Studierende in der Biblothek an der Universität Milano-Bicocca in Mailand. (5.3.2020)
PIERO CRUCIATTI / AFP / picturedesk.com
PIERO CRUCIATTI / AFP / picturedesk.com
Wissenschaft

Prominenz hilft auch in der Wissenschaft

Renommierte Forscherinnen und Forscher haben es in der Wissenschaft deutlich leichter. Eine Studie der Universität Innsbruck zeigte, dass wissenschaftliche Arbeiten solcher Leute deutlich besser bewertet werden als Arbeiten weniger bekannter Autorinnen oder Autoren.

Ein Nobelpreis öffnet viele Türen, auch zu den begehrten Publikationen in den wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Dass dem so ist, hat ein Experiment unter der Leitung des Finanzwissenschafters Jürgen Huber vom Institut für Banken und Finanzen der Universität Innsbruck  gezeigt.

Mit seinem Team und mit Hilfe des Wirtschafts-Nobelpreisträgers Vernon Smith konnte er die Ungleichbehandlung nachweisen.  Der Wirtschaftswissenschafter der Chapman University in Kalifornien (USA) war einer der beiden Wirtschafts-Nobelpreisträger des Jahres 2002.

Artikel wurde hundertfach begutachtet

Smith verfasste gemeinsam mit dem Nachwuchswissenschafter Sabiou Inoua, der ebenfalls an der Chapman University arbeitet, einen wissenschaftlichen Artikel und reichte diesen beim „Journal of Behavioral and Experimental Finance“ zur Begutachtung ein. Der Herausgeber der Fachzeitschrift ist Stefan Palan vom Institut für Banken und Finanzierung der Universität Graz. Als Mitglied des Forschungsteams war er mit dem Experiment vertraut und verteilte den Artikel an insgesamt 3.300 Fachgutachter – 534 davon nahmen die Einladung an.

Als Autor wurde allerdings entweder der Nobelpreisträger, der Nachwuchswissenschafter beziehungsweise gar niemand angegeben. Gab es überhaupt keine Information zum Autor, empfahl die Hälfte der Gutachter, den Artikel nicht zu publizieren. War es der unbekannte Nachwuchswissenschafter, stieg die Ablehnungsrate auf 65 Prozent. Beim Nobelpreisträger empfahlen hingegen nur 23 Prozent eine sofortige Ablehnung.

Halo-Effekt auch in der Wissenschaft

„Unsere Ergebnisse zeigen damit deutlich, dass die unterschiedlichen Informationen über den Verfasser die Bewertung der Qualität des Forschungsartikels stark beeinflussen“, erklärt Huber. Rudolf Kerschbamer vom Institut für Wirtschaftstheorie, -politik und -geschichte der Uni Innsbruck führt dieses Ergebnis auf den „Halo-Effekt“ zurück, wonach Handlungen und Werke von Personen, von denen man einen positiven Eindruck hat, grundsätzlich positiver wahrgenommen werden als jene von unbekannten Personen oder von Personen, denen man nicht so viel zutraut.

Begutachtungsverfahren überdenken

Die Wissenschafter sehen die Ergebnisse ihres Experiments als wichtigen Anstoß dafür, das Begutachtungsverfahren wissenschaftlicher Arbeiten zu überdenken. Huber verweist gegenüber der APA etwa auf einen „offeneren Peer-Review-Prozess“, bei dem Autoren, Fachjournal und Gutachter in einen ergebnisoffenen Gesprächsprozess gehen, um eine Publikation möglichst gut zu machen. Praktiziert werde das beispielsweise bereits vom Fachjournal „Research Integrity and Peer Review“, das im Springer-Verlag erscheint.

Verbreiteter seien sogenannte „pre-registered reports“: Dabei würden Forscher nicht eine fertige Publikation einsenden, sondern nur ihre Forschungsidee und das Design des Experiments. Das Fachjournal und die Gutachter beurteilen in diesem Fall nur, ob die Forschungsfrage spannend und relevant ist und ob das Forschungsdesign geeignet ist, diese Frage zu beantworten.

Aufgrund dessen wird das Papier dann akzeptiert oder abgelehnt, unabhängig von den Ergebnissen, die ja noch gar nicht vorliegen. „Mit solch einem Ansatz lässt sich der ‚publication bias‘, bei dem fast nur signifikante Ergebnisse publiziert werden, deutlich reduzieren“, so Huber. Diese Vorgangsweise werde bereits von hunderten Fachjournalen akzeptiert.