Gelber Enzian
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Wirtschaft

Gelber Enzian – ein Elixier für die Haut

Der Enzianschnaps ist für seinen bitteren Geschmack bekannt. Die Schnapsbrenner verwenden nur die Wurzeln des Gelben Enzians, Blätter und Blüten der Pflanze sind für sie wertlos. Doch darin befinden sich die gleichen Bitterstoffe wie in den Wurzeln. Daraus machen zwei Frauen aus Galtür Hautpflegeprodukte.

Im Paznauntal wird seit Jahrhunderten aus den Wurzeln der Enzianpflanze Schnaps gebrannt. Die Wirkung des Enzians lässt sich fast ausschließlich auf seine Bitterstoffe zurückführen. Im Gelben Enzian steckt die bitterste, natürliche Substanz der Welt – Amarogentin.

Dieser Bitterstoff kommt sowohl in der Wurzel als auch in den Blüten und den Blättern vor und hat eine appetitanregende und verdauungsfördernde Wirkung.

Der Gelbe Enzian steht seit Jahren unter Naturschutz

Viele sehen im Enzianschnaps eine Art Medizin, die gegen so gut wie alle Wehwehchen hilft. Entsprechend begehrt ist dieser Schnaps. Weil der Gelbe Enzian seit 1960 unter Naturschutz steht, ist das Ausgraben der Wurzeln, streng limitiert.

Pro Jahr dürfen in Galtür ausgeloste 13 Haushalte jeweils 100 Kilogramm Wurzeln in den Seitentälern ausgraben. Daraus werden schließlich nur knapp sieben Liter Enzian-Schnaps, wobei im Verkauf ein Liter „Enzner“ knapp 300 Euro kostet.

Gelber Enzian blüht auf einer Wiese in Galtür
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Vom Galtürer Schnapsbrenner auf Feld kultiviert

Diese Beschränkung gilt jedoch nur für den „wilden“ Enzian. Auf einem ehemaligen Acker zwischen Galtür und Wirl versuchte Schnapsbrenner Hermann Lorenz im Jahr 2017 den Gelben Enzian zu kultivieren und setzte auf einer Versuchsfläche 12.000 vorgezogene Enzianpflanzen.

Dieser Versuch glückte, die Pflanze gedeiht in Galtür ausgezeichnet – mehr dazu in Erfolgreicher Anbau von Gelbem Enzian. In den folgenden Jahren setzte er weitere Pflanzen, sodass derzeit rund 30.000 Pflanzen auf dem Feld wachsen.

Hermann Walter gibt ein Interview
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Hermann Lorenz kultiviert den Gelben Enzian seit 2017 auf seinem Acker

In den ersten zwei Jahren nach dem Setzen müsse man sich intensiv um die Pflanzen kümmern, erklärt Hermann Lorenz. Man müsse das Unkraut regelmäßig ausreißen, sonst würden die Pflanzen auf dem Acker eingehen. Später aber könne man die Pflanzen sich mehr oder weniger selbst überlassen, denn insgesamt seien die Bedingungen für den Gelben Enzian ideal in Galtür, zeigt sich Lorenz erfreut.

Blätter und Blüten werden weiterverarbeitet

Da die Schnapsbrenner nur an den Wurzeln der Pflanzen interessiert sind, blieben Blätter und Blüten des Enzians nach dem Ausgraben bislang übrig, sagt Alexandra Walter, sie ist die Frau von Hermann Lorenz. Da sie als Ärztin wisse, dass sich die Bitterstoffe nicht nur in den Wurzeln sondern auch in den Blättern und Blüten befinden, habe sie darüber nachgedacht, wie sie diese nutzen könne, so Walter. Dies sei allerdings ein langer Weg gewesen.

Gelber Enzian blüht auf einer Wiese in Galtür
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In knapp 1.600 Metern Höhe findet der Gelbe Enzian ideale Bedingungen vor

Intensiver Duft des Enzians als Herausforderung

Bei den ersten Versuchen Pflegeprodukte zu entwickeln, habe vor allem der intensive Duft des Enzians Probleme bereitet. „Wir hatten eine erste Testrunde, die hat dann gleich gesagt, dass sie das auf der Haut mögen, es ist fein und angenehm. Aber es riecht einfach nach Schnaps“, schildert Heidrun Walter, sie ist Geschäftspartnerin von Alexandra Walter. Daher mussten sie den erdigen Duft des Enzians in den Hintergrund drängen.

Alexandra Walter gibt ein Interview
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Alexandra Walter verwendet für ihre Produkte die Blüten und die Blätter des Gelben Enzians

Kleines Zeitfenster für Ernte der Enzianblüten

Bei der Ernte des Gelben Enzians drängt die Zeit. Da muss die ganze Familie mithelfen, denn es gibt nur ein kleines Zeitfenster, in dem die Blüten erntereif sind. Außerdem müsse bei der Ernte die Sonne scheinen, damit die Blüten offen sind, beschreibt Allgemeinmedizinerin Alexandra Walter: „Wenn die Pflanzen beim Abschneiden nass wären, dann würde beim Transport ein Fermentationsprozess in Gang kommen und dann wäre quasi die Ernte kaputt.“

„Es gibt in unseren Breiten niemanden, der mit Blättern und Blüten arbeitet, weder im Lebensmittelbereich noch im Kosmetikbereich“, mussten Alexandra Walter und Heidrun Walter – die nicht miteinander verwandet sind – recht schnell feststellen. Es dauerte, bis sie in Bayern ein Unternehmen fanden, das die Enzianblätter und -blüten in kleinen Mengen professionell trocknet und diese in einer gewissen Größe schneidet.

Heidrun Walter steht auf einer Wiese und gibt ein Interview
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Heidrun Walter und Alexandra Walter sind das Team von „Enzian kultiviert“

Außerdem mussten sie ein Unternehmen finden, das einen Extrakt in Arzneimittel-Qualität herstellt. Auch das fanden sie mittlerweile. Aber diese Geschäftspartner zu finden, sei doch eine Herausforderung gewesen, erinnert sich Alexandra Walter.

Das fertige Extrakt wird in Innsbruck zu Dusch- sowie Kugelseifen und zu einer Lotion verarbeitet.

Seifenkugeln in einer Kartonbox
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Seifenkugeln sind eines der Produkte, die aus dem Gelben Enzian hergestellt werden.

Den Einstieg in die Kosmetikbranche haben die beiden Galtürerinnen damit geschafft. Doch vom großen Geschäft kann man noch nicht sprechen, es ist vorerst eher ein aufwendiges Hobby, bei dem die ganze Familie mithilft.