Johann Fuchs
APA/EXPA/JOHANN GRODER
APA/EXPA/JOHANN GRODER
Gericht

72.000 Euro Geldstrafe für OStA-Leiter Fuchs

Der Leiter der Wiener Oberstaatsanwaltschaft, Johann Fuchs, ist am Mittwoch am Innsbrucker Landesgericht zu einer Geldstrafe von 72.000 Euro verurteilt worden. Er musste sich wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses und Falschaussage vor dem „Ibiza“-U-Ausschuss verantworten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Fuchs legte Berufung ein.

Fuchs soll im Dezember 2020 Aktenteile über eine Anzeige gegen eine „Presse“-Redakteurin an Pilnacek weitergegeben haben. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hatte nämlich eine (letztlich mangels Anfangsverdachts nicht weiter verfolgte) Anzeige gegen die Journalistin aufgrund eines von ihr verfassten, kritischen Artikels zur Behörde vorbereitet. Fuchs hatte bei einem ersten Prozesstermin Anfang Juli die Weitergabe bestritten. Nach der Urteilsverkündung verließ er – sichtlich erschüttert – auf der Stelle das Gericht.

Pilnacek verweigerte die Aussage

Richterin Andrea Steffan schenkte Fuchs nämlich keinen Glauben. Obwohl das Gericht keinen „forensischen Beweis“ für die Übermittlung der Anzeige an Pilnacek vorlegen könne, gab es für sie „so viele Indizien“, die dafür sprachen. Das liege etwa am kleinen Personenkreis, die an jenem Tag Zugriff hatten, und auch an den Zeitpunkten, als der Akt erstellt worden und wann er auf Pilnaceks Handy gelandet war. Maßgeblich sei außerdem der Chatverkehr zwischen Pilnacek und einer „Kurier“-Redakteurin gewesen, die er wiederum über die Anzeige informiert hatte. In den Nachrichten schrieb der mächtige Beamte, dass die Journalistin das nicht veröffentlichen solle, weil dann klar sei, „wer geleakt“ hat, zitierte die Richterin. Pilnacek war in dieser Causa rechtskräftig freigesprochen worden. Er wollte am Mittwoch jedoch nicht als Zeuge aussagen, weil er noch ein Disziplinarverfahren anhängig habe – für die Richterin war das zwar kein ausreichender Grund, sie ließ es dennoch dabei bewenden.

Christian Pilnacek am Landesgericht Innsbruck
APA/EXPA/JOHANN GRODER
Christian Pilnacek verweigerte am Mittwoch in Innsbruck die Aussage

Für Steffan war die mutmaßliche Anzeigenweitergabe geeignet, das öffentliche Interesse einer unbefangenen Entscheidungsfindung – aufgrund von Medienberichten – sowie das persönliche Interesse der „Presse“-Redakteurin zu verletzen. Immerhin gehe es um „ihren Ruf als Journalistin“. Sollte bekannt werden, dass die WKStA eine Anzeige gegen sie erstatte, „kann das zu einer Stigmatisierung führen“, erklärte sie. Es habe sich um einen Verschlussakt gehandelt und „Pilnacek war zu diesem Zeitpunkt nicht ihr Vorgesetzter“, hielt die Richterin fest.

Erinnerungslücken für Richterin nicht glaubwürdig

Im zweiten Anklagepunkt wurde Fuchs vorgeworfen, dass er im März 2021 im „Ibiza“-U-Ausschuss ausgesagt habe, sich nicht erinnern zu können, Aktenteile an Pilnacek weitergegeben zu haben. Steffan glaubte ihm nicht, dass er sich nicht mehr erinnern könne, vor allem was eine im Ausschuss abgefragte Korrespondenz zwischen Fuchs und Pilnacek am Tag der Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ betrifft. „Ibiza“ sei so „einmalig und brisant“ gewesen: „Dass Sie da nicht mehr wissen, dass es diese Korrespondenz gegeben hat, glaube ich Ihnen einfach nicht“, verdeutlichte sie und hielt dazu in ihrer Urteilsbegründung fest: „Man darf nicht falsch aussagen, um sich vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen.“ Fuchs hätte vielmehr sein Entschlagungsrecht als Auskunftsperson in Anspruch nehmen können.

