Gut eine Woche vor der Bürgermeister-Direktwahl ist es noch sehr ruhig im Ort. Von einem klassischen Wahlkampf ist von außen betrachtet wenig zu merken. Nicht einmal eine Handvoll Wahlplakate ist an einzelnen Stellen im Ort montiert. Harald Willam ist auf ein paar davon als Kandidat zu sehen – gemeinsam mit dem SPÖ-Landesparteichef Georg Dornauer. Willam tritt auf der Liste „WIR Sellrainer“ an.
Doch seit Dornauer Ende Oktober des vergangenen Jahres zum Landeshauptmann-Stellvertreter wurde, führt die Vizebürgermeisterin, Sigrid Jordan, die Amtsgeschäfte. Sie ist ebenfalls von Dornauers Liste. Allerdings wird sie am 26. Februar nicht kandidieren. Willam sei der bessere und erfahrenere Kandidat aus ihrer Fraktion, sagte sie im ORF-Interview.
Obwohl es im Ort von außen ruhig wirkt, sei die Anspannung durchaus groß. „Ich glaube, dass es eine sehr harte und knappe Entscheidung wird, vor allem weil es jetzt eine richtungsweisende Wahl für Sellrain ist“, meinte Jordan. Es gehe um die Frage, ob die Arbeit der vergangenen Jahre weitergeführt wird oder ob es einen Schritt zurück gibt. Damit spielt sie vor allem auf die Aufteilung der Sitze im Gemeinderat an.
Neun zu vier Mandate im Gemeinderat
Harald Willam ist nach eigenen Angaben seit 25 Jahren im Gemeinderat. Sechs Jahre fungierte er als Vizebürgermeister. Willam hat nicht nur Dornauer, sondern mit neun von 13 Mandaten auch eine komfortable Mehrheit im Gemeinderat hinter sich. Für ihn ist das eine wichtige Voraussetzung. „Ein Bürgermeister sollte eine Mehrheit haben, um Projekte umzusetzen“, sagt er.

Bei seinem Kontrahenten wäre das nicht der Fall. Benedikt Singer verfügt mit seiner Liste „Gemeinsam für Sellrain“ nur über vier Mandate im Gemeinderat. Einen Nachteil sieht er darin nicht. Schließlich sei in so einer Konstellation auch in der Vergangenheit schon viel umgesetzt worden. Es habe stets eine gute Zusammenarbeit gegeben. „So stelle ich mir das auch für die Zukunft vor, dass wir gemeinsam Lösungen finden können“, so Singer.
Infrastruktur als zentrales Thema
Projekte und Baustellen gibt es in der Gemeinde viele. Vom Verkehr über Wohnen bis zur Energie reichen die Themen der beiden Kandidaten. Zuletzt wurde das Wasserkraftwerk Sellrain-Fotsch fertiggestellt. Es ist bereits im Probebetrieb und steht zu hundert Prozent im Eigentum der Gemeinde. Über das Kraftwerk soll Geld in die Gemeindekasse fließen.
Neben der Schaffung von Platz für Urnengräber am Friedhof ist die Neugestaltung des Sportareals ein zentrales Anliegen im Ort. Im Raum stehen ein größerer Fußballplatz, Tennisplätze sowie eine ganzjährige Gastronomie. „Es soll ein Treffpunkt für Jung und Alt entstehen, der Fußballverein ist dort und es ist ein großes Areal vorhanden“, ist Willam von dem Vorhaben überzeugt.

Die konkrete Umsetzung könnte aber für Diskussionen sorgen. Klar ist für Singer, dass das derzeitige Kantinengebäude erneuert werden muss. Wichtig sei jedenfalls, die Wirtshauskultur zu erhalten und das Angebot zu einem bestehenden Gasthaus zu erweitern. Grundsätzlich stehe er der Erweiterung des Sportplatzareals positiv gegenüber. Gleichzeitig relativiert er: „Es braucht Maß und Ziel und nicht einen übertriebenen Stil.“
Familie, Beruf und das Bürgermeisteramt
Benedikt Singer trat 2016 bereits bei der Bürgermeister- und Gemeinderatswahl als Bewerber um den Posten des Sellrainer Ortschefs an. Damals unterlag er Georg Dornauer. Bei der Wahl vor einem Jahr trat er nicht mehr an, sodass Dornauer ohne einen Gegenkandidaten wiedergewählt wurde. Damals sei seine persönliche Situation noch eine andere gewesen. „Ich war gerade mit dem Hausbau beschäftigt und beruflich noch nicht so gefestigt wie jetzt“, meint Singer, der vor wenigen Wochen Vater wurde und beruflich im Land Tirol die Abteilung Buchhaltung leitet.
Familie, Beruf und das Bürgermeister-Amt zu verbinden, sei natürlich eine Herausforderung. Mit Unterstützung der Familie sowie des Dienstgebers sei es aber schaffbar. Bei Harald Willam wäre die Situation sehr ähnlich. Der zweifache Vater und selbständige Elektriker meinte dazu, dass er die Arbeit ein wenig reduzieren müsse: „Das Bürgermeister-Amt geht auf alle Fälle vor.“
Dornauer weiter im Gemeinderat
Landeshauptmannstellvertreter Dornauer wird als einfaches Mitglied weiterhin im Gemeinderat bleiben. Derzeit hat er noch weitere Funktionen inne, zum Beispiel ist er unentgeltlich Geschäftsführer des gemeindeeigenen Kraftwerks. Dass Dornauer dennoch als eine Art heimlicher Bürgermeister auftreten wird, sei laut den beiden Kandidaten kein Thema.
„Georg wird im Gemeinderat bleiben und alle anderen Funktionen langsam zurücklegen“, so Willam. Sofern er bei der Wahl gewinnen sollte, werde er das Amt alleine bzw. mit seinem Team ausführen. Ähnlich sieht das Benedikt Singer. Eine Art „Schattenbürgermeister“ werde es mit ihm nicht geben. Im Gegenteil: „Jede Gemeinde kann nur stolz und froh sein, wenn sie einen Landeshauptmannstellvertreter im Gemeinderat hat und er seine Ideen und Visionen für Sellrain einbringen kann.“
Unabhängig davon, welche Rolle Dornauer in der Sellrainer Gemeindepolitik weiter spielen wird, müssen 1.136 Wahlberechtigte am 26. Februar eine Entscheidung treffen. Bis zur nächsten Bürgermeister- und Gemeinderatswahl im Jahr 2028 wird entweder Harald Willam oder Benedikt Singer auf ihn nachfolgen.