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Wirtschaft

Heuer wieder deutlich mehr Insolvenzen

Die Zahl der Unternehmenspleiten hat sich heuer mehr als verdoppelt. Nach Angaben des Kreditschutzverbands 1870 (KSV1870) mussten heuer 314 Betriebe Insolvenz anmelden. Auch die Zahl der eröffneten Privatinsolvenzen stieg im Jahresvergleich deutlich.

In Tirol gab es im Bundesländervergleich in den letzten beiden Jahren – ausgehend von einem bereits sehr niedrigen Insolvenzniveau in den Jahren vor Ausbruch der Pandemie – einen massiven Rückgang bei der Anzahl der Unternehmenspleiten. Heuer kam das Insolvenzgeschehen in Tirol jedoch wieder in Schwung.

Vom Niveau der 2000er Jahre noch weit entfernt

Der Kreditschutzverband verzeichnete heuer 314 insolvente Betriebe, das bedeutete einen Anstieg um 105,2 Prozent im Jahresvergleich. Diese Steigerung der Insolvenzen sei jedoch kein Grund, um in Panik zu verfallen, so der KSV1870. Vom hohen Insolvenzniveau in den 2000er Jahren ist Tirol derzeit aber weit entfernt.

Entwicklung der Unternehmenspleiten in Tirol
KSV1870

Höhe der Verschuldung bei Insolvenzen gestiegen

Im Vergleich zu den letzten Jahren – auch jenen vor Ausbruch der Pandemie – wuchs die Größe der Insolvenzverfahren in Tirol etwas. Zwar sei es noch immer so, dass hauptsächlich Klein- und Kleinstinsolvenzen die Insolvenzrichter am Landesgericht beschäftigten, teilte der KSV1870 mit, allerdings gab es in der zweiten Jahreshälfte drei Verfahrenseröffnungen, bei denen davon auszugehen sei, dass die aushaftenden Passiva die 10-Millionen-Euro-Grenze überschreiten werden.

Diese Verfahren betreffen die Mozart Vital Hotel GmbH in Ried im Oberinntal, die Weis Immobilien GmbH in Wattens und die GA Actuation Systems GmbH in Zellberg – mehr dazu in Großinsolvenz im Zillertal. Bei allen drei Konkursverfahren kommt nach Angaben des Kreditschutzverbands eine Sanierung nicht in Frage.

Mehr als 110 Millionen Euro an Verbindlichkeiten

Dass die Insolvenzverfahren im Vergleich zum Vorjahr größer geworden sind, bestätigt auch ein Blick auf die vom KSV1870 erfassten Verbindlichkeiten. Insgesamt gelangten über 110.000.000 Euro in den eröffneten Insolvenzverfahren in Tirol zur Anmeldung. Dieser Betrag bedeutet eine mehr als Verdreifachung der Passiva im Vergleich zu 2021.

Der KSV1870 verwies darauf, dass sich das Marktumfeld in den letzten Wochen und Monaten für die Tiroler Betriebe stark veränderte. Energiepreissteigerungen, Lieferkettenprobleme, Zinsanstieg, Fachkräftemängel und viele weitere Themen belasteten die heimischen Betriebe. Bisher gab es jedoch am Tiroler Landesgericht keine Insolvenzverfahren, die allein im Zusammenhang mit außerordentlichen Preissteigerungen etwa im Rohstoff- oder Energiesektor in den letzten Monaten stehen, so der KSV1870.

Deutliches Plus bei Unternehmensinsolvenzen erwartet

Für das kommende Jahr erwartet der KSV1870 einen merkbaren Anstieg an Unternehmensinsolvenzen in Tirol. Einige Betriebe werden auch in Tirol wegen des geänderten Marktumfeldes nicht überlebensfähig sein.

„Gerade in Branchen mit niedrigen Margen sind die Betriebe rasch in ihrer Existenz bedroht, wenn sie die gesteigerten Kosten nicht oder nicht zeitnah an ihre Abnehmer weitergeben können. Zu denken ist hier etwa an den stationären Handel. Bedrohlich könnte die Situation auch für energieintensive Betriebe werden, wenn die Energiekosten über viele Monate hinweg ein derart hohes Niveau beibehalten“, Klaus Schaller, KSV1870-Standortleiter Tirol.

Klaus Schaller, Kreditschutverband von 1870 (KSV)
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Klaus Schaller sieht viele Betriebe wegen des Marktumfeld nicht überlebensfähig

Zahl der Privatinsolvenzen erneut deutlich gestiegen

Im Jahr 2020 gab es ab März in Tirol so gut wie keine Privatinsolvenzen. Bereits 2021 gab es mit 24,8 Prozent einen enormen Zuwachs bei der Zahl der eröffneten Schuldenregulierungen, heuer legte diese Zahl im Vergleich zum Vorjahr nochmals deutlich zu.

Der KSV1870 verzeichnete heuer insgesamt 630 eröffnete Privatinsolvenzen in Tirol. Diese Zahl stieg im Vergleich zum Vorjahr um 22,8 Prozent oder 117 Fälle. Im Österreichschnitt steigt die Anzahl der Schuldenregulierungsverfahren um 15,2 Prozent.

Vorerst kein Anstieg durch Teuerungswelle

Bei Steigerungsraten von über 20 Prozent über zwei aufeinander folgende Jahre hinweg lohne sich ein Blick auf die langfristige Entwicklung in Tirol. Heuer wurde erstmals wieder das Insolvenzniveau aus dem Jahr 2019 erreicht. Eine dramatische Situation sehe aber anders aus, betonte der KSV1870.

Entwicklung der Privatinsolvenzen in Tirol
KSV1870

Obwohl die Zahl der Privatkonkurse zuletzt stieg, sei die Teuerungswelle dafür nicht verantwortlich, so der KSV. Über den Jahresverlauf sei die Anzahl an eröffneten Schuldenregulierungsverfahren in Tirol äußerst konstant. Im ersten Halbjahr – als die hohe Inflation noch nicht das zentrale Thema war – verzeichnete der KSV1870 317 Fälle, im zweiten Halbjahr waren es 313 Verfahren.

Erfahrungsgemäß dauere es einige Monate, bis die steigenden Kosten des täglichen Lebens auch bei den Insolvenzzahlen Auswirkungen zeigen würden, so der Kreditschutzverband.