Isel mit Deutscher Tamariske auf Schotterbank
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Politik

Erneutes EU-Verfahren wegen Natura 2000

Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich eingeleitet, wobei auch Tirol betroffen ist. Einer der Auslöser für das Mahnschreiben war eine Beschwerde des WWF gegen die drohende Verbauung der Osttiroler Isel, welche seit 2015 Natura-2000-Gebiet ist.

Das Land hat jetzt einen dementsprechenden Bericht der „Tiroler Tageszeitung“ bestätigt. Erst 2019 hatte Tirol ein sechs Jahre dauerndes Vertragsverletzungsverfahren mit der Ausweisung zusätzlicher Natura-2000-Flächen beendet. Damals wurde das Schutzgebiet etwa auf die Bergmähwiesen Obernberg ausgeweitet. 14,5 Prozent der gesamten Tiroler Landesfläche stehen damit aktuell unter Natura-2000-Schutz.

Iselerweiterung bei Oberlienz
ORF/Hippacher
Die Isel ist seit sieben Jahren Natura 2000 Gebiet

Fehlende Schutzverordnungen

Dass es jetzt erneut ein Mahnschreiben der EU an die Republik Österreich gibt, bestätigte das Land am Mittwoch. Es gehe um fehlende Schutzverordnungen in betroffenen Gebieten rund um Kraftwerksprojekte in Osttirol entlang der Isel und ihrer Zubringer. Die Details sind noch unklar.

Die zuständige Abteilung im Land Tirol werde sich die Vorwürfe genau ansehen und ihre fachliche Stellungnahme zu dem Mahnschreiben der EU Kommission abgeben, sagte die zuständige Landesrätin Ingrid Felipe (Grüne) am Mittwoch. Von dem Schreiben und einem möglichen Vertragsverletzungsverfahren ist nicht nur Tirol betroffen, sondern auch andere Bundesländer, und das vermutlich in einem deutlich größeren Ausmaß.

Kommission fordert Umsetzung von EU-Richtlinien

Die Kommission forderte Österreich konkret auf, die Umsetzung der EU-Naturschutzvorschriften im nationalen Recht zu verbessern. Unter anderem geht es um die FFH-Richtlinie (Flora-Fauna-Habitat), die als eines der wichtigsten Instrumente der EU zum Schutz der biologischen Vielfalt gilt. Gemäß der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten besondere Schutzgebiete ausweisen und Erhaltungsziele sowie entsprechende Maßnahmen festlegen, um einen günstigen Erhaltungszustand der dortigen Arten und Lebensräume zu erhalten oder wiederherzustellen. Österreich habe die erforderlichen Maßnahmen noch nicht umgesetzt, hieß es in einem Pressestatement der Kommission vom September.

Konkret bemängelt wird von Seiten der Kommission einerseits, dass „Gebiete von gemeinschaftlichem Interesse“ noch nicht als besondere Schutzgebiete ausgewiesen wurden. In anderen Gebieten würden Erhaltungsziele und -maßnahmen fehlen oder seien unvollständig oder zu weit gefasst, so die Kommission weiter. Auch die Öffentlichkeit müsse besser über besagte Ziele und Maßnahmen informiert werden. Die betroffenen Bundesländer hätten jetzt zwei Monate Zeit, die Vorwürfe der Kommission zu entkräften.

Das vertrauliche, an die Republik Österreich gerichtete Mahnschreiben sei mit der Bitte um eine Stellungnahme bis Ende Oktober an die betroffenen Bundesländer weitergeleitet worden, hieß es aus der Abteilung Umweltschutz des Landes Tirol. Dass eine solche bis Ende des Monats ausgearbeitet werden kann, wurde dort bezweifelt. Aufgrund der inhaltlichen Komplexität und des Ausmaßes werde es wohl länger dauern, hieß es.

WWF beschwerte sich in Brüssel

Einer der Auslöser für das Vertragsverletzungsverfahren war ein Vorstoß der Naturschutzorganisation WWF. Sie hatte die unvollständige Verordnung des Schutzgebietes „Osttiroler Gletscherflüsse Isel, Schwarzach und Kalserbach“ 2021 auf das Brüsseler Tapet gebracht. Die EU hatte daraufhin angekündigt, die Beschwerde im Rahmen eines wesentlich umfassenderen Vertragsverletzungsverfahrens aufzugreifen – das ist jetzt der Fall.

Die Isel und Teile ihrer Zubringerflüsse waren im Jahr 2015 als Natura-2000-Schutzgebiet ausgewiesen worden. Davon gibt es österreichweit 281, 18 davon in Tirol. Deren Schutz gilt als gemeinschaftliches EU-Interesse. Der WWF hatte trotzdem eine immer stärkere Verbauung des Isel-Einzugsgebietes geortet. Gleich sechs Kraftwerksprojekte würden an den Isel-Zubringern forciert, eines gar direkt am Hauptfluss, so die Argumentation.

WWF lobt die EU-Kommission

Laut Gerhard Egger, dem Leiter der WWF-Gewässerschutzabteilung in Wien, habe seine Organisation damit einen „Anlassfall“ geliefert, woraufhin die Kommission „systematische Mängel im Natura-2000-Netzwerk“ in Österreich festgestellt habe. Dass die Kommission darauf achte, dass die ausgewiesenen Schutzräume „nicht nur auf Papier bestehen“, sondern zu einem „guten Schutzinstrument weiterentwickelt“ werden, bewertete Egger im Gespräch mit der APA als „sehr gut“.

Nun müssten „konkrete Ziele festgelegt und Schutzmaßnahmen ernst genommen und verbessert werden“, führte der Experte fort. Auch die Tiroler Landesregierung müsse dieser Aufforderung nun nachkommen – was auch bedeute, dass keine Kraftwerke in Schutzgebieten errichtet werden dürfen, schloss Egger den Kreis zur Causa Isel.