Der grüne Klubobmann und Spitzenkandidat Gebi Mair beim ORF-Tirol-Sommergespräch in der Innsbrucker Stadtbibliothek
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Landtagswahl 2022

Grüne: „Die ÖVP ist wie ein Nilpferd“

Die Tiroler Grünen gehen im Landtagswahlkampf auch auf Konfrontation mit ihrem derzeitigen Koalitionspartner ÖVP. Die Volkspartei komme ihm vor wie ein unbewegliches Nilpferd, so der Grüne Spitzenkandidat Gebi Mair im ORF Tirol Sommergespräch. Die Grünen wollen mit Klima- und Naturschutz, leistbarem Leben und sauberer Politik punkten.

Als Juniorpartner in der Koalition mit der ÖVP sei es für die Grünen oft schwierig, räumte Mair ein. Seine Partei muss deshalb auch Kritik einstecken, weil sie mit der Volkspartei aus Koalitionsgründen zum Teil mitstimmen muss. Die ÖVP bewege sich bei wichtigen Themen oft nicht, eben wie ein Nilpferd, bemühte Mair ein Bild aus der Tierwelt: „Als Grüne drückt man an und zieht und schiebt. Und das Nilpferd bewegt sich nicht so richtig. Dann geht es einen Zentimeter vor und dann pflatscht es wieder zurück.“

Der grüne Klubobmann und Spitzenkandidat Gebi Mair beim Interview mit  ORF-Tirol-Chefredakteur Georg Laich
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Im Gespräch mit ORF-Tirol-Chefredakteur Georg Laich zeigte sich Gebi Mair durchaus angriffig gegenüber Koalitionspartner ÖVP

Der Gletscherschutz sei so ein Thema oder auch die Energiewende, kritisierte der grüne Spitzenkandidat die Haltung der ÖVP. Dass die Opposition für die Unbeweglichkeit der Volkspartei dann die Grünen kritisiere, anstatt mitschieben zu helfen, das ist für Mair nicht zielführend. Den Grünen sei in der Landesregierung in manchen Bereichen auch Großes gelungen, verwies Mair etwa auf den Ausbau des öffentlichen Verkehrs.

Sendungshinweis

Das ORF Tirol Sommergespräch mit dem Spitzenkandidaten der Tiroler Grünen, Gebi Mair, am Mo, 1.8. um 19:00 Uhr bei „Tirol heute“, ORF 2

Auch bei der Energiewende sah der grüne Spitzenkandidat die Tiroler ÖVP als dominierende Partei in Tirol als Bremsklotz. Während die Grünen in den neun gemeinsamen Regierungsjahren durchaus auch Wasserkraftprojekte mitgetragen hätten, sei auf der anderen Seite der Ausbau von Windkraft und Photovoltaik blockiert worden „von dem geistigen Nilpferd, das wir in diesem Land halt auch haben“. Die Volkspartei „hat uns Jahre gekostet, und das ärgert mich“, meinte Mair in Bezug auf Versäumnisse bei der erneuerbaren Energie in Tirol.

Langfassung: Sommergespräch mit Gebi Mair (Die Grünen)

Den Kampf gegen die Klimakrise macht der Spitzenkandidat der Tiroler Grünen, Gebi Mair, zum zentralen Thema im ORF Tirol Sommergespräch. Zum aktuellen Koalitionspartner ÖVP geht Mair im Wahlkampf auf Distanz.

„Also wir Grüne haben einen historischen Auftrag. Und der historische Auftrag heißt, einerseits das Klima retten und derzeit einfach auch die Geldtaschen der Menschen retten“. Die Menschen wüssten derzeit nicht, wie sie die nächste Rechnung zahlen sollen. Der Grund dafür liege in fossilen Energieträgern. Und der Grund liege „im Krieg, den Putin gegen die Ukraine führt, dass wir immer seine Artilleriegeschosse, die Richtung Westen gehen, mitzahlen“, kritisierte Mair die Abhängigkeit von russischem Gas, zu der die frühere Energiepolitik geführt habe. Er forderte ein Sofortprogramm des heimischen Gasversorgers Tigas, damit Konsumentinnen und Konsumenten schnell auf andere Heizformen umsteigen können.

Mair legt sich bei Opposition oder Regierung nicht fest

Was konkrete Wahlziele in Prozenten oder Mandaten anbelangt, wollte sich Mair im Gespräch mit ORF-Tirol-Chefredakteur Georg Laich nicht festlegen. Ebenso ließ er offen, ob er die Grünen nach der Wahl eher in der Oppositionsrolle wiedersieht oder wieder auf der Regierungsbank. Es gehe um Inhalte und den „historischen Auftrag“. Es sei ihm egal, ob die Grünen das von der Opposition aus oder in einer Regierungskoalition umsetzen können.

Künftige Konstellationen seien derzeit völlig offen. „Die ÖVP schmilzt ja derzeit schneller dahin als so mancher Gletscher in Tirol. Es wird am Ende darauf ankommen, wer kann überhaupt Brücken bauen, wer kann denn überhaupt Mehrheiten bilden in dem Land“, meinte der Grüne Spitzenkandidat in Anspielung an die derzeit schwachen Umfrageergebnisse der Tiroler Volkspartei.

