Symbolbild: "Gletscher / Berge / Klimaerwärmung / Klimawandel / Alpinismus / Snowfarming – im Bild der Rettenbachferner
APA/HANS KLAUS TECHT
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Wissenschaft

Klimawandel: Gebirgsforscher mahnt Politik

Der Gebirgsforscher Wolfgang Gurgiser von der Universität Innsbruck hat von der Tiroler Politik mehr faktenbasierte Entscheidungen bei Fragen zum alpinen Raum gefordert. Die Wissenschaft könne unabhängig bei der Suche nach Lösungen helfen, so der Experte.

Wolfgang Gurgiser ist Koordinator des Forschungsschwerpunktes Alpiner Raum der Universität Innsbruck. Er betonte im APA-Gespräch, dass die Wissenschaft einen wesentlichen Beitrag dazu leisten könne, wenn es um gesellschaftlich relevanten Themen wie Wasserkraft oder die Besiedelung des alpinen Raums gehe. Insbesondere die Gebirgsforschung habe hier eine große Kompetenz.

Gebirgsforscher Wolfgang Gurgiser
Universität Innsbruck
Gebirgsforscher Wolfgang Gurgiser vom Forschungsschwerpunkt „Alpiner Raum“ der Universität Innsbruck

Die Forschung habe dabei den Vorteil, dass sie „persönliche Befindlichkeiten hintanstellen“ und pragmatisch und objektiv fragen könne, was „diese oder jene Lösung bringe“, so Gurgiser. „Vor allem in Sachen Wasserkraft täte man gut daran, den Polarisierungsgrad runterzufahren“, meinte er. Angesichts der Herausforderungen im alpinen Raum gebe es nämlich nur sinnvolle Lösungen, die von „Politik, Gesellschaft und Forschung“ gemeinsam gefunden werden müssten.

Alpine Rückzugsorte als wertvolles Gut

Auch Themen wie Nachhaltigkeit, Rohstoffe und Naturgefahren müsse man sich laut Gurgiser künftig verstärkt widmen. „Wesentlicher Treiber der Forschung ist dabei sicherlich der Klimawandel“, so der Gebirgsforscher. Durch die häufigeren Hitzetage stelle sich die Frage nach „alpinen Rückzugsorten“ und deren Nutzung. Nicht zuletzt müsse man sich der Gletscherschmelze intensiv widmen – mehr dazu in Schmelze dreimal so stark wie im Schnitt.

Blick auf den Hintereisferner am 23. Juni 2018 (links) und am 23. Juni 2022 (rechts). 2018 gilt als schlechtes Jahr für die Massenbilanz des Gletschers. 2022 ist die Situation aber nochmals dramatisch schlechter, da bereits im Juni kaum mehr eine schützende Schneedecke vorhanden ist.
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Rapider Rückgang: Blick auf den Hintereisferner am 23. Juni 2018 (links) und am 23. Juni 2022 (rechts)

Balance zwischen Nutzen und Bewahren

Auch die Freizeitwirtschaft gelte es mit in den Diskurs zu holen. „Es ist unter anderem deutlich, dass der Naturraum in der Freizeit immer intensiver genutzt wird“, so der Gebirgsforscher. In dieser Sache gelte es eine gesunde Balance zwischen „wirtschaftlichen Überlegungen und Schutz des Naturraumes“ zu finden, konstatierte Gurgiser.

Der Wissenschaft komme bei all diesen Fragestellungen, neben der Lieferung von handfesten Fakten, eine entscheidende Funktion zu: „Wir als Forscher müssen auch Glaubenssätze, seien sie im Tourismus oder in der Politik vorhanden, kritisch hinterfragen“. Mit diesem kritischen Bewusstsein und der Errechnung von Szenarien würde es möglich zu zeigen, dass es „Alternativen gibt“, konstatierte Gurgiser.

Ein Snowboarder beim Variantenfahren abseits der gesicherten Piste im Skigebiet
APA/ROBERT PARIGGER
Besonders in Tirol werden die Berge auch intensiv genützt und dadurch belastet

Gurgiser: ForscherInnen müssen zusammenarbeiten

Damit künftig ein mögliches Zusammenspiel von Forschung, Politik und Gesellschaft besser funktioniert brauche es auch ein Umdenken in der Forschung selbst: „Wir Forscher müssen auch unsere Hand nach allen Seiten ausstrecken“. Auch ein verstärktes Zusammenarbeiten zwischen den einzelnen Disziplinen, die sich rund um das Thema Alpen und Gebirge entspinnen, sei das Gebot der Stunde, meinte der Koordinator des Forschungsschwerpunktes Alpiner Raum.