Haltung gegen WKStA „schweißt zusammen“

Staatsanwalt Andreas Leo hatte in seinem Schlussplädoyer eine Verurteilung im Sinne der Anklage gefordert. Auch er argumentierte mit den zeitlichen Abläufen am Tag der mutmaßlichen Weitergabe der Anzeige. Pilnacek sei zu diesem Zeitpunkt jedoch „nicht mehr zuständig“ gewesen. Leo betonte das gute Verhältnis zwischen Fuchs und Pilnacek und auch deren gemeinsame „kritische Haltung gegenüber der WKStA“: „Dieser Umstand verbindet, schweißt zusammen.“ Aus Sicht des öffentlichen Anklägers war jedoch unstrittig, dass eine unbefangene Entscheidungsfindung durch eine Weitergabe gefährdet gewesen sei, Fuchs habe das „in Kauf genommen“, argumentierte er. Im Untersuchungsausschuss habe er auch genau gewusst, dass er eine wahrheitsgemäße Aussage machen müsse.

Verteidiger sah keine vorsätzliche Falschaussage

Fuchs’ Verteidiger Martin Riedl führte ins Treffen, dass es keinen „forensischen Beweis für eine Weiterleitung“ gebe. Außerdem sehe auch er die Gefahr der Verletzung des öffentlichen Interesses nicht, „wenn ich mir ansehe, wie schnell Ermittlungsergebnisse an die Öffentlichkeit gelangen“. Das komme ja „ständig vor“, sagte Riedl. Zudem sei es bei der Sache um „Lösungsmöglichkeiten“ gegangen, denn die Geschichte wäre ja so gewertet worden, „dass die Justiz Journalisten einen Maulkorb anlegt“. Das wäre für Fuchs ja ein „Supergau“ gewesen. In puncto U-Ausschuss wartete Riedl mit einer Kritik an der dortigen Umgangsweise auf: „Auskunftspersonen werden behandelt wie Schwerverbrecher, mit zynischen Bemerkungen und Gesten“, sagte der Anwalt. Den Vorsatz einer Falschaussage könne er jedenfalls nicht erkennen.

Riedl meldete volle Berufung an, damit wird der Fall wohl das Oberlandesgericht Innsbruck beschäftigen. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. Fuchs hätten bis zu drei Jahre Haft gedroht. Nun wurde ein Sechstel des Strafrahmens ausgeschöpft.

Knapper Kommentar aus dem Justizministerium

Im Justizministerium kommentierte man eine Anfrage der APA zu disziplinarrechtlichen Folgen des Urteils nur knapp. Die Entscheidung des Landesgerichts Innsbruck sei noch nicht rechtskräftig, und das Disziplinarverfahren werde beim Obersten Gerichtshof (OGH) erst weitergeführt, wenn im Strafverfahren Rechtskraft eingetreten sei. Darüber hinaus könne man sich nicht zu laufenden Disziplinarverfahren äußern.

Fuchs war im März vom Justizministerium wegen der Vorwürfe suspendiert worden, der OGH hob das im April aber auf, weil die Suspendierung „aus dienstlichen Gründen nicht erforderlich“ sei. Die Änderung der Zuständigkeiten innerhalb der OStA Wien – aufgrund derer Fuchs nicht mehr für Verfahren der WKStA zuständig ist – blieb aber weiter aufrecht.

„Höchstmaß an Objektivität“ in Innsbruck gewährleistet

Der Prozess gegen den Wiener OStA-Leiter fand deshalb in Innsbruck statt, weil Fuchs als Chef der Wiener Oberstaatsanwaltschaft praktisch Vorgesetzter aller Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Ostösterreich ist, so der Sprecher des Landesgerichts Innsbruck, Andreas Stutter. Es gebe hier naturgemäß auch Naheverhältnisse zu Strafrichtern. Das Verfahren sei deshalb nach Innsbruck abgegeben worden, um ein Höchstmaß an Objektivität zu gewährleisten.