Menschen mit Handy
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Landtagswahl 2022

Social-Media-Wahlkampf kein Selbstläufer

Im Rittern um die Gunst der vor allem jüngeren Wählerschaft setzen alle wahlwerbenden Parteien im Vorfeld der Tiroler Landtagswahl auf Social Media-Kanäle. Manchmal seien „aufwendig gestaltete Kanäle“ aber „vergebene Liebesmüh“, so die Politikwissenschafterin Lore Hayek von der Universität Innsbruck im APA-Interview.

Soziale Medien gehörten Hayek von der Universität Innsbruck mittlerweile zum „normalen Medien-Mix“. Während alle wahlwerbenden Parteien auf Facebook und Instagram aktiv sind, versuchten sich „wenige Parteien auf dem vergleichsweise neuen Videoportal TikTok, um junge Zielgruppen zu erreichen“, führte Hayek aus. Konkret „jene Parteien, deren Wählerschaft eher jung und urban ist, wie die NEOS“.

Junge wollen wie Erwachsene angesprochen werden

Aktuelle Forschung zeige jedoch, dass es „junge Menschen eigentlich blöd finden, wenn sie bewusst über Jugendkanäle angesprochen werden“. Erstwählerinnen und Erstwähler – davon gibt es in Tirol am 25. September 3.653 – und politisch interessierte junge Leute wollten „genau so angesprochen werden wie Erwachsene“, hielt Hayek fest.

Lore Hayek im ORF Interview
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Hayek wirft einen kritischen Blick auf die Social Media Aktivitäten der Tiroler Politik

Außerdem wisse man, dass „Social Media-Inhalte nur selten über die eigene Bubble (das Stammklientel, Anm.) hinausgehen“. Soziale Medien seien mittlerweile nicht viel mehr als ein weiterer Verbreitungskanal der „politischen Message“. „Es gibt keine eigenen Social Media-Kampagnen mehr, sondern eine, die über den gesamten Medien-Mix gespielt wird“, erklärte Hayek, die im Rahmen ihrer Dissertation Plakatwerbung in den Nationalratswahlkämpfen genauer untersucht hatte. „Social Media wird heute so genutzt wie ein Zeitungsinserat oder ein Plakat.“

Oft nur als Einweg-Kommunikation genutzt

Kommunikation in Sozialen Netzwerken sei im Gegensatz zu letztgenannten aber „nicht statisch“. Politikerinnen und Politiker könnten „schnell reagieren“, hob Hayek einige Unterschiede hervor. Trotz Kommentarfunktion würden die meisten Parteien ihre Kanäle allerdings nach wie vor als „Einweg-Kommunikation“ nutzen. So entstehe „ganz selten ein Dialog“.

Am ehesten fände Interaktion auf Twitter statt, wo vor allem die Spitzenkandidaten von FPÖ, Grünen, NEOS und SPÖ – namentlich Markus Abwerzger, Gebi Mair, Dominik Oberhofer und Georg Dornauer – den Ton angeben würden. Hier handle es sich aber häufig nicht um einen Austausch mit der Wählerschaft sondern um „Geplänkel zwischen den Spitzenkandidatinnen und -kandidaten“, so die Beobachtung Hayeks.

Auf TikTok ist Kommunikation interaktiver

Ein Team von Wissenschaftern und Wissenschafterinnen der TU München, die sich die politische Kommunikation im US-Wahlkampf 2020 genauer angeschaut hatten, kam zum Schluss, dass die Kommunikation auf TikTok im Gegensatz zu den älteren Social Media-Plattformen wesentlich interaktiver ist. Als Grund dafür wurde die Kommentarfunktion der chinesischen App genannt, auf die Nutzerinnen und Nutzer Videos in der Länge von 15 bis 60 Sekunden hochladen.

Abwerzger auf TikTok im bescheidenen Rahmen führend

Der pinke Spitzenkandidat Dominik Oberhofer hatte seine Partei im APA-Interview vor einem Monat im Online-Wahlkampf führend gesehen und betont, dass er „der erste Tiroler Politiker auf TikTok“ gewesen sei. Mittlerweile posten auch die Spitzenkandidaten Anton Mattle (ÖVP), Abwerzger (FPÖ), Dornauer (SPÖ) und Mair (Grüne) Bewegtbild-Inhalte auf der vor allem unter jungen Menschen beliebten Plattform. Die meisten Follower verzeichnet Abwerzger mit 750. Nicht auf TikTok vertreten ist Liste-Fritz-Spitzenkandidatin Andrea Haselwanter-Schneider, auch die MFG hat dort keinen Tirol-Auftritt sondern lediglich einen bundesweiten Kanal.

Social Media ein klassischer Kommunikationskanal

„Wenig überraschend“ fand Hayek sowohl die Inhalte, die die Parteien knapp ein Monat vor der Landtagswahl auf ihren Kanälen posteten, als auch die Tonalität des Auftritts. Die Inhalte würden zur Gesamtkampagne passen, es gebe „wenig persönliche Akzente oder Initiativen“. „Hätten wir dieses Interview vor zehn oder fünf Jahren geführt, wäre das wahrscheinlich anders. Heute ist Social Media ein klassischer Kommunikationskanal“, schloss die Politikwissenschafterin.