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Politik

Innsbruck: Fast alle Parteien gegen Willi

Innsbrucks Bürgermeister Georg Willi (Grüne) steht zunehmend isoliert da. Am Dienstag marschierte die Mehrheit der Gemeinderatsfraktionen zu einer Pressekonferenz auf. Sie kritisierten Willi einmal mehr für den Sondervertrag für seine Ex-Personalamtsleiterin und andere Alleingänge. Neuwahlen scheinen trotzdem kein Thema zu sein.

Es handle sich um eine noch nie da gewesene Aktion, ließen die Vertreter von ÖVP/Seniorenbund, Für Innsbruck (FI), SPÖ, FPÖ, Liste Fritz, Lebenswertes Innsbruck und Gerechtes Innsbruck bei der Pressekonferenz unter großem Medieninteresse in einem Cafe im Rathaus, nur einen Steinwurf vom Büro des Bürgermeisters entfernt, wissen. NEOS-Vertreterin Julia Seidl war zwar angekündigt, aber kurzfristig verhindert, solidarisierte sich jedoch mit der Anti-Willi-Phalanx am Dienstag. Diese umfasst alle Fraktionen und Listen im Gemeinderat mit Ausnahme der Grünen sowie der Alternativen Liste (ALI).

Wenngleich die Vorwürfe nur so auf Willi niederprasselten und vereinzelt auch dezidiert der Rücktritt verlangt wurde, in dieser Frage herrschte geeinte Uneinigkeit: Eine gemeinsame Rücktrittsaufforderung an den umstrittenen Stadtchef blieb aus. In einem schriftlichen Statement war folgerichtig von Übereinstimmung über Ablehnung der Vorgangsweisen des Bürgermeisters und den „Schaden“ für die Stadt zu lesen, aber auch von der unterschiedlichen Bewertung der nötigen Konsequenzen.

Nächste Wahl planmäßig 2024

Die Gemeinderats- und Bürgermeisterdirektwahl in der Landeshauptstadt steht planmäßig im Frühjahr 2024 am Programm. Und dabei dürfte es auch bleiben, denn sowohl von der ÖVP als auch der Liste Für Innsbruck hieß es am Rande der Pressekonferenz zur APA, dass man eine Zustimmung zu einem allfälligen Auflösungsantrag im Gemeinderat auch weiterhin ausschließe.

Innsbrucker Rathaus
IKM / W. Giuliani
Im Innsbrucker Rathaus kritisierte am Dienstag eine große Mehrheit der Gemeinderatsfraktionen den Bürgermeister scharf

Er könne das kategorisch ausschließen, betonte FI-Klubobmann Lucas Krackl, und zwar aus einem einfachen Grund: Innsbruck stünde in einem solchen Fall monatelang bis zur Wahl „unter Kuratel“ und müsste unter Verwaltung des Landes gestellt werden. Die Stadt wäre dann politisch komplett handlungsunfähig, und zwar auch der Gemeinderat, der im Gegensatz zum Bürgermeister nach wie vor funktioniere: „Uns gibt es dann nicht mehr.“ Auch ÖVP-Klub- wie Stadtparteiobmann LAbg. Christoph Appler schloss gegenüber der APA eine Zustimmung seiner Partei aus.

SPÖ-Stadtparteichef Benjamin Plach plädierte dagegen, wie die meisten anderen Nicht-Grün-Fraktionen, für einen Schlussstrich und einen vorgezogenen Urnengang. Für eine Auflösung des Gemeinderates braucht es eine Zweidrittelmehrheit sowie die Anwesenheit von drei Viertel der Mandatare.

Sondervertrag: Lückenlose Aufklärung gefordert

Geschont wurde der Stadtchef in den Wortmeldungen der Pressekonferenz keineswegs. „Der Schaden ist angerichtet“, konstatierte Appler. FI-Gemeinderat Markus Stoll betonte, dass es weiterhin eine lückenlose Aufklärung der Vorgänge in Willis Umfeld brauche, und sprach von angeblichen zwei weiteren Sonderverträgen, die Gegenstand von Untersuchungen seien. Zudem müsse wohl auch geprüft werden, ob Sittenwidrigkeit hinsichtlich eines möglicherweise verletzten Gleichheitsgrundsatzes vorliege.

SPÖ-Vorsitzender Plach will Willi rechtlich und kompetenzmäßig weiter die Daumenschrauben anziehen und „nachschärfen“, um weiteren „Missbrauch“ von vornherein zu verhindern. So sollen dem Bürgermeister die Kompetenzen, die Magistratsgeschäftsordnung zu ändern sowie Sonderverträge abzuschließen, entzogen werden.

FPÖ: „LH Mattle soll einschreiten“

„Georg, es ist genug. Der Rücktritt muss folgen“, ließ indes FPÖ-Vizebürgermeister Markus Lassenberger das Stadtoberhaupt wissen. Die Sondervertrag-Affäre habe alle „fassungslos gemacht“, seitdem sei Willi weiter uneinsichtig. Lassenberger nahm auch das Land und LH Mattle in die Pflicht. Dieser müsse in Innsbruck „einschreiten“.

