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Umwelt

Gletscherbruch auch in Österreich möglich

Ein massiver Gletscherbruch wie am Sonntag in den Dolomiten ist diesen Sommer auch in den österreichischen Alpen wahrscheinlich. Andrea Fischer, Gletscherforscherin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, sieht dafür eine reelle Gefahr.

„Es ist eine Ausnahmesituation, die historisch noch nie vorgekommen ist“, erklärte die renommierte Tiroler Glaziologin und spielte dabei auf die extrem geringen Schneemengen bereits zu einem frühen Zeitpunkt in den Hochlagen an. Die Ostalpen seien noch nie so früh bis oben schneefrei gewesen. Hinzu komme, dass gleichzeitig die Eisdecke schon so dünn sei, dass diese Eisreste sich in Bewegung setzen können und die gesamte Masse sehr stark wassergesättigt sei, so Fischer im APA-Gespräch.

Gletscherforscherin Andrea Fischer vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
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Glaziologin Andrea Fischer sieht eine reelle Gefahr für Gletscherbrüche in den österreichischen Alpen

Vor allem obere und steile Gletscherbereiche sind sehr dünn

Die Dolomiten seien heuer ähnlich schneearm wie die heimischen Alpen, zog Fischer einen Vergleich. „Die Ausaperung ist schon sehr weit fortgeschritten. Oben liegt kein Schnee mehr. Die Schmelze findet über die gesamte Gletscherfläche statt. Insbesondere die oberen und steilen Bereiche sind sehr dünn. Die Sonne wärmt den Untergrund auf“, so die Expertin.

Dies führe zu einer großflächigen Bildung von Hohlräumen. „Das Eis verliert die Bindung mit dem Untergrund. Die Hohlräume können mit Wasser gefüllt werden“, schilderte die Wissenschafterin die fatalen Vorgänge und verdeutlicht die Folge: „Mehr oder weniger ohne Vorwarnung und richtige Anzeichen platzt das dann richtig ab“.

Diese Ereignisse würden – wie gesehen – „sehr große Reichweiten“ erreichen, denn dieses Gemisch aus Eis, Wasser und Schutt, das großflächig auf und vor den Gletschern liege, sei leicht mobilisierbar und habe eine große Zerstörungskraft.

Fischer rät von Touren im vergletscherten Hochgebirge ab

„Von Touren im vergletscherten Hochgebirge ist abzuraten“, betonte Fischer die Konsequenz für Bergbegeisterte. Brücken und Wanderwege in der Nähe von Gletschern seien heuer besonders gefährdet. Man sollte sich nicht unterhalb von Gletschern befinden, wo man von Sturzereignissen betroffen sein kann.

Generell sei anzuraten, sich nicht sozusagen im Einflussbereich von Gletschern aufzuhalten – eben aufgrund der großen Reichweiten. Es gebe aber schließlich auch schöne Hochtouren im nicht vergletscherten Gebirge, die man gefahrlos – bis auf die üblichen bergsteigerischen Risken – unternehmen könne, riet die Expertin den Alpinisten zu einer Änderung ihrer Freizeitplanung.

Für Fischer hat die aktuelle Problematik unzweifelhaft mit dem Klimawandel zu tun. Zwei Faktoren würden heuer sehr ungünstig zusammentreffen: Die Eisflächen seien über mehrere Jahrzehnte schon so stark ausgedünnt, dass sich diese speziellen Formen entwickeln hätten können, nämlich die „sehr dünnen Eisplatten, die unterhöhlt sind“. Zudem komme heuer der sehr schneearme Winter hinzu, der eine zusätzliche Dramatik zur Folge habe.

Auf der Marmolada brach am Sonntag eine große Eisplatte ab
NATIONALE ALPINE RETTUNGSEINKEIT
Auf der Marmolata brach am Sonntag eine große Eisplatte ab

Weitere Tote in Dolomiten befürchtet

Nach dem folgenschweren Gletschersturz in den Dolomiten mit mindestens sechs Toten setzen die Einsatzkräfte am Montag die Suche an der Flanke des Berges Marmolata fort. Sie haben dabei aber kaum noch Hoffnung, unter den Eis-, Schnee- und Felsmassen weitere Überlebende zu finden. Vier der Toten wurden mittlerweile identifiziert – mehr dazu in Weitere Tote in Dolomiten befürchtet (news.ORF.at).