Kirchen in Matrei am Brenner
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Matrei: Wie Orte erfolgreich fusionieren

Vor einem Jahr sind im Wipptal die drei Gemeinden Matrei, Mühlbachl und Pfons zusammengelegt worden. Die neue, größere Gemeinde heißt Matrei am Brenner und hat rund 3.500 Einwohner. Es sei eine vorbildhafte Fusion gewesen, meint Politologe Philipp Umek. Dennoch bleibt die Zusammenlegung ein Einzelfall.

Freiwilligkeit, Gemeindegröße und Identität: Diese drei Zutaten brauche es, damit eine Gemeindefusion gut funktioniert, erklärt Politikwissenscharter Philipp Umek von der Universität Innsbruck im Interview mit dem ORF Tirol. Matrei am Brenner habe es geschafft, diese Voraussetzungen zu erfüllen.

Gemeinden wollten Fusion aus eigenen Stücken

Die Fusion war damals eine freiwillige Initiative der drei Gemeinden. „Sie wurde nicht top down von oben herab verordnet, sondern sie wurde bottom up aus den Gemeinden initiiert. Das ist ein wichtiger Grund, der zum Gelingen einer Fusion beiträgt“, so Philipp Umek.

Das stehe im Kontrast zu anderen Gemeindefusionen. Die Steiermark etwa hat vor ein paar Jahren aus über 500 Gemeinden rund 250 gemacht – und das von oben herab verordnet. Da habe es auch mehr Widerstand aus der Bevölkerung gegeben, sagt Umek.

Portrait Politologe Philipp Umek
privat
Philipp Umek

Balance bei Gemeindegröße als Faktor

Die Gemeinden, die fusionieren, sollten laut Umek im Idealfall ungefähr gleich groß sein. In der Steiermark habe teilweise eine große Gemeinde zwei kleinere übernommen. Das sei nicht gut, weil die Bürgerinnen und Bürger sich übergangen fühlen würden. Wenn aber kleinere Gemeinden zusammenwachsen, dann würden sie insgesamt stärker werden, sieht der Politologe Vorteile für solche Fusionen.

Matrei, Mühlbachl und Pfons hatten vor dem Zusammenschluss jeweils zwischen elf und 13 Gemeinderäte, insgesamt waren es 37 Mandatare. Durch die Fusion gibt es für alle drei Orte zusammen jetzt nur mehr 15 Mandate im Gemeinderat. „Mehr als die Hälfte der politischen Vertreterinnen und Vertreter ist jetzt obsolet, und die Gemeinderäte muss man sich unter den drei früheren Gemeinden aufteilen. Das kann nur dann gelingen, wenn die Gemeinden, die fusionieren, ungefähr gleich groß sind. So kann sich die politische Vertretung im Gemeinderat die Waage halten“, erklärt Politologe Umek.

Gemeindeidentität als Kitt für die neue Gemeinde

Bei einer Zusammenlegung dürfe die Identität einer Gemeinde, also auch die Eigenständigkeit, auf keinen Fall verloren gehen, sagt der Politikwissenschafter weiter. Matrei, Mühlbachl und Pfons seien historisch schon früher in den verschiedensten Bereichen zusammengewachsen, etwa was das Vereinsleben oder die Verbände betrifft. Es habe etwa nur eine Musikkapelle gegeben, so der jetzige Bürgermeister von Matrei am Brenner, Patrick Geir. Dadurch habe sich durch die Zusammenlegung, was die Identität betrifft, nicht viel verändert.

„Unsere Aufgabe ist es jetzt, die Leute abzuholen, die die Fusionierung kritisch gesehen haben und ihnen zu sagen, dass ihre Identität, ihr Gemeinschaftsgefühl, das Vereinsleben und die Organisationen bestehen bleiben können. Die Frage ist, ob es drei Gemeindeämter und drei Gemeinderäte braucht, oder ob ein Bürgermeister mit einem Gemeinderat reicht“, so Geir.

Die drei Wipptaler Gemeinden Mühlbachl, Pfons und Matrei am Brenner
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Seit 1.1.2022 sind im Wipptal die drei Orte Matrei, Mühlbachl und Pfons zu einer Gemeinde zusammengelegt. Die größere Gemeinde heißt seitdem Matrei am Brenner

Vorerst keine weiteren Pläne für Gemeindefusionen in Tirol

Laut Land Tirol überlegen derzeit keine weiteren Gemeinden zusammenzuwachsen. Matrei am Brenner wird also vorerst ein Einzelfall bleiben. Für das Land seien kleine Gemeinden, mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, die relativ wenig Macht haben, sicher bequemer, glaubt der Politikwissenschafter Philipp Umek. Gleichzeitig würde aber eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Gemeinden sogenannte Skaleneffekte mit sich bringen.

„Die sind aber erst ab einer gewissen Größe gegeben, vielleicht ab 3.000 bis 4.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, um eine Zahl zu nennen. Erst dann würde man die wirtschaftlichen Effekte in der Verwaltung und dergleichen merken“, so Umek. Es sollte deshalb vom Land mehr Unterstützung geben, damit die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden besser funktioniert, so der Appell des Politologen. Es sei andererseits nämlich oft gar nicht so einfach, in bestimmten Bereichen über Gemeindegrenzen hinweg zu kooperieren.