Elektrikerin – Frau in technischem „Männerberuf“
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Politik

Land beschließt Arbeitsmarktstrategie

Die Landesregierung hat mit den Sozialpartnern und Interessensvertretern eine Arbeitsmarktstrategie bis 2030 fixiert, die mehr Menschen in Beschäftigung bringen soll. Zudem sollen Aus- und Weiterbildung forciert und die Teilhabechancen am Arbeitsmarkt verbessert werden.

Die Arbeitsmarktstrategie umfasst 21 „Maßnahmenfelder“. Arbeitslandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) ging bei der Präsentation am Dienstag insbesondere auf die Bedeutung weiblicher Arbeitskräfte ein. Sie führte im Rahmen einer Pressekonferenz am Dienstag in Innsbruck das Modell des „Job-Sharing“ ins Treffen, das die Erwerbsquote unter Frauen erhöhen und deren Einkommenssituation verbessern soll. „Job-Sharing“ habe sich in anderen europäischen Ländern bereits bewährt und bedeute, dass sich zwei oder mehr Personen eine Vollzeitstelle teilen, erklärte Palfrader.

Palfrader hofft auf Abbau von Rollenbildern

Sie erhoffe sich, dass sich so insbesondere für Frauen vermehrt Möglichkeiten ergäben, in Spitzenpositionen zu kommen. Die Teilzeitquote unter Frauen in Tirol betrage 54,6 Prozent, so die Arbeitslandesrätin – ein hoher, „nicht erfreulicher“ Wert. Zudem müssten in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit natürlich auch „Rollenbilder abgebaut“ werden. Dazu werde es „ein radikales Umdenken in den Tiroler Köpfen brauchen“.

(v.re.): Wirtschaftslandesrat Anton Mattle, Arbeitslandesrätin Beate Palfrader, Alfred Lercher (AMS), Philip Wohlgemuth (ÖGB), Erwin Zangerl (AK) und Martin Wetscher (WK).
Land Tirol/Die Fotografen
Wirtschaftslandesrat Anton Mattle, Alfred Lercher (AMS), Arbeitslandesrätin Beate Palfrader, Philip Wohlgemuth (ÖGB), Erwin Zangerl (AK) und Martin Wetscher (WK) (v.re.) bei der Präsentation

Mattle wertet Maßnahmen auch als Mittel gegen Teuerung

Wirtschafts- und Digitalisierungslandesrat Anton Mattle, der sich zurzeit für die Tiroler ÖVP als Spitzenkandidat im Vorfeld der Landtagswahl am 25. September im Wahlkampf befindet, unterstrich, dass „Wirtschaft und Arbeit untrennbar miteinander verbunden sind“. Und er nutzte die Bühne, um darauf hinzuweisen, dass in der „auf Jahre ausgerichteten“ Strategie auch Maßnahmen verankert wurden, die der Teuerung entgegen wirkten – etwa eine Verdoppelung der Ausbildungsbeihilfe für Lehrlinge auf 200 Euro pro Monat.

Ferner verwies Mattle auf „Umbrüche“, wie den demografischen Wandel oder sich verändernde Bedürfnisse vor allem bei jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die in der Strategie aufgegriffen würden. So sollen „spezielle Arbeitsmodelle“ gefördert werden und „die beiden Systeme Matura und duale Ausbildung beziehungsweise Lehre“ seiner Ansicht nach „nicht nur durchlässig, sondern durchgängig sein“.

AK : Chance für Wiedereinsteigerinnen

Auch Tirols schwarzer Arbeiterkammerpräsident Erwin Zangerl nahm Bezug auf Frauen und junge Menschen und zeigte sich davon überzeugt, mit der „Arbeitsmarkt Tirol 2030“-Strategie für den „Wettbewerb der besten Köpfe und Hände“ gewappnet zu sein. Er verwies konkret auf Maßnahmen, die Wiedereinsteigerinnen und -einsteigern die Chance böten, „das aufzuholen, was etwa im Bereich Digitalisierung versäumt wurde“.

AMS will überregionale Vermittlung

„Hohe Dynamik im Arbeitsmarkt“ ortete der Geschäftsführer des Arbeitsmarktservice (AMS) Tirol, Alfred Lercher. Manchmal seien Ausbildungen schlicht „am Arbeitsmarkt nicht mehr verwertbar“. Aus-und Weiterbildungsmaßnahmen müssten sich daran orientieren, was man in der Zukunft brauche. „Stille Reserven“ – also Menschen im Haupterwerbsalter, die beispielsweise aufgrund von Betreuung von Kindern oder Pflege von Angehörigen nicht arbeiten, müssten aktiviert werden, fand Lercher. Dafür müssten Rahmenbedingungen angepasst werden. Vermittlung müsse angesichts des Arbeitskräftemangels und demografischen Wandels allerdings nicht nur tirolweit, sondern auch überregional gedacht werden.

ÖGB: Adäquate Arbeitszeitmodelle für Gesundheit

Dem Landesvorsitzenden des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB), Philip Wohlgemuth (SPÖ), war es indes ein Anliegen zu betonen, es gehe in der Strategie nicht nur um „eine funktionierende Wirtschaft, von der alle profitieren“, sondern auch um die „Absicherung im Falle eines Arbeitsplatzverlustes“. Zudem brauche es „Prävention und adäquate Arbeitszeitmodelle für psychische und physische Gesundheit“ und „Unterstützung sogenannter arbeitsmarktferner Personen“. Auch Wohlgemuth befindet sich als roter Landeslistendritter und Spitzenkandidat im Bezirk Innsbruck aktuell im Wahlkampf.

Wirtschaftskammer: Dazuverdienen ohne „Abgaben-Keule“

Für Martin Wetscher, Vizepräsident der Wirtschaftskammer Tirol, gab es „keinen besseren Zeitpunkt“ diese Strategie zu präsentieren, fehle es doch aktuell „landauf landab an Arbeitskräften und Lehrlingen“. Neben dem Papier, „das uns über die nächsten Jahre begleiten wird“, brauche es aber auch „akute Maßnahmen, die unmittelbar wirken“, sagte Wetscher. „Leistungsbereite Menschen“ sollten immer die „Möglichkeit haben, etwas dazuzuverdienen – sei es in der Pension oder über Überstunden“ – und zwar „ohne mit der ‚Abgaben-Keule‘ getroffen zu werden“. Zudem sollten auch eingewanderte Personen arbeiten können, wenn sie das wünschen: „Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist immer noch ein starkes Hemmnis“, übte Wetscher leise Kritik.

Mit einer Arbeitslosenquote von 2,7 Prozent weist Tirol aktuell im Bundesländervergleich den niedrigsten Wert auf. Die Zahl unselbstständig Beschäftigter belief sich laut Daten des AMS im Juli 2022 auf 362.000, gleichzeitig wurden 10.877 offene Stellen gemeldet.