Pressekonferenz Opposition Innsbruck
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Vertreterinnen und Vertreter von Lebenswertes Innsbruck, FPÖ, Liste Fritz, ÖVP, SPÖ, Gerechtes Innsbruck, FI

Der angesprochene Landeshauptmann zeigte am Dienstag bei einem Pressegespräch aber wenig Absichten, sich einzumischen. „Das müssen die Verantwortlichen in der Stadt schon selber wissen, wie ihr Weg ausschaut. Da kann auch nicht das Land Tirol für sie entscheiden“, sagte Mattle. Es brauche aber in der Landeshauptstadt schon Kräfte, die an einem Strang ziehen: „Das erleben wir in diesen Tagen nicht“, hielt er fest.

Staatsanwaltschaft werde eingeschaltet

„Das Problem ist die Führung. Willi steht für Chaos, Freunderlwirtschaft, Stadtrechtsbrüche. Er ist überfordert und nicht mehr amtsfähig. Es ist Gefahr im Verzug“, nahm Gerald Depaoli, Gemeinderat von Gerechtes Innsbruck, den Bürgermeister ins Visier. Auch er verlangte ein Einschreiten des Landes und teilte mit, dass seine Gruppierung zwei Sachverhaltsdarstellungen gegen Willi in Sachen Sondervertrag einbringen wird – eine bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck und eine weitere bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA).

Es gehe um den Verdacht der Untreue, des Amtsmissbrauches und der Vorteilszuwendung. Damit liegen gegen Willi nunmehr bereits vier Sachverhaltsdarstellungen vor – auch die FPÖ sowie die Liste Fritz hatten solche bereits eingebracht – mehr dazu in Sondervertrag: FPÖ mit Anzeige gegen Willi.

Willi schließt Rücktritt aus

Der grüne Bürgermeister selbst wies auch am Dienstag alle Forderungen nach einem Rücktritt zurück. Zwischen dem Machtkampf in der Stadtpolitik und der praktischen Arbeit für die Bevölkerung gebe es auch große Unterschiede. „In dieser Stadt laufen so viele Projekte, wir haben drei ganz große Probleme zu bewältigen“, sagte er im Interview mit dem ORF Tirol. Dazu zählte er die Klimakrise, die Wohnsituation und die Teuerung. Das seien die Themen, die die Leute beschäftigen, und daran wolle er weiter arbeiten.

Georg Willi (Grüne)
ORF
Laut Innsbrucks Bürgermeister Willi werde im Gemeinderat trotz der Konflikte noch vieles umgesetzt

Trotz einer fehlenden Mehrheit im Gemeinderat werde vieles umgesetzt, meinte er unter Verweis auf den vergangenen Stadtsenat. Dort seien 38 von 39 Tagesordnungspunkten mehrheitlich beschlossen worden. „Wir sind in der täglichen Praxis ganz anders unterwegs, als es die Oppositionsparteien darstellen“, so das Stadtoberhaupt. „Mir hier vorzuwerfen, es gebe einen Stillstand, geht völlig ins Leere.“

Auch früher schon Sonderverträge

Dem Vorwurf der fehlenden Transparenz bei den Sonderverträgen entgegnete er, dass in der Diskussion auch Sonderverträge aus früheren Amtszeiten geprüft werden müssten: „Der größte Fundus an Sonderverträgen findet sich bei der großen Verwaltungsreform unter Herwig van Staa.“ Bei van Staa sei die Auflösung von Ämtern nicht auf Kritik gestoßen.

In einer Stellungnahme widersprach die Liste Für Innsbruck, für die van Staa damals an der Spitze der Stadt stand. Auch der frühere Bürgermeister und Landeshauptmann selbst meldete sich zu Wort: Die Verwaltungsreform unter ihm sei damals völlig transparent, mit Beschlüssen von Stadtsenat und Gemeinderat und im Einvernehmen mit der Magistratsdirektion und der Personalvertretung erfolgt. Es habe keine Sonderverträge gegeben, so van Staa, der von 1994 bis 2002 Innsbrucker Bürgermeister war.

Politologe: „Blockade und Zersplitterung gehen weiter“

Der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier von der Donau-Universität Krems befürchtet auch bei einer Neuwahl eine anhaltende Blockade in der Innsbrucker Gemeindepolitik. Die zersplitterte Parteien- und Listenlandschaft ließe auch bei einer vorgezogenen Wahl keine Lösung erwarten. Bei einer Selbstauflösung des Gemeinderates seien ein paar Monate Stillstand zu befürchten. Bisher gab es schon Abspaltungen. „Dass das dann ein harmonisches Miteinander wird, glaubt niemand“, so Filzmaier.