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Chronik

Rassismusvorwurf bei Thaurer Fasching

Ein Video von schwarz angemalten und als Sklaven verkleideten Männern bei einem Faschingsumzug in Thaur (Bezirk Innsbruck-Land) sorgt für Diskussionen. Die Meldestelle Antirassismus-Arbeit Tirol (ARA) kritisiert die Darstellung als „menschenverachtend“. Die Veranstalter weisen den Vorwurf zurück.

Die Männer der Faschingsgruppe sind auf dem ganzen Körper schwarz bemalt, bis auf eine kurze, braune Stoffhose fast nackt und mit Ketten aneinander gefesselt. So fügen sich die als „Sklaven“ kostümierten Teilnehmer in eine Gruppe rund um trommelnde Männer und ein künstliches Kamel ein. Teilweise werden sie auch ausgepeitscht. So ist es auf einem Video bei einem Umzug am 16. Februar, dem „Unsinnigen Donnerstag“, in Thaur zu sehen.

Eine Person zeigte sich von dem Video, das dem ORF Tirol vorliegt, fassungslos angesichts der Inszenierung und wandte sich an die Anlaufstelle Antirassismus-Arbeit (ARA) Tirol. Diese verurteilte die Aufführung und das Schwarzanmalen scharf. Letzteres beschrieb die Leiterin von ARA Tirol, Miriam Hill, als „Blackfacing“. „Hier werden Menschen, die gesellschaftlich leider immer noch marginalisiert sind und nicht die gleichen Rechte haben, menschenverachtend dargestellt“, sagte sie. Aus ihrer Sicht habe das ganz klar rassistische Bezüge.

Hinweis

Aus Respekt gegenüber Betroffenen wird in diesem Artikel darauf verzichtet, die in Kritik stehenden Bilder und Videos zu zeigen und sie weiterzuverbreiten.

„Hat mit Fasching nichts zu tun“

Diese Darstellung habe die Intention von Fasching klar verfehlt und stelle eine „erniedrigende und herablassende Haltung der Kostümierten gegenüber als anders wahrgenommenen Menschen dar“. Die Machtstrukturen seien in Österreich nach wie vor so, dass Menschen mit bestimmter Herkunft, mit Migrationshintergrund oder Fluchterfahrung in der Gesellschaft nicht die gleichen Rechte hätten. Deswegen sei es nicht legitim, sich in dieser Form über eine Gruppe zu belustigen.

Eine kreative, ausgelassene, an Traditionen angelehnte und im wahrsten Sinne des Wortes verrückte Stimmung gehörten sehr wohl zum Fasching. Kostüme und Feiern hätten ihre Berechtigung und sollen Spaß bereiten. „Aber nicht auf Kosten der Menschenwürde, nicht im Jahr 2023 und auch nicht in Tirol“, so Hill.

Thaurer Muller: Vorwurf nicht nachvollziehbar

Den Vorwurf des Rassismus können die Veranstalter des Umzuges, die Thaurer Muller, nicht nachvollziehen. Bei der Gruppe rund um das Kamel handle es sich um eine lange Tradition, hieß es gegenüber dem ORF Tirol. In einer Stellungnahme zeigte sich der Vereinsvorstand erstaunt darüber, dass manche Zuschauerinnen und Zuschauer darin Rassismus erkennen: „In unserem Menschenverständnis gibt es den Begriff des Rassismus nicht, da wir von einem einheitlichen Menschenbegriff ausgehen.“

Zum Thema Blackfacing hieß es, dass das Schwarzanmalen mit Herabwürdigen nichts zu tun habe. Der Verein verwies dabei auf das Militärwesen und Soldaten, die sich bei Manövern ebenfalls schwarz anmalen würden. Das sei bisher von derartigen Vorwürfen verschont geblieben. Die Leitlinie bei den Fasnachtsaufführungen sei allgemein „der Respekt und die Verantwortung gegenüber den Menschen“, so der Vorstand.

