In Tirol gibt es aktuell einen einzigen niedergelassenen Arzt, der Schwangerschaftsabbrüche durchführt – bei rund 170.000 Frauen im gebährfähigen Alter. In der Regierungsprogramm der neuen schwarz-roten Koalition in Tirol ist zwar ein zusätzliches Angebot festgeschrieben, allerdings ohne konkrete Umsetzungsschritte. Demnach will die Landesregierung „einen bedarfsgerechten, niederschwelligen, medizinisch qualitätsvollen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen sicherstellen, durch den Ausbau des ambulanten Angebotes im niedergelassenen Bereich oder angekoppelt an eine ausgewählte, öffentliche Einrichtung“. Gleichzeitig soll eine unabhängige Beratung vor und nach dem Eingriff geschaffen werden.
Kurz nach ihrer Angelobung hatte die neue Soziallandesrätin Eva Pawlata (SPÖ) in einem Interview mit der Austria Presse Agentur (APA) die Forderung nach einem flächendeckenden und kostenlosen Angebot für Schwangerschaftsabbrüche erhoben und sich damit gleich einen Rüffel von Koalitionspartner ÖVP eingehandelt. Im Landtag meinte Pawlata am Donnerstag, dass sie damit „mehr unbeabsichtigt als beabsichtigt“ die Diskussion über das Thema losgetreten habe. Sie sei in der Folge mit Drohungen gegen ihre Person konfrontiert gewesen. Die SPÖ-Landesrätin betonte, dass betroffene Frauen eine wirkliche Wahlfreiheit haben müssten. Gesundheitslandesrätin Cornelia Hagele vom Koalitionspartner ÖVP erklärte, dass es „niederschwellige und für Frauen auch leistbare Angebote“ brauche.
ÖVP-Gesundheitslandesrätin für Abtreibungsmöglichkeit
Gesundheitslandesrätin Cornelia Hagele (ÖVP) erklärte, dass man bereits daran arbeite, sowohl ein Angebot im niedergelassenen Bereich als auch an einem Krankenhaus in Tirol zu schaffen. Dies sei auch im Koalitionsprogramm so vereinbart. Die Gesundheitslandesrätin sprach sich zugleich für Beratungen aus, die „ergebnisoffen und ohne Druck auf die Frauen“ vonstatten gehen sollten. Man müsse dabei „die ganze Palette der Möglichkeiten aufzeigen“ und dürfe vor allem Frauen im Falle der Entscheidung zu einem Schwangerschaftsabbruch „nicht kriminalisieren“. Das würde letztlich nicht zu weniger Schwangerschaftsabbrüchen führen.
Soziallandesrätin Pawlata, die mit ihrem Vorstoß auch scharfe Kritik der Kirche ausgelöst hatte, machte sich für ein „Pro-Choice“ für Frauen in der Abtreibungsfrage stark. Das stehe im Gegensatz zur ihrer Meinung nach radikalen „Pro-Life“-Haltung. Es sei nämlich grundlegend wichtig zu sehen, „was die jeweils betroffene Frau will“, so die Landesrätin. Laut SPÖ werde es jedenfalls in dieser Legislaturperiode eine Lösung geben.
Grüne brachten Abtreibungsfrage in den Landtag
Das Thema Schwangerschaftsabbrüche war von den Grünen in den Landtag gebracht worden. Sie hatten zuvor einen Dringlichkeitsantrag eingebracht, in dem die Möglichkeit von Schwangerschaftsabbrüchen an öffentlichen Krankenhäusern gefordert wurde. Die Dringlichkeit wurde allerdings abgelehnt, das Thema der Aktuellen Stunde kam ebenfalls von den Grünen. Sie waren in der Debatte mit der Kritik konfrontiert, dass sie als langjährige Regierungspartei in der Frage selbst nichts weitergebracht hätten.
Die grüne Landtagsabgeordnete Zeliha Arslan erklärte dazu, dass man sich jahrelang an der Volkspartei die Zähne ausgebissen habe. Sie forderte erneut, dass ein ausreichendes, kostenloses Angebot für Schwangerschaftsabbrüche notwendig sei. Alle Parteien sollten sich für eine „zeitnahe Umsetzung der Angebote“ einsetzen, so Arslan. Sie erklärte gleichzeitig, dass die Länder mit liberalen Regelungen in dieser Frage – wie die Schweiz oder Kanada – die niedrigsten Raten an Schwangerschaftsabbrüchen hätten.
FPÖ, Liste Fritz und NEOS für bessere Beratung
Die FPÖ-Landtagsabgeordnete Gudrun Kofler verlangte „neutrale Beratungsstellen“ in der Abtreibungsfrage. Den betroffenen Frauen müssten sämtliche Optionen offenstehen: „Auch eine Adoption kann eine Möglichkeit sein“. Kostenlose Schwangerschaftsabbrüche lehnte Kofler ab.
NEOS-Mandatarin Birgit Obermüller und der Klubobmann der Liste Fritz, Markus Sint, betonten auch die die Bedeutung der Aufklärung. Es gehe auch um eine „sinnvolle Verhütungsstrategie“, sagte Obermüller. Sint meinte, dass in der Beratung sowohl „Vorsorge als auch Nachsorge“ wichtig seien. Es dürfe zudem nicht von der Geldtasche abhängig sein, ob eine Frau einen Schwangerschaftsabbruch durchführen kann oder nicht.
Abtreibungsgegner entrollten Transparente im Landtag
Kurze Irritationen gab es während der Landtagssitzung, als mehrere Zuschauer im Landtagssitzungssaal Transparente ausrollten, auf denen Abtreibungen scharf kritisiert wurden. Die Abtreibungsgegner verließen nach einer Aufforderung durch die Ordnungskräfte ohne Widerstand den Landtagssaal.
Aufhorchen ließ andererseits Soziallandesrätin Pawlata. In ihrer Wortmeldung sprach sie die männlichen Landtagsabgeordneten direkt an und fragte, was diese eigentlich beim Thema Verhütung in ihren Beziehungen „finanziell und auch sonst“ beitragen würden.