Das politische Jahr 2022 begann mit einer Gemeindefusion. Die drei Wipptaler Orte Matrei, Mühlbachl und Pfons wurden zu einer Gemeinde zusammengelegt. Eine große Mehrheit der Bevölkerung hatte sich für diese Fusion ausgesprochen – mehr dazu in Matrei: Alte Gemeindegrenzen verschwinden. Neuer Bürgermeister ist seit einer Stichwahl Anfang April Patrick Geir.

Kein eindeutiger Trend bei GR-Wahlen
Bereits Ende Februar waren Wählerinnen und Wähler der anderen Tiroler Gemeinden mit Ausnahme Innsbrucks am Zug, einen neuen Gemeinderat zu wählen. Mit Spannung wurde das Abschneiden der Corona-Maßnahmengegnerpartei MFG (Anm.: zog in 47 Gemeinderäte ein) aber auch jenes der ÖVP nach den Korruptionsvorwürfen auf Bundesebene erwartet. Allerdings ließ sich schlussendlich kein klarer politischer Trend erkennen, es war vielmehr eine Persönlichkeitswahl. Die Wahlbeteiligung sank von 71 auf 66 Prozent, in 31 Gemeinden war eine Bürgermeister-Stichwahl nötig – mehr dazu in Das war die Gemeinderatswahl 2022.

Doppel-Rückzug an der Landesspitze
Auf Landesebene verkündete Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) im März, bei der damals für 2023 vorgesehenen Landtagswahl nicht mehr kandidieren zu wollen – mehr dazu in Felipe zieht sich 2023 aus Politik zurück. Der geplante Rückzug erfolgte dann aber schneller als erwartet, denn im Juni kündigte Koalitionspartner und Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) an, einen Schlussstrich ziehen zu wollen – mehr dazu in Platter kandidiert nicht für Landtagswahl.
Krisenmanager soll Krise managen
Als seinen Nachfolger an der Spitze der VP präsentierte er Wirtschaftslandesrat Anton Mattle – mehr dazu in Anton Mattle soll Platter nachfolgen, Landeshauptmann wollte Platter aber noch bis zur Wahl bleiben. Die Landtagswahlen wurden mit Zustimmung eines Großteils des Landtags auf 25. September vorgezogen .
ÖVP-Absturz auf 35 Prozent
Wahlumfragen prognostizierten der ÖVP einen herben Absturz von vormals 44 Prozent auf teilweise sogar unter 30 Prozent – mehr dazu in ÖVP liegt laut Umfrage unter 30 Prozent, geworden sind es bei der Landtagswahl im September schließlich 35 Prozent. Erstmals wurde die FPÖ mit fast 19 Prozent zweitstärkste Kraft in Tirol, im Wahlkampf hatte Parteichef Markus Abwerzger das Landeshauptmannduell mit Mattle ausgerufen – Abwerzger will „Geschichte schreiben“. Die SPÖ, deren Spitzekandidat Georg Dornauer im Wahlkampf kein Hehl aus seinen Ambitionen auf den Posten des Landeshauptmannstellvertreters machte, rutschte auf Platz drei ab. Über deutliche Zugewinne konnte sich die Liste Fritz freuen, Einbußen gab es für die Grünen, leichte Zugewinne für NEOS – mehr dazu in Die Landtagswahl im ORF-Tirol-Liveticker.

Mattle wollte mit allen außer der FPÖ Sondierungsgespräche führen. Im Raum stand auch eine Dreierkoalition mit ÖVP, NEOS und Grünen. Deutlich größer war die Schnittmenge dann aber zwischen ÖVP und SPÖ – mehr dazu in Koalitionsverhandlungen angekündigt.

Ende Oktober wurde die neue Regierung, die bis auf Landesrat Josef Geisler (ÖVP) und Anton Mattle komplett neu zusammengesetzt ist, angelobt – Anton Mattle ist neuer Landeshauptmann. Im Landtag stellen ÖVP und SPÖ gemeinsam 21 von 36 Mandaten.
Neue Regierung in der Kritik
Für Diskussion sorgten nicht nur das neu geschaffene Sicherheitsressort für Polit-Quereinsteigerin Astrid Mair, die gleichzeitig Lebensgefährtin von Bald-wieder-Landespolizeidirektor Helmut Tomac ist, und die Zuständigkeiten von Landesrat Josef Geisler (Grundverkehr und Raumordnung) – mehr dazu in Koalition: Opposition mit Rundumschlag. ÖVP-intern wurde kritisiert, dass der Wirtschaftsbund mit Hagele, Gerber und Mattle besonders stark vertreten ist, der Arbeitnehmerflügel hingegen nur mit der neuen Landesrätin Mair. Der Opposition stieß auch sauer auf, dass LH Mattle nicht sofort seine Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der TIWAG zurückgelegt hatte und somit gleichzeitig Eigentümervertreter und Aufsichtsratschef war – mehr dazu in Breite Kritik an Mattles Doppelfunktion
Teuerung allgegenwärtig
Vorrangiges politisches Thema, nicht zuletzt im Landtagwahlkampf, war 2022 das Bewältigen der Teuerungen – mehr dazu in Teuerung für Wahl bestimmendes Thema. Die schwarz-grüne Regierung beschloss im August ein 25 Mio. Euro schweres Antiteuerungspaket. Finanzieren wollte man die Anti-Teuerungsmaßnahmen auch durch eine Sonderdividende der TIWAG. Deren Vorstandsvorsitzender erteilte einer sofortigen Ausschüttung jedoch eine Absage, das Land griff zur Zwischenfinanzierung – mehr dazu in TIWAG: Wirbel um Sonderdividende. Der im Herbst von schwarz-rot installierte Teuerungsrat, bestehend aus Regierungsmitgliedern und Sozialpartnern, stieß bei der Opposition auf einiges an Kritik – Tiroler Opposition kritisierte Teuerungsrat.

