Das Abwasser wird auf Coronaviren untersucht
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Wissenschaft

Abwasser zeigt Covid-Virusvarianten

Seit zwei Jahren wird in Österreich das Abwasser auf Covid gescreent. Diese Analysen sind inzwischen Teil des nationalen Monitorings. Sie spiegeln erstaunlich detailliert und exakt die Dynamik der verschiedenen Varianten wider, wie neueste Forschungen zeigen.

Genomische Analysen von Virus-Fragmenten im Abwasser lassen unerwartet genaue Schlüsse über die Verbreitung von COVID-Varianten in der Bevölkerung zu. Das zeigen Fabian Amman vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW (CeMM) und Rudolf Markt vom Institut für Mikrobiologie der Uni Innsbruck in einer Publikation im Fachjournal „Nature Biotechnology“. Sie beschreiben darin außerdem neue bioinformatische Instrumente für ein zukunftsweisendes Pandemie-Monitoring.

Abwasser-Analysen seit Pandemiebeginn

Mikrobiologe Heribert Insam von der Uni Innsbruck
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Mikrobiologe Heribert Insam vom Institut für Mikrobiologie der Uni Innsbruck

Die Auswertung von Abwasserproben ist für die Beobachtung des Epidemie-Geschehens, insbesondere was die Erkennung und Ausbreitung neuer Varianten anbelangt, hoch relevant: Was seit Pandemiebeginn vermutet wurde, konnten die Wissenschaftler nun mittels umfassender Daten belegen und hochrangig publizieren. Unter Federführung der Arbeitsgruppen um Andreas Bergthaler (CeMM und MedUni Wien), Heribert Insam (Universität Innsbruck) und Norbert Kreuzinger (TU Wien) nimmt Österreich international eine Vorreiterrolle im Abwasser-Monitoring ein.

Rudolf Markt vom Institut für Mikrobiologie der Universität Innsbruck bei der Abwasser-Analyse auf Coronaviren
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Der Innsbrucker Forscher Rudolf Markt bei der Analyse von Abwasserproben

Die Universität Innsbruck ist an der Kollaboration von Anfang an, seit März 2020, maßgeblich beteiligt – mehr dazu in Forscher wollen CoV im Abwasser nachweisen. „Damals hat die ganze Welt ja verzweifelt nach Reagenzien gesucht, es gab zu wenig Tests“, wie Nachwuchswissenschaftler Rudolf Markt vom Institut für Mikrobiologie der Uni Innsbruck berichtete. Beim Nachdenken, wie man die Anzahl der Proben verringern und gleichzeitig viel Menschen erreichen könnte, sei ihm die Idee gekommen, nach genomischem Virus-Material im Abwasser zu suchen.

Der Nachweis von COVID im Abwasser gelang dem Doktoratsstudenten Markt aus der Forschungsgruppe von Andreas Wagner wenig später, zeitgleich mit weiteren österreichischen Kolleginnen und Kollegen, worauf man sich zu einer beispiellosen, disziplinen- und institutionenübergreifenden Kooperation zusammentat.

Tiroler Methode wurde Standard für Österreich

„Die Methode, die wir am Institut für Mikrobiologie 2020 zur Quantifizierung von Sars-CoV-2 erarbeitet haben, ist nach wie vor die Methode der Wahl in Österreich“, sagte Markt, dessen Expertise insbesondere im molekularbiologisch-methodischen Bereich der Aufkonzentrierung liegt. „Ich beschäftigte mich aber auch mit der Frage, wie wir die unterschiedlichen Virus-Mutationen im Abwasser finden und den jeweiligen Varianten zuweisen können“, schilderte er eine große Herausforderung bei der Abwasseranalyse.

Mittels Abwasserdaten lasse sich sogar die Verbreitung einzelner Varianten, der Varianten-spezifischen R-Wert, berechnen, wie die Erstautoren Amman und Markt erstmals zeigen konnten.

Die Studie mit dem Originaltitel "Viral variant-resolved wastewater surveillance of SARS-CoV-2 at national scale“ wurde in der Fachzeitschrift Nature Biotechnology publiziert und zeigt die Möglichkeiten des Abwasser-Monitorings auf.
Zsofia Keszei, CeMM
Die Studie zeigt die Möglichkeiten des Abwasser-Monitorings auf

Patientenproben und Abwasser-Daten stimmen überein

Von Dezember 2020 bis Februar 2022 sequenzierten und analysierten die Wissenschaftler mehr als 3.400 Abwasserproben aus über 90 kommunalen Einzugsgebieten beziehungsweise Kläranlagen für die Studie, was einer wöchentlichen Abdeckung von mehr als der Hälfte der österreichischen Bevölkerung entspricht. Mittels einer eigens entwickelten Software konnten die Wissenschaftler die Häufigkeit von Virusvarianten aus komplexen Abwasserproben ableiten. Diese Ergebnisse wurden anschließend anhand von Aufzeichnungen gemeinsam mit der AGES validiert.

Die Ergebnisse bestätigen demnach, dass die Abwasseranalysen einen sehr genauen Überblick über das Pandemiegeschehen eines ganzen Landes bieten. Scheint eine bestimmte Variante im Meldesystem auf, wird das entsprechende Signal auch im Abwasser nachgewiesen. Zudem zeigten die Abwasserproben auch Varianten, die dem Patienten-basierten System entgangen seien, wie betont wurde.

Probenentnahme Kläranlage
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Die Abwasserproben werden abgefüllt, um dann im Labor untersucht zu werden

Varianten-Vorhersage wird leichter

Die im Rahmen der Studie generierten Daten böten eine Basis für die Vorhersage neu entstehender Varianten und machten den Reproduktionsvorteil bedenklicher Varianten besser kalkulierbar, wie die Forscher erklärten. Ein weiterer Vorteil des Abwassermonitorings sei zudem, dass auch asymptomatisch Erkrankte sowie Menschen, die das Testangebot nicht nutzen, in den Daten erfasst werden. Es sei zu erwarten, dass die Erkenntnisse über SARS-CoV-2 im Abwasser zukünftig auch auf die Analysen anderer Infektionserreger im Abwasser Anwendung finden werden, hieß es.

Durch die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Forschungseinrichtungen und verschiedenen Behörden konnte in Österreich frühzeitig ein flächendeckendes Monitoring aufgesetzt werden. "Dies ist auch eine Erfolgsstory, was wissenschaftliche Zusammenarbeit schaffen kann. Im konkreten Fall war dies gekennzeichnet von früh begonnenen und erfolgreich weiter ausgebauten Kollaborationen zwischen CeMM und MedUni Wien, Universität Innsbruck, der Medizinischen Universität Innsbruck, der Technischen Universität Wien, der AGES sowie mehr als zehn weiteren Institutionen“, erklärte Forschungsgruppen-Leiter Andreas Bergthaler.