Neymar
AFP/FRANCK FIFE
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Wissenschaft

Brasilien wird „wahrscheinlich“ Weltmeister

Wissenschafter der Universität Innsbruck haben mit internationalen Kollegen den Gewinner der Fußball-WM 2022 in Katar errechnet. 100.000 Computer-Simulationen gaben Brasilien mit Superstar Neymar die größte Chance, gefolgt von Argentinien und den Niederlanden.

Obwohl diese WM von vielen ethischen und sportlichen Problemen überschattet ist, habe sich das Forscherteam aus wissenschaftlichem Interesse dennoch dazu entschlossen, den Ansatz des maschinellen Lernens, den bereits bei früheren Turnieren erfolgreich eingesetzt worden sei, für die Erstellung probabilistischer Prognosen zu verwenden“, sagte Achim Zeileis von der Universität Innsbruck.

Das Forscherteam bestehend aus Andreas Groll und Neele Hormann (beide TU Dortmund), Gunther Schauberger (TU München), Christophe Ley (Universität Luxemburg), Hans Van Eetvelde (Universität Gent) und Achim Zeileis (Universität Innsbruck) simulierte die anstehende Weltmeisterschaft 100.000 Mal.

Achim Zeileis von der Universität Innsbruck
Universität Innsbruck
Achim Zeileis

Vier Informationsquellen für Berechnung

Die Berechnung der Forscher basiert auf vier Informationsquellen: Ein statistisches Modell für die Spielstärke jedes Teams auf Basis aller Länderspiele der vergangenen acht Jahre (Universitäten Gent und Luxemburg) und ein weiteres statistisches Modell für die Spielstärke der Teams auf Basis der Wettquoten von 28 internationalen Buchmachern (Universität Innsbruck).

Ebenfalls berücksichtigt wurden Informationen über die Teams, etwa den Marktwert, und ihre Herkunftsländer, wie die Bevölkerungszahl (TU Dortmund und TU München). Vierte Quelle bzw. vierter „Partner“ ist ein Machine-Learning-Modell, das die anderen Quellen zusammenführt und sie schrittweise optimiert.

Modell mit vergangenen WM-Daten gefüttert

Die Forscher trainierten das Modell zuvor mit historischen Daten, wie Andreas Groll von der TU Dortmund erläutert: „Wir haben das Modell mit den jeweils zu dem Zeitpunkt aktuellen Daten für die vergangenen fünf Weltmeisterschaften, also zwischen 2002 und 2018, gefüttert und mit den tatsächlichen Spielausgängen aller Spiele der jeweiligen Turniere vergleichen lassen – so wird die Gewichtung der einzelnen Informationsquellen für das aktuelle Turnier im Idealfall sehr genau ausfallen.“

Andreas Groll von der TU Dortmund
Roland Baege
Andreas Groll verweist auf die niedrige Sieg-Wahrscheinlichkeit

Brasilien führt vor Argentinien und Niederlanden

Die Forscher simulierten dabei Spiel für Spiel, der Turnierauslosung und allen FIFA-Regeln folgend. Damit ergeben sich Wahrscheinlichkeiten für das Weiterkommen aller Teams in die einzelnen Turnierrunden und letztendlich für den WM-Sieg. Favorit ist diesmal Brasilien mit einer Gewinnwahrscheinlichkeit von 15 Prozent, gefolgt von Argentinien (11,2 Prozent), den Niederlanden (9,7 Prozent), Deutschland (9,2 Prozent) und Frankreich (9,1 Prozent).

Dass der Ausgang der WM dennoch nicht sicher sei und damit spannend bleibe, würde die vergleichsweise niedrige Gewinnwahrscheinlichkeit selbst der vier Top-Nationen zeigen. „Es liegt in der Natur von Prognosen, dass sie auch danebenliegen können – sonst wären Fußball-Turniere auch sehr langweilig. Wir liefern eben Wahrscheinlichkeiten, keine Gewissheiten, und eine Gewinnwahrscheinlichkeit von 15 Prozent heißt zugleich, dass die Mannschaft zu 85 Prozent nicht Turniersieger werden kann“, erklärt Andreas Groll.

Bisher lagen die Forscher oft richtig

Bisher waren die Prognosen durchaus erfolgreich: Das Innsbrucker Modell von Achim Zeileis, das auf bereinigten Quoten der Wettanbieter basiert, konnte unter anderem bereits 2008 das EURO-Finale, sowie 2010 und 2012 Welt- und Europameister Spanien richtig vorhersehen – mehr dazu in Prognose: Frankreich wird Europameister.

Dieses Jahr wird es zum zweitem Mal nach der EM 2021 als Teil eines umfassenderen kombinierten Modells eingesetzt, das von den Teams um Andreas Groll (TU Dortmund), Gunther Schauberger (TU München) und Christophe Ley (Universität Luxemburg) entwickelt wurde und das bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 die Prognosegüte der Wettanbieter übertroffen hatte.

Ungewohnter Termin benachteiligt Teams

Durch den Spieltermin der WM 2022 während der Wintermonate würden sich neben den ethischen Problemen auch sehr kritische sportliche Fragen ergeben, meint Zeileis.

„In den Wintermonaten müssen nun alle großen Fußballligen in Europa und Südamerika ihren üblichen Spielplan unterbrechen, um das Turnier unterzubringen. Dadurch haben die Nationalmannschaften weniger Zeit zur Vorbereitung und die Spieler weniger Zeit zur Erholung vor und nach der Weltmeisterschaft. In Verbindung mit den extremen klimatischen Bedingungen erhöht sich dadurch auch das Verletzungsrisiko“, erläuterte Achim Zeileis.

Neymar
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Brasilien mit Superstar Neymar hat die besten Chancen auf den WM-Titel

Eine Mannschaft mit vielen Spielern in den internationalen Ligen zu haben – etwa Champions League, Europa League, Europa Conference League –, könnte sich daher in diesem Jahr eher als Nachteil statt wie sonst als Vorteil erweisen, wie Andreas Groll ausführte: „Alle diese Faktoren erschweren die Vorhersage des Turnierverlaufs, da Variablen, die sich bei früheren Weltmeisterschaften als sehr aussagekräftig erwiesen haben, möglicherweise nicht oder anders funktionieren.“

Modell auch für genauere Wettervorhersage einsetzbar

Das so weiter trainierte Modell kann in Zukunft übrigens auch für weitere Prognosen verwendet werden – so kann eine bessere Fußball-Prognose in Zukunft vielleicht auch für genauere Wettervorhersagen sorgen, sagen die Forscher. Wie gut das Modell in Sachen Fußball abschneidet, zeigt sich spätestens am Abend des 18. Dezember – am Abend des WM-Finales.