Die Grünen im Rückblick

Nach dem angekündigten Rückzug von Ingrid Felipe als Frontfrau der Tiroler Grünen konnte sich Gebi Mair als Spitzenkandidat für die Landtagswahl durchsetzen. In Tirol haben die Grünen mit den typischen Problemen eines kleineren Koalitionspartners zu kämpfen, so Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle.

Die Kampfabstimmung innerhalb der Tiroler Grünen um die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl verteidigte Mair. Bei der Wahl am 25. September treten die Grünen mit einigen neuen Gesichtern an. Neben Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe ziehen sich auch Soziallandesrätin Gabriele Fischer, die sich wie Mair für die Spitzenkandidatur beworben hatte, und der zweiten Landtagsvizepräsidentin Stephanie Jicha aus der aktiven Politik zurück. Kommentatoren sahen darin ein Zeichen innerparteilicher Turbulenzen. Im Gegensatz zu anderen Parteien habe es bei den Grünen eben eine echte demokratische Wahl für die Kandidatur gegeben, erklärte Mair.

Mit „sauberer Politik“ bisherige ÖVP-Wähler ansprechen

Als Erfolg für die Wahl nannte Mair, „jede einzelne Person auf der Straße, die wir überzeugen können“. Ansprechen wollen die Grünen speziell auch bisherige SPÖ- und ÖVP-Anhänger. Die Volkspartei sei in der Krise, viele ihrer bisherigen Wählerinnen und Wähler etwa aufgrund umstrittener Parteifinanzierungen enttäuscht. Die Grünen seien hier eine Alternative für alle, die zwar mit der schwarz-grünen Politik in Tirol grundsätzlich zufrieden waren, aber jetzt die ÖVP nicht mehr wählen wollen. Die Volkspartei sei in der Krise, wie Chat-Affären oder andere Skandale zeigen würden.

Auf einer persönlichen Ebene könne er mit dem neuen ÖVP-Chef Anton Mattle gut, betonte Mair, der zugleich auf Distanz ging. Ob Mattle wirklich der nächste Landeshauptmann von Tirol wird, sei derzeit offen. Es sei „wahnsinnig viel in Bewegung“, glaubte der Grüne Spitzenkandidat und sieht Rückenwind aufgrund der Klimafrage: „Die Menschen sehen derzeit ja Muren, Hochwasser. Das ist ja nicht normal“.

ORF-Tirol-Sommergespräch mit dem grünen Spitzenkandidaten Gebi Mair in der Innsbrucker Stadtbibliothek
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Auch bei bisherigen sozialdemokratischen Anhängern sieht Mair Chancen – und zwar vor allem bei jenen, die mit dem Tiroler SPÖ-Vorsitzenden und Spitzenkandidaten Georg Dornauer ein Problem haben: „Behördlich festgestellt traut man dem ja nicht einmal zu, ein Jagdgewehr sicher zu führen. Wie soll man dem zutrauen, dass der das Land sicher führt?“

Heiße Eisen Tempobremse und Strom für Beschneiung

Rund um die Energiekrise sprach sich Mair auf Nachfrage für eine Temporeduktion im Straßenverkehr aus. Auch Tempo 100 auf der Autobahn in Tirol sei am Anfang ein Aufreger gewesen, die Grünen hätten sich dafür stark gemacht. Es sei klar, dass sich der Treibstoffverbrauch bei höheren Geschwindigkeiten aufgrund des Luftwiderstands massiv erhöhe. Der grüne Spitzenkandidat betonte, dass Energiesparen aktuell ein wichtiger Hebel sei. Dass niedrigere Geschwindigkeitslimits derzeit nicht bundesweit kommen, liege nicht an den Grünen mit Verkehrsministerin Leonore Gewessler, sondern daran, dass es für eine Gesetzesänderung derzeit keine Mehrheit im Parlament gebe.

Gebi Mair als Gast von Chefredakteur Georg Laich bei den ORF-Tirol-Sommergesprächen in der Innsbrucker Stadtbibliothek
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Im Interview setzte der grüne Spitzenkandidat vor allem auf das Thema Klimapolitik

Beim Thema Strom für Beschneiungsanlagen werde man angesichts des Klimawandels ohnehin neue Überlegungen brauchen, betonte Mair. Auf die konkrete Frage, ob Skigebiete aufgrund der Bedeutung des Tourismus für die Tiroler Wirtschaft und die Beschäftigung bei einem Energienotstand zur kritischen Infrastruktur zählen und damit bei der Stromversorgung Vorrang haben sollen, antwortete Mair, dass in einer solchen Notlage der Tourismus ohnehin in Frage gestellt sei: „Wenn es in München einen Gastnotstand gibt und die Menschen nicht mehr wissen, wie sie die Wohnungen heizen sollen, glauben Sie dann ganz ernsthaft, dass die Menschen in Bayern dran denken, dass das nächste, was sie wollen, ein beheizter Sessellift ist. Die Menschen werden dann auch nicht zum Skifahren kommen.“