Georg Neuhauser auf dem Bergsturz
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Kultur

Pletzachbergstürze: Grenzgebiet und Marmor

Bis heute prägen die Pletzachbergstürze bei Kramsach die Landschaft im Unterinntal und der besonders schöne Hagauer bzw. Kramsacher Marmor viele Bauten in Tirol. Vor allem der letzte Bergsturz in der späten Römerzeit führte zu Grenzziehungen.

Solche Grenzen haben bis heute Bestand, etwa die Teilung in die Diözesen Salzburg und Innsbruck. Historiker Georg Neuhauser, der die neue Stelle für Tiroler Landesgeschichte an der Universität Innsbruck leitet, hat sich intensiv mit der Geschichte der Pletzachbergstürze befasst. Besonders der letzte der drei Bergstürze vom Pletzachkogel, den der Innsbrucker Geograf und ehemalige Universitäts-Professor Gernot Patzelt ins zweite bis dritte Jahrhundert datiert hat, habe die kulturhistorische Entwicklung im Unterinntal massiv beeinflusst, erklärte Historiker Georg Neuhauser. 1,6 Millionen Kubikmeter Gestein seien damals ins Tal gedonnert.

Inntal von oberhalb Kramsach in Richtung Zillertal
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Blick in Richtung Zillertal, die bewaldeten Stellen im Vordergrund zeigen die Ausläufer des 3. Pletzach-Bergsturzes

Bergsturz als natürliche Grenze

Der Bergsturz habe dazu geführt, dass das ganze Talbecken verlegt gewesen sei, sagte Neuhauser. Er habe den Inn aufgestaut und das Inntal komplett blockiert. „Somit war das mit Sicherheit ein ganz schwer zu überwindendes Hindernis“, so Neuhauser. Es sei eine natürliche, neue Grenze entstanden: schon in der Römerzeit zwischen Noricum und Raetien, im Mittelalter jedenfalls zwischen dem Herzogtum Bayern und der Grafschaft Tirol und zwischen den Diözesen Freising, Brixen und Salzburg. Und diese Grenze bestehe mit dem Habach – dem Grenzbach – auch heute noch zwischen den Diözesen Innsbruck und Salzburg, sagte der Historiker.

Hagauer Marmor , einzelne Steine
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Hagauer bzw. Kramsacher Marmor

Kramsacher oder Hagauer Marmor als Wirtschaftsmotor

Der Pletzachbergsturz brachte nicht nur neue Grenzziehungen, sondern auch begehrtes Baumaterial ins Tal: den sogenannten Hagauer oder Kramsacher Marmor, eigentlich Kalkgestein, sagte Georg Neuhauser. Im 15. Jahrhundert entwickelte sich die Rattenberger oder Hagauer Bauhütte, der Marmor wurde für Bautätigkeiten in ganz Tirol genützt. Bis heute ziert er etwa die Hofkirche, den Unterbau des Goldenen Dachls, die Rattenberger oder Schwazer Stadt-Pfarrkirchen, Säulen auf Schloss Tratzberg oder Hausfassaden. Der spannenden Geschichte der Pletzachbergstürze hat Historiker Neuhauser ein Buch mit dem Titel: „Von Grenzziehungen und Marmor“ gewidmet.