Lärmschutz, Leonore Gewessler
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Verkehr

Gewessler über Salvini „extrem verärgert“

In dem zwischen Österreich, Italien und Deutschland seit Jahren schwelenden Transitstreit hat Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) ihren italienischen Amtskollegen Matteo Salvini (Lega) vor einem Treffen am Dienstag zur Mitarbeit an Lösungen aufgefordert. Sie zeigte sich „extrem verärgert“ über Italiens Vorgehensweise.

„So können wir das nicht angehen. Alle sind gut beraten, weniger zu poltern und mehr an Lösungen zu arbeiten“, hielt Gewessler gegenüber der Tiroler Tageszeitung am Montag fest. „Italien muss zu den Gesprächen zurückfinden. Sich nur an der EU oder anderen Ländern abzuputzen – so kann es nicht weitergehen“, verdeutlichte die grüne Ministerin im Vorfeld einer informellen Tagung der EU-Verkehrsminister in Stockholm, wo sie am Dienstag mit Salvini zu einem bilateralen Gespräch zusammenkommt.

Gewessler: Tirol ist über die Maßen belastet

Sie setze nach wie vor „Hoffnungen“ in den Trilog zwischen Österreich, Italien und Deutschland und dies obwohl Salvini zuletzt mit dem deutschen Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) eine „gemeinsame Achse“ in Brüssel geschmiedet habe. Die beiden Politiker hatten sich gegen die in Tirol verhängten Lkw-Fahrbeschränkungen ausgesprochen.

„Was ich nicht mehr ununterbrochen hören will, ist, dass es kein Problem gibt. Es gibt eines“, sagte Gewessler. „Wir haben in Tirol mehr Lkw-Alpenquerungen als im gesamten restlichen Alpenraum“, argumentierte sie. Insbesondere das von den Nachbarn heftig kritisierte Nachtfahrverbot steht für die Ministerin „nicht zur Diskussion“, denn es sei eine „wirksame Maßnahme, um die Bevölkerung zu schützen“.

Senkung der Grenzwerte auf EU-Ebene

Tirols Verkehrslandesrat Renè Zumtobel (SPÖ) hatte zuletzt eine österreichweite Senkung der Luftschadstoff-Grenzwerte ins Spiel gebracht, die eine Grundlage für den Luft-100er auf Tirols Autobahnen und gleichzeitig für die Anti-Transitmaßnahmen sind – mehr dazu in Transit: Zumtobel fordert Maßnahmen der EU.

Die EU arbeitet momentan an einer Lösung. Einen nationalen Alleingang wollte Gewessler in dieser Sache nicht anstreben: „Ich halte es im ersten Schritt für sinnvoller, auf europäischer Ebene schnell voranzukommen“, meinte sie dazu.

Italien: Sind zu Gesprächen bereit

Nach Gewesslers Interview hieß es seitens des italienischen Verkehrsministeriums, dass man „zu konstruktiven und konkreten Gesprächen“ mit allen Amtskollegen Salvinis bereit sei, insbesondere mit seiner österreichischen Amtskollegin. „Italien fordert lediglich die Einhaltung der europäischen Verträge. Unser Land leugnet nicht das Verkehrsproblem am Brennerpass und investiert erhebliche Mittel in den Eisenbahntunnel.“

Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die „einseitigen Blockaden“ in Österreich den Fahrzeugverkehr nicht verringert hätten und „dass sich die Luftqualität trotz der erheblichen Zunahme des Verkehrs dank der Bemühungen der Transportunternehmen, die in ihre Flotten investiert haben, weiter verbessert hat“, geht aus einer am Montag veröffentlichten Erklärung des Verkehrsministeriums in Rom hervor.

Italienische Frächterverbände attackieren Gewessler

Gewesslers Aussagen lösten zudem eine kritische Reaktion der italienischen Frächterverbände aus. Als „despotisch und unbegreiflich“ bezeichnete der Chef des Frächterverbands Conftrasporto-Confcommercio Pasquale Russo die Haltung Gewesslers. „Gewessler hält die Verbote für ‚unverzichtbare Maßnahmen für die Lebensqualität in Tirol‘, wir halten sie für Schikanen eines Landes gegen ein anderes innerhalb der Europäischen Union selbst“, attackierte Russo die Ministerin. „Das Verhalten Österreichs ist unzulässig und diskriminierend gegenüber der italienischen Wirtschaft und den Unternehmen. Wir müssen sofort Schluss machen mit dieser Ausrede“, so Russo.

Tirol von beiden Seiten unter Druck

Salvini hatte in den vergangenen Monaten Österreich immer wieder mit einer EU-Klage gedroht bzw. von der EU-Kommission die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gefordert. Österreich verhindere mit seinen Anti-Transitmaßnahmen den freien Personen- und Warenverkehr, argumentierte er – mehr dazu in Transitdebatte: Der Ton wird rauer.

Auch Bayern übt stetigen Druck auf Tirol aus, vor allem wegen der zeitweisen Lkw-Blockabfertigungen an der Grenze, die zu regelmäßigen Staus auf deutscher Seite führen – Bayern kritisiert Lkw-Blockabfertigungen.