Ein Teil der Geflüchteten ist bereits unmittelbar nach dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine nach Tirol gekommen. In den vergangenen Monaten sind aber noch ein paar hundert Betroffene dazugekommen. Die Menschen aus der Ukraine seien in Tirol auf große Hilfsbereitschaft gestoßen, und diese Solidarität dauere noch an: „Jede Hilfsbereitschaft stumpft normalerweise ab. Aber ich kann von Tirol nicht berichten, dass sich diese Hilfsbereitschaft abstumpft, im Gegenteil. Im Konsulat vergeht kein Tag, an dem nicht wirklich Hilfe aus der Tiroler Bevölkerung angeboten wird, sei es von kirchlichen Institutionen, vom Tiroler Unternehmertum und natürlich auch vom Land“, so Peer.
Viele auch privat untergekommen
Etwas mehr als 1.500 Geflüchtete aus der Ukraine sind in organisierten Unterkünften über die Tiroler Sozialen Dienste (TSD) untergebracht. Viele sind aber privat untergekommen, teilweise würden Wohnungen auch kostenlos zur Verfügung gestellt, sieht der Honorarkonsul einen weiteren Beleg für die Solidarität mit den Geflüchteten.
Lernen mit den Erfahrungen
Mehr als 3.200 Betroffene wurden in die Grundversorgung aufgenommen, damit sie, was Wohnen und Verpflegung anbelangt, abgesichert sind. Wie Peer einräumt, gab es anfangs durchaus Schwierigkeiten bei der Unterstützung der Geflüchteten durch die öffentliche Hand. Aus den Erfahrungen habe man aber gelernt: „Die Struktur hat an Qualität gewonnen, so dass die schutzsuchenden Menschen, die bei uns Hilfe brauchen, diese Hilfe auch bekommen.“

Trauma Flucht und die Angst um Männer und Angehörige
Die Geflüchteten aus der Ukraine seien natürlich traumatisiert, so Peer. Die Hoffnung, nach Hause zurückkehren zu können, rückt mit der Fortdauer des Kriegs aber in weite Ferne. Die meisten haben Verwandte im Krisengebiet, die Männer sind vielfach im Kriegseinsatz. Die Angst um die zurückgebliebenen Familienmitglieder ist ein ständiger Begleiter, schildern etwa die ukrainischen Frauen, die mit ihren Kindern von einer Familie in Unterperfuss aufgenommen wurden.
Zumindest macht das gut ausgebaute Telekommunkationsnetz in der Ukraine einen regelmäßigen Kontakt möglich. Sie telefoniere jeden Tag mit ihrem Mann, auch die Kinder könnten via Videogespräch mit ihrem Vater in Verbindung bleiben, schildert Yvgenia Sidlyarenko, die mit zwei kleinen Kindern nach Tirol geflüchtet ist. Sie und die anderen Frauen in Unterperfuss bekräftigen alle, dass sie nach dem Krieg wieder in die Ukraine zurückkehren wollen.

Arbeit entspricht oft nicht der Ausbildung
Ukrainische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger dürfen in Österreich grundsätzlich arbeiten. Allerdings besteht dann die Gefahr, dass sie aus der Grundversorgung fallen. Laut AMS waren mit Ende Jänner trotzdem fast 1.400 ukrainische Staatsangehörige in Tirol unselbständig beschäftigt, wobei es sich dabei nicht bei allen um Geflüchtete handelt. Schon vor dem Krieg gab es in Tirol eine starke ukrainische Gemeinde, ein paar hundert Menschen aus der Ukraine hatten schon damals eine Arbeit in Tirol.
Über ein Drittel arbeitet in der Gastronomie
Die allermeisten ukrainischen Staatsangehörigen arbeiten in Tirol in der Gastronomie (37 Prozent), aber auch im Handel, in der Produktion, im Gesundheits- und Sozialwesen, etwa in Pflegeberufen, in der Dienstleistung wie in der Gebäudereinigung oder in den Landwirtschaft haben viele eine Beschäftigung gefunden. Oft dürften es allerdings Anstellungen sein, die nicht der Ausbildung entsprechen, etwa als Hilfskräfte, heißt es beim Tiroler AMS. Dabei gäbe es hier viel Potenzial: Der Akademikeranteil unter den rund 2.000 Arbeitssuchenden aus der Ukraine ist mit 30 Prozent besonders hoch.

Personalmanagerin putzt jetzt Schulklassen
Zum Teil könnten hier noch fehlende Deutsch-Kenntnisse ein Hindernis sein oder die bislang nicht erfolgte Anerkennung von ukrainischen Abschlüssen. Auch Betreuungspflichten bei kleinen Kindern spielen bei der Beschäftigungsfrage eine Rolle, so auch bei Yvgenia Sidlyarenko. Sie war in der Ukraine Personalmanagerin, zuletzt aber in Karenz wegen ihrer Kinder. In Tirol reinigt sie jetzt Klassen, in denen ukrainische Kinder unterrichtet werden.
„Diese Menschen sind sich nicht zu schade, auch Arbeiten zu machen, die nicht ihrer Qualifikation entsprechen“, so der Honorarkonsul Walter Peer. Das könne aber nicht das Ziel sein, betont er mit Verweis auf den Fachkräftemangel. „Als Beispiel: die Ukraine hat hochausgebildete, hochqualifizierte IT-Fachkräfte, auch Frauen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass diese IT-Fachkräfte gut in den Arbeitsmarkt in Tirol integrierbar sind“, nennt Peer ein Beispiel für die Integration im Bereich Beschäftigung. Nachdem ein Ende des Kriegs und damit eine Rückkehr der Geflüchteten in ihre Heimat nicht absehbar ist, sei auch eine stärkere gesellschaftliche Integration notwendig.
Gedenken an Opfer des Krieges
Zum Jahrestag des Kriegsbeginns in der Ukraine gedenkt das Land Tirol am Freitagabend der Opfer der Auseinandersetzung. Vertreter der Landesregierung, des Landtags und Bischof Hermann Glettler nehmen daran Teil. Neben dem Gedenken mit literarischen und musikalischen Beiträgen im Festsaal des Landhauses wird am Abend das Befreiungsdenkmal am Platz davor in den ukrainischen Nationalfarben beleuchtet. Um 19.00 Uhr findet im Innsbrucker Dom ein Ökumenisches Friedensgebet statt.
Politik betont Solidarität und Hilfsbereitschaft
Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) verwies im Vorfeld auf die große Solidarität in Tirol. Das Land stehe zu seiner Verantwortung, Mattle dankte gleichzeitigen allen Helfern. „Nach wie vor erreichen uns schreckliche Bilder aus den betroffenen Regionen. Es ist kaum vorstellbar, welches Leid die Menschen durch den Krieg erfahren müssen“, so der Landeshauptmann: „Ein Ende dieses Krieges liegt nicht in unserer Hand, wir können nur für Frieden, Vernunft und den Wiederaufbau in der Ukraine appellieren.“
Landeshauptmannstellvertreter Georg Dornauer (SPÖ) bekräftigte, dass sich Schutzbedürftige aus der Ukraine weiter auf Tiroler verlassen könnten. Das alles wäre ohne die große Hilfsbereitsschaft und Solidarität in der Tiroler Bevölkerung aber nicht möglich gewesen, bedankte sich Dornauer. Man werde die Hoffnung trotz allem nicht aufgeben, „dass der Krieg ein baldiges Ende findet“.