Tierarzt untersucht Hund
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Tiere

Kleintierärztlicher Notdienst in Nöten

Die medizinische Notversorgung von Kleintieren in der Nacht ist in Tirol schwer aufrechtzuerhalten. Nur wenige niedergelassene Tierärzte sind bereit, Notdienste zu übernehmen. Die Unkosten seien hoch, die Belastung ebenso. Sie fordern eine finanzielle Unterstützung, wie es sie in Salzburg gibt.

Viele Tierbesitzerinnen und Tierbesitzer wissen es aus leidvoller Erfahrung: Medizinische Notfälle treten selten an Montagvormittagen ein, sondern meistens in der Nacht oder am Wochenende. Im Großraum Innsbruck steht für die nächtlichen Notfälle unter der Woche eine eigene Notfallnummer zur Verfügung, bei der man mit der diensthabenden Praxis verbunden wird.

Der Innsbrucker Tierarzt Thomas Schuster hat vor 24 Jahren diesen Tierarztnotdienst aufgebaut. In den letzten Jahren sei der Kreis jener Tierärztinnen und Tierärzte, die bereit sind, beim Notdienst mitzuarbeiten, immer kleiner geworden. Derzeit sind noch 19 Tierärztinnen und Tierärzte dabei, allein in Innsbruck erreichen fünf innerhalb der nächsten fünf Jahre das Pensionsalter, nur zwei sind unter 30 Jahre alt. Um das Dienstrad aufrechtzuerhalten, arbeitet auch eine pensionierte Tierärztin mit.

Tierarzt Thomas Schuster
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Der Innsbrucker Tierarzt Thomas Schuster ist seit 24 Jahren eine tragende Säule des Tierarztnotdienstes

Tierbesitzer müssen weite Fahrten in Kauf nehmen

In den anderen Bezirken ist die Situation noch unerfreulicher. Ein Blick auf die Notdienst-Homepage zeigt, dass es nur in den Bezirken Innsbruck, Innsbruck-Land und Imst unter der Woche einen Notdienst gibt. Im Notdienst für den Großraum Innsbruck rufen deshalb mittlerweile Tierbesitzer aus ganz Tirol an, teilweise sogar aus umliegenden Regionen wie Bayern und Salzburg.

Die einzige Tierklinik in Arzl im Pitztal (Bezirk Imst), die für Notfälle rund um die Uhr erreichbar ist, hat auch nur begrenzte Aufnahmekapazitäten. So kann es vorkommen, dass Tierbesitzer in Notfällen bis nach München oder Rankweil fahren müssen.

Homepage Tierarzt-Notdienst
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Unter der Woche ist die nächtliche Notdienstpraxis im Großraum Innsbruck über den Kleintierärzte-Notruf zu erreichen.

Zahl der Anfragen stark gestiegen

In den letzten 24 Jahren sei die Zahl der Anfragen stark gestiegen, so Schuster. Nicht nur, weil es deutlich mehr Haustiere gibt als früher. Durch vermehrte Qualzuchten gebe es auch immer wieder Anrufe wegen Atemnot und Herzproblemen, sagt Nina Spyra, Teil des Notdienstteams und Vorstandsmitglied der Tierärztekammer.

Über 100 Anrufe am Wochenende

Am Wochenende und an Feiertagen steht eine andere Notrufnummer zur Verfügung, unter der sich eine Mitarbeiterin der Veterinärdirektion meldet und die Anrufe an die diensthabenden Tierärzte weiterleitet.

Vielfach sei Hilflosigkeit, Überforderung oder Unwissenheit der Grund für einen Anruf bei der Notfallnummer – nicht immer sei es ein Notfall. In der Urlaubssaison kommen dann noch die vielen Urlauberhunde dazu. Mehr und mehr Hoteliers würden im Notdienst wegen kranker oder verletzter vierbeiniger Hotelgäste anrufen, berichtete Schuster.

Keine Einnahmen bei Telefonberatung

Lässt sich im Notdienst das Problem durch telefonische Beratung klären, bekommen die Tierärztinnen und Tierärzte für ihren Einsatz keinen Cent. Muss der Notfall in der Praxis behandelt werden, kann dafür ein bis zu vierfach erhöhter Tarif verlangt werden. Die im nächtlichen Notdienst entstehenden Kosten würden durch den erhöhten Tarif aber nicht abgedeckt, so die Tierärzte. Denn es brauche auch im Notdienst Assistenzkräfte, die entsprechend bezahlt werden müssen.

