Eine Lawinenwarntafel im Skigebiet von Obertauern
APA/BARBARA GINDL
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Chronik

Warnung: Erste Lawinen bereits möglich

Durch die jüngsten Schneefälle ist die Lawinengefahr in Tirol in höheren Lagen bereits erheblich. Skitourengeherinnen und -geher sollten daher vorsichtig sein, warnt das Land. Der Lawinenwarndienst hat seine Karten für heuer erweitert, um noch genauere regionale Vorhersagen zu treffen.

In den Tuxer- und Zillertaler Alpen sowie dem nördlichen und südlichen Osttirol sind in den vergangenen Tagen bis zu 40 Zentimeter Neuschnee gefallen, in den südlichen Ötztaler und Stubaier Alpen bis zu 30 Zentimeter. Durch die Niederschläge haben sich Schwachschichten gebildet, wodurch in höheren Lagen teilweise gefährliche Situationen entstanden sind. Der Tiroler Lawinenwarndienst hat in den vergangenen Tagen daher schon erste Lawinenabgänge verzeichnet.

Rudi Mair und Patrick Nairz
Land Tirol
Patrick Nairz vom Lawinenwarndienst Tirol

Teilweise „erhebliche Lawinengefahr“

Die Lawinengefahr wird derzeit mit Stufe drei von fünf als „erheblich“ eingestuft, wie Experte Patrick Nairz erklärte: „Schattseitig besteht die Gefahr ab gut 2.500 Metern aufwärts, an Sonnenhängen ist die Gefahr über 3.000 Metern und vor allem in Kammnähe sehr hoch.“

Ab einer Hangneigung von 30 Grad können Lawinen abgehen. „Wenn man in großen Höhen unterwegs ist, vor allem in windigen Bereichen mit Triebschneeansammlungen in Mulden, kann momentan bereits eine kleine Belastung, also ein einzelner Skifahrer, eine Lawine auslösen“, warnte er.

Ein Tourengeher am Graukogel bei Bad Gastein geht an einer Lawinenwarntafel vorbei
APA/BARBARA GINDL
Bei hoher Lawinengefahr kann schon ein einzelner Tourengeher eine Lawine auslösen

Vor einem Ausflug ins Gelände sollte unbedingt immer der aktuelle Lawinenreport eingeholt werden. Tendenziell seien Skitourengeherinnen und -geher besser informiert als Variantenfahrer, die das freie Gelände befahren, betonte Nairz. Der Touren-Boom sei ungebrochen, viele Freizeitsportler würden jedoch beliebte, leichtere Standardrouten wählen, beziehungsweise Aufstiege, die über Pisten führen – also Bereiche, die als sicherer gelten.

„Es sind mehr Menschen unterwegs, trotzdem passiert im Verhältnis weniger. Das hat sicherlich damit zu tun, dass wir viel warnen und diese Warnungen ernster genommen werden als früher“, zeigte sich Patrick Nairz überzeugt. Skitourengeherinnen und -geher seien auch generell eher gut ausgerüstet. Einzig bei Jugendlichen gebe es oft noch Mankos. Zahlreiche Initiativen und Kurse der alpinen Vereine zielen darauf ab, vor allem jungen Sportlerinnen und Sportlern das nötige Wissen mitzugeben.

Vielfrequentierte „Problemhänge“

Wie hoch die Lawinengefahr in einzelnen Gebieten ist, ändert sich jeden Winter – je nach Schneelage und Wettersituation. Vor allem auf vielbegangenen Wegen würden sich aber durchaus immer wieder „unfallträchtige“ Routen und Gipfel hervorheben, so der Experte: „Im Variantenbereicht zählt dazu die Wangelspitze im Zillertal, bei den Skitouren zum Beispiel der Zischgeles im Gebiet von Praxmar oder die Valluga im Arlberggebiet. Gewisse Hänge, wo mehr Lawinen abgehen, poppen jedes Jahr auf, was aber natürlich auch mit einer hohen Besucherfrequenz zu tun hat.“

Ein Lawinenwarnschild mit der Aufschrift „Hier endet das gesicherte Skigebiet“
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Noch genauere regionale Vorhersagen

Die Prognostiker des Tiroler Lawinenwarndienstes arbeiten konstant an Verbesserungen, um die Warnungen noch exakter und zielgenauer zu machen: „Letztes Jahr haben wir unsere Karte ausgeweitet, um die Gefahrenstufen nicht nur in der Euregio darzustellen, sondern alpen- beziehungsweise europaüberspannend“, schilderte Nairz. Ab heuer wird die Vorhersage noch präziser: „Statt 29 Regionen erhält man ab sofort Daten für 36 Tiroler Kleinstregionen – und in der Euregio für 86 Regionen statt wie bisher für 70“, freut sich der Experte.

Seit Oktober ist die Landeswarnzentrale zudem mit drei Drohnen ausgerüstet, die etwa bei der Kartierung nach sehr großen Lawinenereignissen helfen. Die fliegenden Kameras leisten auch hilfreiche Dienste bei Lawinenverbauungen, um Schneeablagerungen zu beobachten. So können die Experten analysieren, wie viel Schnee in Anrissgebieten liegt, erklärte der Lawinenkundler.

Drohne der Landeswarnzentrale Tirol
Land Tirol
Diese Drohe hilft den Expertinnen und Experten, alpine Gefahrensituationen zu deuten

Acht Lawinentote im Februar 2021

Vier Prognostiker des des Lawinenwarndienstes Tirol erstellen ab Anfang Dezember täglich einen aktuellen Lawinenreport, der um 17.00 Uhr für den Folgetag veröffentlicht wird. Sie hoffen freilich, dass in der kommenden Wintersaison möglichst wenige Lawinenopfer zu beklagen sein werden. Anfang Februar 2021 waren in Tirol innerhalb weniger Tage mehr als hundert Lawinen abgegangen. An nur zwei Tagen starben damals acht Menschen unter den Schneemassen, insgesamt gab es zehn Tote – mehr dazu in Zehn Lawinentote im schneearmen Winter.

Im Laufe der Jahrzehnte seien tödliche Lawinenunfälle generell weniger geworden, bilanzierte Nairz. Er gibt aber zu bedenken, dass extremere Wetterereignisse wiederum zunehmen. Schuld daran ist der Klimawandel: „Auch heuer war der Herbst sehr warm und wechselhaft. Es hat sehr weit hinaufgeregnet, wodurch sich Krusten und schwache Schichten gebildet haben. Alles schaut danach aus, als ob diese Extremereignisse häufiger werden.“