ARA Tirol will Bewusstsein schaffen

Hill sieht die Menschenwürde jedoch klar verletzt. Auch wenn die Faschingsgruppe es nicht rassistisch meine, sei es dennoch ein großes Problem. Das treffe auf einige Kostümierungen zu, die sich über vermeintlich „Fremde“ lustig machten. Im konkreten Fall handle es sich um etwas, was für viele Menschen eine sehr schmerzhafte, lange und gewalttätige Erfahrung war.

Man müsse sich laut Hill die Frage stellen, was Betroffene darüber denken. Der erste Schritt wäre, wirklich in einen Dialog zu treten und zu überlegen, was an gewissen Darstellungen rassistisch sein könnte. Es gehe ihr nicht um eine Belehrung. Vielmehr plädiere sie für ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass es andere Menschen verletzen könne.

„Werden uns keine Fesseln auferlegen lassen“

Die Gewaltdarstellungen beschreibt der Thaurer Muller Verein als „leider Teil des Menschseins“. Ohne sie würden Film, Fernsehen, Kultur oder Politik nicht auskommen, da sie „leider unverzichtbarer Teil der menschlichen Kommunikation ist“, hieß es in der Stellungnahme des Vorstandes.

Der Verein wolle sich jedenfalls nicht einschränken lassen. Man werde die Fasnachtsaufführungen weiter so gestalten, wie man es für richtig und notwendig erachtet: „Keinesfalls werden wir uns aber von Außenstehenden Fesseln auferlegen lassen.“ Die Grenzen seien dort, wo allenfalls strafrechtliche Normen überschritten werden, was hier nicht der Fall sei.

ÖVP hält Vorwurf für „deutlich übertrieben“

Die Tiroler Volkspartei sprach am Montag in einer Reaktion auf den Vorwurf von ARA Tirol von einer „überschießenden politischen Korrektheit“. Dadurch dürfe das Tiroler Brauchtum nicht zerstört werden, so Iris Zangerl-Walser, ÖVP-Sprecherin für Kunst und Kultur. Rassismus sei „ein absolutes No-Go und völlig zu recht gesellschaftlich verpönt“. Trotzdem hält sie es für eine deutliche Übertreibung, einem Faschingsverein Rassismus zu unterstellen, wenn er an einer langjährigen Tradition festhalten wolle.

Laut Zangerl-Walser dürfte sich folglich auch niemand mehr als Indianer verkleiden, „weil durch die kulturelle Aneignung auch hier rassistische Ressentiments bedient werden“. Fasching sei dazu da, sich über gängige Rollenbilder und Klischees lustig zu machen, und vielleicht auch gerade dadurch auf vorhandene Missstände aufmerksam zu machen, sagte sie.

FPÖ-Obmann: „Satire darf alles“

Markus Abwerzger, Obmann der Tiroler FPÖ, übte ebenfalls scharfe Kritik in Richtung ARA Tirol und sprach von „woken Berufsempörern“. Er stelle sich hinter die Thaurer Muller und meinte: „Satire darf alles und gerade im Fasching darf auch Narrenfreiheit gelten“, so Abwerzger.

Er knüpfte an die Debatte der kulturellen Aneignung an und sagte: „Wenn man diese Verbotsgedanken weiterspinnt, muss es im Sinne der kulturellen Aneignung jedem Asiaten oder Afrikaner verboten sein, in eine Lederhose zu schlüpfen“, sagte der Tiroler FPÖ-Chef. Aus seiner Sicht müsse „Schluss mit diesem ideologischen Irrsinn“ sein. Es brauche keine Anzeigen und Strafverfolgungen. Hingegen der Behauptung Abwerzgers war von einer Anzeige seitens von ARA Tirol jedoch keine Rede. Juristische Schritte standen in deren Forderungen bzw. im Interview mit dem ORF Tirol nicht zur Diskussion.