Hände eines Zahnarztes bei der Behandlung
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Gesundheit

Massiver Mangel an Kassenzahnärzten

53 von 228 Zahnarztkassenstellen in Tirol sind nicht besetzt. Gründe dafür seien laut Zahnärztekammer Tirol die hohen Lebenskosten, zu niedrige Tarife und die fehlende Inländerquote beim Aufnahmetest an der Medizinischen Universität.

In keinem anderen österreichischen Bundesland ist die Lage bei den Kassenzahnärztinnen und -zahnärzten so gravierend wie in Tirol, zeigte sich Paul Hougnon, Präsident der Tiroler Zahnärztekammer, besorgt. Einen Grund für die hohe Anzahl an Leerstellen sieht Hougnon in den zu niedrigen Tarifen. Es müsste eine Erhöhung um 15 bis 20 Prozent geben, damit der Beruf wieder attraktiv werde. Die Erhöhung würde von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) gedeckt werden müssen.

„Es sind zum Teil Tarife drinnen, vor allem bei Reparaturen von Prothesen oder Teilprothesen, die nicht mehr kostendeckend sind“, so Hougnon. Zahnärzte könnten so nicht einmal mehr die gestellten Rechnungen für den Zahntechniker mit dem Tarif bezahlen. Ein weiteres Problem seien die hohen Lebenskosten in Tirol, denn so seien sowohl Zahntechnikerinnen als auch Mitarbeiter teurer als im Rest von Österreich.

Wegfallen der Österreich-Quote

Genauso wie in der humanmedizinischen Ausbildung gab es bis 2018 auch eine Österreich-Quote bei der Zahnmedizin. Hier gingen 75 Prozent der verfügbaren Plätze an Anwärterinnen und Anwärter, die ein österreichisches Maturazeugnis hatten oder deren Abschlusszeugnis mit diesem gleichgestellt ist (Südtirol, Luxemburg, Liechtenstein). Diese Regelung wurde von der EU abgeschafft. „Die Notwendigkeit der Quote wurde vonseiten der EU in der Zahnmedizin nicht mehr gesehen“, so Wolfgang Prodinger, Vizerektor der Medizinischen Universität Innsbruck.

Wiedereinführung einer Österreich-Quote

Bei der Frage, ob die Quote wieder eingeführt werden sollte, sind sich Prodinger und Hougnon einig – wenn möglich, würde es dazu beitragen, dem Wegzug nach dem Studium entgegenzusteuern und Kassenstellen nachzubesetzen, da vor allem heimische Jungzahnmediziner diese übernehmen. Gleichzeitig könne man aber nicht sagen, dass Nichtösterreicherinnen und Nichtösterreicher das Studium übernehmen würden, da die Reihungen und dann Zulassungen immer anders ausfallen, so Prodinger. Jenen mit den besten Testergebnissen wird ein Platz angeboten, egal aus welchem Land sie kommen.

Kassenärzte decken die Sozialmedizin ab

Besonders die Einkommensschwächsten werden von diesen fehlenden Kassenstellen betroffen sein. Durch das knappe Angebot muss die Bevölkerung auf Wahlärzte umsteigen. Bei diesen müssen die Patientinnen und Patienten die Kosten zuerst selbst vorstrecken und bekommen von der ÖGK 80 Prozent des Kassenarzttarifes zurück, nicht 80 Prozent von der eigentlich bezahlten Summe. Wahlärzte können ihre Tarife frei festlegen. Beim Kassenarzt übernimmt die Kasse die Kosten für alle vertraglichen Leistungen und leistet auch Kostenzuschüsse zu einzelnen außervertraglichen Leistungen.

Starthilfen und Tariferhöhungen als Lösung

Tariferhöhungen um 15 bis 20 Prozent seien realistische Anlockungsmethoden, so Hougnon. Eine andere Methode seien monetäre Starthilfen für junge Zahnmedizinerinnen und -mediziner, wenn sie Kassenstellen übernehmen. Dieser Strategie folgen das Burgenland und Salzburg.

Wiedereinführung der Lehrpraxis

Um den jungen Zahnmedizinerinnen und -medizinern wieder mehr Praxiserfahrung außerhalb der Zahnklinik zu bieten, verfassten die Zahnärztekammer und die Universität Innsbruck einen Brief an das Bildungsministerium, um die praktische Arbeit im Studium auch in einzelnen Praxen ausführen zu können und somit „den Kolleginnen und Kollegen auch Sicherheit in der Arbeit zu geben“, so Hougnon.

Lage rund um Kitzbühel besonders schlimm

Bei der Besetzung gibt es auch eine große Kluft zwischen Land und Stadt. Besonders im Unterland fehlen die Kassenärzte. Rund um Kitzbühel seien derzeit 15 Kassenstellen frei, so Hougnon. „Die Menschen müssen deswegen weitere Strecken auf sich nehmen und wegen der stärkeren Belastung auch mit mehr Andrang rechnen“, meinte der Präsident der Zahnärztekammer. Die ÖGK wolle auch ein fünftes Zahngesundheitszentrum in Kitzbühel errichten, um die Situation zu entlasten, und würde nach weiteren Lösungen suchen.

Keine Besserung in Sicht

Verhandlungen mit der Politik sind bisher fehlgeschlagen. „Seitdem die ÖGK zusammengelegt wurde, hat man keinen Ansprechpartner mehr in Tirol.“ Die Lage werde sich weiterhin in ganz Österreich zuspitzen. Dramatisch werde die Situation in Tirol vor allem erst in den nächsten Jahren: „Rund ein Drittel der derzeitigen Kassenärzte sind zwischen 60 und 65 Jahre alt und gehen demnächst in Pension.“ Dann werden noch einmal mehr Stellen frei bleiben.