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Wissenschaft

Forscher diskutieren über Alpen ohne Schnee

Wie ein Leben in Gebirgsregionen wie den Alpen in einem „Low-“ oder „No-Snow-Szenario“ gestaltet werden kann, diskutieren Gebirgsforscherinnen und -forscher aus aller Welt auf der International Mountain Conference (IMC) in Innsbruck.

Das zweite Symposium dieser Art, das noch bis Donnerstag läuft, ist laut den Veranstaltern von der Universität Innsbruck das größte seiner Art auf der Welt. Erwartet wurden im Vorfeld des am Montag stattfindenden ersten Programmtags rund 800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Inhaltlich spannt man einen weiten Bogen. Wenig verwunderlich ist aber, dass die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die Bergregionen auf der ganzen Erde im Zentrum vieler Beiträge stehen.

Über Land waren die Temperaturzunahmen zuletzt höher als über dem Wasser, in höheren Lagen mit ihrer auf die besonderen Verhältnisse stark angepassten Flora und Fauna ändert sich entsprechend viel. Das betrifft unter anderem die Wassersituation, von der letztlich in unseren Breiten nicht nur der Wintertourismus, sondern auch die Landwirtschaft, der Großteil der Energieerzeugung und die Trinkwasserversorgung abhängen.

Alpengletscher heuer extrem geschrumpft

Eine ganz zentrale Position in dem Gefüge nehmen die Gletscher ein. Wie weit man auf dem Weg ins „Low-Snow-Szenario“ schon ist, kann der Glaziologe Fabien Maussion vom Innsbrucker Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften nicht global einschätzen, dass man sich auf dem Pfad „mit immer weniger Schnee und Eis in Gebirgsregionen befindet“, ist aber unumstritten.

Heuer war es für die schnell schrumpfenden Alpengletscher „besonders schlimm“. Das lasse sich auch rund um Innsbruck gut erkennen: So verlor der Ötztaler Gletscher Hintereisferner alleine 2022 fünf Prozent seiner Masse – mehr dazu in Hintereisferner schmilzt dahin.

Hintereisferner
Rainer Prinz
Gletscherschwund am Hintereisferner

„So eine Schmelze haben wir noch nie festgestellt.“ Zum Vergleich: Detailliert vermessen wird der Gletscher im hinteren Ötztal immerhin schon seit 1952. Würden sich Jahre wie heuer in der Reihe fortsetzen, wäre in zehn Jahren die Hälfte des Eises verschwunden. Natürlich seien auch wieder kühlere Jahre und mehr Niederschlag zu erwarten, aber mit weiteren Rekordjahren im negativen Sinne sei verstärkt zu rechnen. Dementsprechend werde sich der Hintereisferner voraussichtlich im Zeitraum von zehn bis 20 Jahren halbieren.

Auch Schneemengen wurden geringer

Eine deutlich andere Prognose hat keiner der Alpengletscher, aber auch in den Anden oder in Asien ist mit zunehmender Schmelze zu rechnen. „Auch der Schnee ist im Allgemeinen im Rückzug“, so Maussion. Das hat die Wintersportindustrie längst erkannt, man passt sich mittels Beschneiungsanlagen schon seit Jahrzehnten an oder versucht Gletschereis neuerdings etwa mit Decken zu schützen, „was auch nicht ohne Konsequenzen punkto Verschmutzung ist“.

Auf der IMC werde man sich auch mit politischen Anpassungsstrategien an diese Zukunft beschäftigen, erklärte Maussion der APA. In unseren Breiten gehe es eher darum, wie man zum Beispiel Wasserressourcen in bestimmten alpinen Regionen halten kann. Im Himalaya wiederum ist vordringlicher, Menschen vor den potenziell verheerenden Auswirkungen starker Gletscherschmelzen zu bewahren. Auch an den aktuellen Fluten in Pakistan hat diese Entwicklung nämlich einen gewissen Anteil. Hier brauche es vor allem bessere Frühwarnsysteme oder Dämme.

Eisbrocken treibt in See
APA/EXPA/Johann Groder
Die Wissenschaftler diskutieren den Umgang mit schwindenden Gletschern

Reduktion von Treibhausgasemissionen als Hoffnung

Die im Durchschnitt schwindende Schneedecke brachte in den Alpen „eine Periode mit hohen Zuflüssen von Gletschern“, so der Glaziologe. In Zukunft gehe dieser Anteil aber zurück. Das könnte eher punktuell zum Problem werden, weil man in den Alpen großflächig immer noch auch mit regenreicheren Sommern rechne. In anderen Regionen wie den Anden in Peru sei das ein weit größeres Problem.

Insgesamt gehe es den Experten auch um das Abschätzen der nicht trivialen Verbindung zwischen steigenden Temperaturen insgesamt und lokalen Schneefällen, die wiederum für die Massenbilanz von Gletschern zentral sind. Auch stellen sich Fragen, wie sehr das Minus an Schnee und Eis durch die Reduktion von Treibhausgasemissionen noch abgemildert werden könnte, erklärte Maussion.