicht weiterkommt“, vielmehr brauche es eine „Korridorlösung“.
Nun gelte es, sich zusammenzusetzen und eine „moderne, innovative Lösung“ anzustreben, meinte Kompatscher. Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) – der eine Zustimmung an die Rücknahme von Tirols Lkw-Fahreinschränkungen geknüpft und zuletzt wiederholt ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gefordert hatte – habe stets seine Gesprächsbereitschaft gezeigt.
Besorgnis in Italien, abgeschnitten zu werden
Italien sei aber besorgt, vom Brennerkorridor „abgeschnitten“ zu werden, dieser sei schließlich von „zentraler Bedeutung für das Land“. Kompatscher nahm auch die EU-Kommission in die Pflicht, diese solle durchaus eine „aktive Vermittlerrolle“ einnehmen. Für den Landeshauptmann stand indes fest, dass der Güterverkehr in der Zukunft nicht abnehmen werde. Daher müsse man vom „Überfahren werden ins Gestalten kommen“.

Gewessler will Gespräche vorantreiben
Die Reaktionen der Nationalstaaten Österreich und Deutschland auf die „Kufsteiner Erklärung“ fielen unterschiedlich aus. Von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) kam Unterstützung für ein Lkw-Slot-System am Brenner, um den Transit durch Tirol zu reduzieren. „Viele Jahre war die Diskussion, wir brauchen einen Vorschlag aus der Region“, nun liege dieser vor, sagte sie am Mittwoch vor dem Ministerrat.
Weil es dafür aber auch die Zustimmung Italiens brauche, werde sie dies in Gesprächen mit den Nachbarländern weiter vorantreiben. „Ich werde jedenfalls auch das Slot-System auf EU-Ebene einbringen und erwarte mir vor allem, dass sich Italien damit stark auseinander setzt. Nun gilt es auszuloten, wie Rom und Berlin den Vorschlag sehen“, erklärte Gewessler gegenüber der APA. Wohl in Richtung des italienischen Verkehrsministers Matteo Salvini (Lega), der wiederholt ein Ende der Tiroler Lkw-Fahreinschränkungen und die Einleitung eines EU-Vertragsverletzungsverfahren gefordert hatte, meinte Gewessler, dass „weniger gepoltert“ und „mehr an konstruktiven Lösungen“ gearbeitet werden sollte.
Reaktion aus Berlin sehr verhalten
Sehr reserviert war hingegen die Reaktion aus dem deutschen Verkehrsministerium von Minister Volker Wissing (FDP). Man begrüße zwar jede Vereinbarung, die eine tatsächliche Verbesserung der schwierigen Verkehrssituation am Brenner bringe. Dies sei sowohl im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher als auch der deutschen Transportbranche, die durch regelmäßige Megastaus stark beeinträchtigt werde, teilte das Ministerium der APA mit, aber in Anspielung auf das Slot-System verlautete es auch: "Eine echte Verbesserung setzt jedoch voraus, dass die Warenverkehrsfreiheit tatsächlich und nachhaltig verbessert wird.
Systeme, die die Blockabfertigung mittels Digitalisierung fortsetzen, ändern am Grundsatz einer Kontingentierung nichts." Dem Ministerium liege der Entwurf der Absichtserklärung noch nicht vor. Man setze sich jedenfalls „seit langem intensiv für eine Lösung im Brenner-Konflikt“ ein. Dazu steht man in regelmäßigem Austausch mit Österreich, Italien und auch der Europäischen Kommission, wurde betont.
Slot-System laut Experten umsetzbar
Bei dem „Slot-System“ handelt es sich um buchbare Lkw-Fahrten. Damit sollen Frächter und Speditionen Slots (Termine) für Lkw-Gütertransporte zwischen Rosenheim und Trient buchen und so die Verkehrsströme entzerrt bzw. besser verwaltet werden. Ist die Kapazitätsgrenze erreicht, muss entweder auf die Schiene oder auf einen anderen Tag umdisponiert werden, hatte es ursprünglich geheißen. Ende vergangenen Jahres hatte eine von Südtirol in Auftrag gegebene Studie dem Slot-System sowohl rechtliche als auch technische Machbarkeit attestiert – mehr dazu in Slots für die Fahrt auf der Brennerautobahn.