Kind mit Übergewicht
kwanchaichaiudom – stock.adobe.com
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BEWUSST GESUND

Übergewicht bei Kindern auf dem Vormarsch

Immer mehr Kinder und Jugendliche sind übergewichtig. Das Problem verschärfte sich laut Studien durch die Pandemie während der Lockdowns und der Zeit des Distance Learnings. Expertinnen fordern mehr wohnortnahe Behandlungsmöglichkeiten und ein nationales Konzept gegen Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen.

An der Kinder- und Jugendambulanz des Bezirkskrankenhauses St. Johann in Tirol werden unter anderem junge übergewichtige Patientinnen und Patienten behandelt. „Das Problem Übergewicht hat sich auf jeden Fall verstärkt. Nicht nur seit der Corona-Pandemie, sondern auch schon davor“, sagte Kinderärztin Petra Hengl.

Nicht nur die Fallzahl werde höher, sondern auch die Kilos, die die Kinder mitbringen würden, so die Kinderärztin. Man beobachte einen wesentlich höheren Body-Mass-Index, vor allem bei Volksschul- und Kindergartenkindern.

Kinderärztin Petra Hengl im Gespräch mit einem jungen Patienten
ORF
Kinderärztin Petra Hengl behandelt im Krankenhaus St. Johann in Tirol übergewichtige Kinder und Jugendliche.

Bewegungsmangel und zu viel Zucker

Ursachen für das zunehmende Problem Übergewicht gebe es mehrere. In erster Linie sei es der Bewegungsmangel. „Diese alltägliche Bewegung, gibt es einfach nicht mehr. Die Kinder werden zur Schule gefahren. Am Nachmittag sitzen sie dann eher vor dem Bildschirm“, sagte Petra Hengl.

Probleme seien auch der alltägliche Stress der Kinder und das Überangebot an hochkalorischen Nahrungsmitteln. „Viele vermeintlich gesunde Nahrungsmittel, die für Kinder und Jugendliche propagiert werden, enthalten sehr viel Zucker“, sagte die Kinderärztin. Oftmals fehle auch das Bewusstsein, was gesunde Ernährung ist und was in den Nahrungsmitteln überhaupt enthalten ist.

Ernährung, Bewegung und Verhalten

Das Behandlungskonzept für Kinder und Jugendliche bestehe im Idealfall aus drei Säulen: Ernährungstherapie, Bewegungstherapie und Verhaltenstherapie. „Wenn man das gemeinsam macht, nicht eines für sich alleine, dann hat man gute Erfolge. Aber nicht übermorgen, sondern in einer geraumen Zeit. Wir sind keine Ambulanz für schnelle Erfolge“, sagte Petra Hengl.

Die Patientinnen und Patienten bekommen eine ernährungstherapeutische Intervention. Die Essgewohnheiten werden dabei analysiert und entsprechend der Behandlung gegebenenfalls angepasst. „Es gibt bei uns aber keine Diäten, die würden wir nicht vorschlagen. Uns geht es um eine Ernährungsänderung“, sagte die Kinderärztin.

Zusammenarbeit mit örtlichen Sportvereinen

Zudem werde versucht, bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen die Bewegung wieder in Schwung zu bringen. Hier gebe es eine gute Zusammenarbeit mit örtlichen Sportvereinen. Was man den Kindern nicht anbieten könne, sei eine Verhaltenstherapie. Dazu fehle es im Bezirk an Kinder- und Jugendpsychologen und an der Finanzierung.

Nahaufnahme zweier Füße eines Kindes, das auf einer Waage steht.
ORF
In Tirol ist jedes vierte Kind im Volksschulalter von Übergewicht oder Fettleibigkeit betroffen. Bei den Jugendlichen ist es jeder bzw. jede Dritte.

Wohnortnahe Angebote fehlen

Die Betreuung der jungen Patientinnen und Patienten dauere in der Regel ein Jahr und länger. „Es geht uns nicht darum, die Schönheitsideale zu bedienen oder die Kinder schlank und rank zu machen, sondern es geht darum, sie gesünder werden zu lassen. Damit wir nachher keine adipösen jungen Erwachsenen haben“, sagte Petra Hengl. Die Kinderärztin würde sich mehr wohnortnahe Behandlungsangebote für Kinder und Jugendliche mit Übergewicht wünschen.

„Es gibt kein großes nationales Konzept. Es gibt sehr viele gute Initiativen im Kleinen von niedergelassenen Ärzten, von Diätologen oder Physiotherapeuten, aber es gibt kein großes Ganzes", sagte Petra Hengl. Führende Expertinnen und Experten hätten zwar ein Konzept für die Behandlung erarbeitet, bislang ist dieses aber weder in Tirol noch auf Bundesebene umgesetzt worden.