Zudem sei in den letzten Jahren auch seitens der Tierbesitzer der Anspruch an die Tiermedizin deutlich gestiegen – auch für Tiere werde „High-End-Medizin" gefordert, Laboruntersuchungen, Röntgen und Ultraschall würden auch im Notdienst erwartet, so Schuster.

Tierärztin Nina Spyra
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Nina Spyra, Vorstandsmitglied der Tierärztekammer: „Irgendwann kommt man an ein körperliches und psychisches Limit.“

Junge Generation will nicht arbeiten bis zum Umfallen

Aber nicht nur die finanzielle Belastung sei es, die viele junge Tierärzte davon abhalte, sich für den Notdienst zu melden. 24-Stunden-Schichten seien mit Familie und Kindern schwer vereinbar, eine schlaflose Notdienstnacht wirke sich auch negativ auf die darauffolgenden Tagdienste aus und zehre an Körper und Psyche, so Spyra.

Besonders bei der jüngeren Generation sei der Wunsch nach Work-Life-Balance und Teilzeit spürbar. „Jeder von uns macht den Beruf sehr gerne und will Tieren helfen. Aber man merkt schnell, dass man irgendwann an ein körperliches und psychisches Limit kommt“, so Spyra.

Schuster: Notdienstteam aufstocken

Um die Notversorgung dennoch sicherstellen zu können, hat man jetzt im Rahmen eines von der Tierärztekammer geförderten Pilotprojekts den Notdienst neu organisiert und flexibler gestaltet. So können sich nun beispielsweise mehrere Tierärzte einen Notdienst teilen, über eine App kann man sich im Kalender an den gewünschten Tagen eintragen. Durch diese Neuerung seien bereits drei Tierärzte neu zum Notdienstteam dazugekommen.

Allerdings brauche es nicht zuletzt in Hinblick auf die anstehende Pensionierungswelle noch mehr Tierärztinnen und Tierärzte, die sich bereiterklären, mitzumachen – ob tageweise, stundenweise oder als Back-up – man sei um jede Einzelne und jeden Einzelnen froh, so Schuster. Ansonsten werde künftig eine durchgehende notmedizinische Versorgung nicht mehr möglich sein, so der Innsbrucker Notdienst-Pionier.

Salzburg unterstützt Notdienst finanziell

Unterstützung erhoffe man sich von Land und Gemeinden und auch vom Tourismus. Dass eine finanzielle Abgeltung der Dienste Abhilfe schaffen kann, habe das Beispiel Salzburg gezeigt. Dort wird der Notdienst vom Land finanziell unterstützt. So wird etwa in Salzburg ein Nachtdienst unter der Woche mit 200 Euro brutto abgegolten, ein 36-stündiger Feiertagsnotdienst (von 19.00 Uhr des Vortags bis 7.00 Uhr nach dem Feiertag) mit 600 Euro.

Mit einer Million Euro jährlich will man in Salzburg so die notärztliche Versorgung von Groß- und Kleintieren sicherstellen. Eine derartige finanzielle Unterstützung würde man sich auch vom Land Tirol wünschen, so Tirols Tierärztekammer-Präsident Bernd Hradecky.

Bernd Hradecky, Präsident der Tiroler Tierärztekammer
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Tierärztekammer-Präsident Bernd Hradecky hofft auf weitere Gespräche und auf Unterstützung durch das Land

Geisler kündigt Gespräche an

Geld mit der Gießkanne zu verteilen sei keine Lösung, antwortete darauf der zuständige Landesrat Josef Geisler (ÖVP). Einen Notdienst aufrechtzuerhalten sei eine rein organisatorische Tätigkeit, das müsse die Kammer machen. Wenn sich tatsächlich herausstelle, dass das wirtschaftlich nicht machbar sei, dann werde man versuchen, eine adäquate Versorgung zustande zu bringen, so Geisler. Dazu gelte es, verschiedene Möglichkeiten gemeinsam zu prüfen. Er kündigte an, sich im Frühjahr diesbezüglich wieder mit der Tierärztekammer zu Gesprächen zu treffen.