Wechsel in der Gesundheitsdirektion
Anfang des Jahres wurde die Medizinerin Theresa Geley als neue Tiroler Gesundheitsdirektorin präsentiert, Thomas Pollak musste nach nicht einmal einem Jahr im Amt den Sessel räumen – mehr dazu in Neue Gesundheitsdirektorin Geley im Amt. Die Position war 2021 nach massiver Kritik am CoV-Krisenmanagement des Landes und dem Bericht der Ischgl-Kommission neu geschaffen worden.
Mit Theresa Muigg gibt es seit Herbst auch eine neue EU-Parlamentarierin aus Tirol. Die 38-jährige Innsbruckerin war Spitzenkandidatin der SPÖ Tirol im EU-Wahlkampf 2019 – mehr dazu in Muigg wird als EU-Abgeordnete angelobt.
Ukrainekrieg: Große Hilfsbereitschaft in Tirol
Am 24. Feber begann der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Viele Menschen in Tirol wollten helfen und spendeten Geld und Sachgüter, auch das Land und zahlreiche Organisationen beteiligten sich an der Hilfe. Anfang März kamen die ersten Schutzsuchenden aus der Ukraine mit einem Bus, der eigentlich für Saisonarbeiter gedacht war, in Thaur an – mehr dazu in Erste Kriegsflüchtlinge in Tirol angekommen.
Viele Menschen in Tirol stellten Unterkünfte zur Verfügung, das Land nahm auch mehrere hundert Kinder aus ukrainischen Kinderheimen auf. Erste Anlaufstelle für Geflüchtete war zuerst das Haus Marillac in der Sennstraße in Innsbruck, ab Mai dann das Hotel Europa beim Innsbrucker Hauptbahnhof – mehr dazu in Früheres Hotel Europa wird Erstanlaufstelle. Ende November befanden sich rund 3.000 Schutzsuchende aus der Ukraine in der Grundversorgung, ein Drittel davon waren Kinder.
Asyl: Tirol erfüllt Quote nicht
Die Flüchtlingsthematik gewann im Laufe des Jahres auch abseits des Ukrainekriegs an Aktualität, die Asylzahlen stiegen deutlich an. Tirol erfüllte die vorgegebene Betreuungsquote nur zu zwei Dritteln und war somit eines der Länder, das vom Bund gedrängt wurde, weitere Unterkunftsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) ließ Mitte Oktober in Absam mehrere Zelte für Asylwerber aufstellen, was nicht nur aufgrund der Jahreszeit für Empörung sorgte. Der Absamer Bürgermeister sprach von einem Schwarzbau.

16 Asylwerber mussten zwei Nächte bei winterlichen Temperaturen in den Zelten verbringen – mehr dazu in 16 Asylwerber in Absam angekommen. Mittlerweile wurden die Zelte wieder abgebaut, Tirol hat feste Unterkünfte angekündigt, u.a. in Innsbruck, Kufstein, Hall und Schwaz – mehr dazu in Feste Asylunterkünfte für 440 Personen.
Luegbrücke wird zum Nadelöhr
Anfang Juni verkündete die ASFINAG die Generalsanierung der Luegbrücke auf der Brennerautobahn. Ab 2025 soll die Autobahn für zwei Jahre pro Richtung nur mehr einspurig befahrbar sein. Massive Staus und ein Verkehrschaos wurden dadurch befürchtet – mehr dazu in Luegbrücke: Einspurige Baustelle erzürnt ÖVP. Während von ÖVP und Anrainergemeinden für den Bereich eine Tunnellösung gefordert wird, beharren ASFINAG und Verkehrsministerium auf einen Brückenneubau.

