Symbolgrafik Quantensimulator
IQOQI Innsbruck/Harald Ritsch
IQOQI Innsbruck/Harald Ritsch
Wissenschaft

Quantentechnik: Ethikstandards aus Tirol

Die Universität Innsbruck will international gültige ethische Standards bei der Nutzung der Quantentechnologie setzen. Im Gegensatz zum Internet gebe es hier noch die Chance, Regeln zu aufzustellen. Um das zu erreichen, wurde ein eigener Raum für ethische Fragen im Zusammenhang mit der Quantenforschung geschaffen.

Im „Innsbruck Quantum Ethics Lab“ (IQEL) werden Expertinnen und Experten aus verschiedenen Disziplinen zusammenarbeiten. Geleitet wird es vom Digitalrechtsexperten Matthias C. Kettemann vom Institut für Theorie und Zukunft des Rechts. Es solle sichergestellt werden, dass Quantenforschung in Zukunft fair durchgeführt wird und die Vorteile daraus innerhalb der Gesellschaft, der Generationen und global fair verteilt werden, so Kettemann.

IQEL mit Holzbuchstaben, dahinter unscharf ein Mann
IQEL 2022
Mit dem IQEL will man beitragen, faire Standards zu setzen

Der globale Süden solle ebenso profitieren wie der globale Norden. Es sei schwer, Quantencomputer zu bauen und derzeit seien sie nur im digitalen Norden verfügbar, das könne zu einer Vertiefung von digitalen Gräben führen, so der Leiter des IQEL.

Noch gibt es die Chance, Standards zu setzen

Europa und die Universität Innsbruck seien weltweit in vielen Bereichen der Quantenforschung führend. Dieser Vorteil solle genutzt werden um Standards zu setzen, betont Kettemann. Was Internet und Plattformen betreffe, könne man den Markt hingegen nicht mehr gestalten, da sei Amerika schneller gewesen. In der Quantenforschung gebe es noch wenige Regeln, hier könne man noch gute Standards setzen.

Ein wichtiger Anwendungsbereich von Quantenethik liege in der Entwicklung von Modellen für ein sicheres Internet. So könnten Quantencomputer sehr schnell aktuelle Verschlüsselungen aufschlüsseln und damit Menschen in Gefahr bringen, die sich auf ältere Verschlüsselungstechniken verlassen. „Wir müssen also sicherstellen, dass alle Leute Zugang haben zu neuen Verschlüsselungstechniken“, so Kettemann.

Von Naturwissenschaftern bis zu Theologen

Das IQEL wird von einem Konsortium aus führenden Forschungseinrichtungen innerhalb und mit Verbindung zur Universität Innsbruck getragen. Gründungspartnerinnen sind die Universitätsinstitute für Experimentalphysik, Philosophie, Christliche Philosophie und Systematische Theologie und das Institut für Theorie und Zukunft des Rechts. Dazu gesellen sich das Digital Science Center, der Beirat für ethische Fragen in der wissenschaftlichen Forschung und das Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck. Ebenfalls beteiligt sind die Tiroler Quanten-Spin-offs AQT (Alpine Quantum Technologies GmbH) und ParityQC sowie das Gründer- und Innovationszentrum InnCubator.

Wissenschaft um ethische Perspektive erweitern

Während Quantentechnologie aktuell stark gefördert wird, gibt es in Österreich noch kein Forschungszentrum, das sich den sozialen, politischen, ethischen und rechtlichen Aspekten des Quantenzeitalters widmet. Das sei der richtige Zeitpunkt, sagt der Leiter des Instituts für Experimentalphysik, Gregor Weihs: „Jetzt ist der Zeitpunkt, an ethischen und rechtlichen Fragen von Quantentechnologien zu arbeiten, Netzwerke aufzubauen und vor allem die anerkannte wissenschaftliche Stärke der Universität Innsbruck in der Quantenphysik auch um eine ethische Perspektive zu erweitern."

An der Universität Innsbruck werde auf höchstem Niveau und vielfach preisgekrönt Grundlagenforschung in der Quantenphysik geleistet, sagt Rektor Tilmann Märk. „Die Institute für Theoretische und Experimentalphysik und das Akademie-Institut für Quantenoptik und Quanteninformation bilden gemeinsam ein weltweit beachtetes Zentrum für die Entwicklung der Grundlagen für zukünftige Quantentechnologien“, so Märk. Die Einrichtung des IQEL zur Erforschung gesellschaftlicher Aspekte dieser Technologien sei ein logischer nächster Schritt und werde die Alleinstellung der Universität Innsbruck in diesem Bereich nachhaltig stärken.

Von Philosophie bis Genderforschung

An den Instituten für Philosophie, Systematische Theologie und Christliche Philosophie, am Institut für Theorie und Zukunft des Rechts und am Digital Science Center wird interdisziplinär an der Schnittstelle von Ethik, Recht und Technik geforscht.

Das Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck (CGI) koordiniert die Genderforschung an der Universität Innsbruck und untersucht strukturelle Machtungleichgewichte in gesellschaftlichen Figurationen. „Technologische Entwicklungen sind nie nur für sich zu betrachten, sondern sind eingebettet in gesellschaftliche Verhältnisse. Es ist deshalb sehr wichtig, solche Entwicklungen auch kultur- und sozialwissenschaftlich zu untersuchen“, betont CGI-Leiterin Gundula Ludwig.