Jüdischer Grabstein
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Chronik

Gedenken an Novemberpogrom in Innsbruck

Am Mittwoch jährt sich das Novemberpogrom zum 84. Mal. Auch in Innsbruck wurden 1938 jüdische Bürger ermordet. Beim Gedenken daran stehen nicht nur die damaligen Geschehnisse im Mittelpunkt. Judenhass ist nach wie vor ein großes Thema, betonte Historikerin Ina Friedmann.

Drei ermordete Juden, zahlreiche Schwerverletzte, mehrere Verhaftungen und zerstörte Gebäude, darunter die Synagoge – in Innsbruck sei das Pogrom in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 besonders blutig ausgefallen, sagte Historikerin Friedmann von der Universität Innsbruck. Denn im Verhältnis zum Anteil der jüdischen Bevölkerung seien die Übergriffe sehr brutal gewesen.

„Das war kein spontaner Wutausbruch, sondern eine Inszenierung der Nationalsozialisten“, meinte Friedmann. Am Gedenktag sei es wichtig, an die Opfer und die Folgen des Ereignisses zu erinnern. Doch die Rolle von Antisemitismus und anderen Formen von Hass und Ausgrenzung müssten auch in der heutigen Zeit thematisiert werden.

„Judenhass im Internet weit verbreitet“

Im ersten Halbjahr 2022 verzeichnete die Antisemitismus-Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien 381 antisemitische Vorfälle in ganz Österreich. Das sind um 32 Prozent weniger Meldungen als im selben Zeitraum des Vorjahres (562) – mehr dazu in Über 380 antisemitische Vorfälle im ersten Halbjahr gemeldet (religion.ORF.at).

Pogromgedenken 2022

Am 9. November findet um 17.30 Uhr eine Gedenkveranstaltung auf dem Jüdischen Friedhof im Westfriedhof Innsbruck statt. Die Historikerin Ina Friedmann hält dabei eine Gedenkrede.

Laut Historikerin Friedmann habe es in den vergangenen zehn Jahren einen eindeutigen Trend nach oben gegeben. Während 2011 noch 71 antisemitische Fälle gemeldet worden seien, sei vergangenes Jahr mit 965 Vorfällen ein Höchststand erreicht worden. Mit dem Wert des ersten Halbjahres heuer gebe es zwar einen leichten Rückgang. Judenhass sei aber nach wie vor ein großes Thema.

„Gerade durch den Vormarsch von Social Media ist Antisemitismus im Alltag sehr präsent“, sagte sie. Wenn zum Beispiel antisemitische Memes versendet werden und in einer Gruppe darüber gelacht werde, ohne sich zu überlegen, was das eigentlich bedeutet, dann sei das eine weitere Ebene von Judenfeindlichkeit. Bei den Zahlen aus dem Bericht der IKG Wien müsste die Dunkelziffer von nicht gemeldeten Vorfällen mitgedacht werden. Die Werte dienten lediglich zur Orientierung.

Aktuelle Asyldebatten „sehr problematisch“

Vor dem Hintergrund der Erinnerung an das Novemberpogrom und die Verbrechen im Nationalsozialismus bezeichnet die Wissenschaftlerin aktuelle Debatten um Flüchtlingsquoten und Zeltlager als „sehr problematisch“. „Wenn es darum geht, Quoten auszuhandeln, welche Länder wie viele Menschen aufnehmen können und wollen, dann weist das deutliche Parallelen zu Fluchtversuchen von Juden und Jüdinnen aus dem NS-Staat auf“, so Friedmann.

Bei der Einreise in aufnehmende Länder habe es in den 1930er Jahren bereits Quoten gegeben. Diese hätten sich mit dem realen Fluchtbedarf nicht gedeckt. Demzufolge hätten viele nicht aufgenommen werden können, obwohl sie einen Fluchtgrund und Schutzbedarf gehabt hätten, sagte Friedmann.

Bei den derzeitigen Diskussionen über die Unterbringung von Asylwerbern sei es notwendig, „sich der historischen Dimension der Lagerbildung bewusst“ zu sein. Dabei gehe es ihr nicht darum, die Zeltunterbringung für Asylwerber mit Konzentrationslagern zu vergleichen. Man könne jedoch nicht genug auf die Geschichte hinweisen und Phänomene von Flucht, Vertreibung und Ausgrenzung aufzeigen.