Im November wurden die Landeshauptleute von Südtirol und dem Trentino in Rom vorstellig und äußerten dort ihre Bedenken wegen der anstehenden Brückensanierung – mehr dazu in Südliche Nachbarn wegen Luegbrücke besorgt. Kritik an diesem Vorgehen kam prompt von Transitforumschef Fritz Gurgiser – mehr dazu in Gurgiser kritisiert Südtirol und Trentino. Im Dezember erklärten Tirol und Südtirol, sich diesbezüglich mehr vernetzen zu wollen und stellten eine grenzüberschreitendes Lkw-Dosiersystem in den Raum – mehr dazu in Transit: Nachbarn wollen sich mehr vernetzen.
Gletscherehe wurde abgeblasen
Dass immer mehr Menschen sich gegen eine unbegrenzte Nutzung noch freier Flächen in Tirol aussprechen, zeigten nicht zuletzt die rund 170.000 Unterschriften gegen einen Zusammenschluss der Gletscherskigebiete Ötztal-Pitztal, die im April von einer Bürgerinitiative an die Tiroler Landesregierung übergeben wurde – mehr dazu in Petition gegen Gletscherehe übergeben.

Auch eine Volksbefragung in St. Leonhard im Pitztal endete mit einer knappen Mehrheit gegen die Fusion, gegen drei neue Seilbahnen und 60 Hektar zusätzliche Pisten – mehr dazu in Knappe Abfuhr im Pitztal für Gletscherehe. Seit Herbst wurde wegen Verdachts des Wahlbetrugs bei der Volksbefragung ermittelt. Im November schließlich hat die Behörde das Ende der Pläne per Bescheid besiegelt, die Projektwerber hatten keine für eine UVP notwendigen Unterlagen nachgereicht – mehr dazu in UVP-Bescheid: Aus für Gletscherehe.
Mehrheit für Wasserkraft-Ausbau
Kritik kommt auch immer wieder vor allem von Umweltorganisationen am geplanten Ausbau des Kraftwerks Kaunertal – mehr dazu in Weiter Konflikt um Kraftwerk Kaunertal. Die TIWAG hält weiter daran fest, für die ÖVP ist die Energiewende „nur mit dem Kraftwerk Kaunertal machbar“. Der Ausbau des Kaunertalkraftwerks zu einer Kraftwerksgruppe war auch ein Konfliktpunkt bei Mattles Sondierungsgesprächen mit der Liste Fritz, die Grünen forderten statt des Ausbaus eine „Sonnenkraftmilliarde“ . Sehr wohl für einen Wasserkraftausbau plädierten FPÖ und NEOS, die SPÖ befürwortete einen „naturnahen Ausbau“.

Im Wahlkampf sprachen sich fast alle Parteien für eine härtere Gangart beim Thema Wolf aus. Ein wolfssicherer Herdenschutz sei in Tirol unmöglich, dauerhafte Behirtung zu teuer, sagen Bauernvertreter. Das Land gab wiederholt Wölfe zum Abschuss frei, der Landesverwaltungsgericht hob Abschussbescheide wieder auf – mehr dazu in Wolfsabschüsse vorerst nicht vollstreckbar. Das Koalitionsprogramm sieht eine Novelle des Tiroler Jagdgesetzes vor, um Großraubtiere leichter abschießen zu können. Zuletzt forderte eine Mehrheit der EU-Parlamentarier eine Abschwächung für den Schutzstatus des Wolfes – mehr dazu in Wolf: EU-Parlament für leichteren Abschuss.
Jungbauern müssen CoV-Hilfen zurückzahlen
In die Schlagzeilen gerieten die Tiroler Jungbauern als Nutznießer von Corona-Förderungen, die sie aus ihrer Sicht auch zu Recht bezogen hätten – mehr dazu in Jungbauern wollen Rückzahlung erst prüfen. Das Ressort von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) forderte 120 Teilvereine der Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend auf, insgesamt 816.752,15 Euro an CoV-Hilfen zurückzuzahlen, da sie Zweigvereine des Tiroler Bauernbundes seien, der wiederum „laut Statuten eine Teilorganisation der Tiroler ÖVP ist“. Als solche stehen ihnen keine Coronahilfen zu. Bei der ÖVP lobte man das ehrenamtliche Engagement der Jungbauern, der Bauernbund ließ ein Gutachten erstellen und bat um Zahlungsaufschub – mehr dazu in CoV: Zahlungsaufschub für Jungbauern. Im Dezember entschied das Ministerium, dass die Jungbauern die Gelder zurückzahlen müssen und drohte mit einer Musterklage – mehr dazu in Jungbauern müssen Förderung zurückzahlen.
Auf Bundesebene bekleidet mit Alexander van der Bellen weiterhin jemand mit Tiroler Wurzeln das höchste Amt im Staat. Van der Bellen wurde am 9. Oktober erneut zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt. Ende Oktober gelobte Van der Bellen dann Anton Mattle (ÖVP) als neuen Tiroler Landeshauptmann an – mehr dazu in Mattle von Van der Bellen in Wien angelobt