Max Simonischek, Sohn des österreichischen Schaupspielers Peter Simonischek, ließ zum Teil die Bedeutung des Stücks in der Schwebe. Szenario und Bedeutung des Handlungsortes erschlossen sich hingegen augenblicklich. Kafka, brillant verkörpert von Phillip Henry Brehl, befand sich in einer Krankenanstalt, bereits schwer gezeichnet von seiner Tuberkuloseerkrankung. Umgeben war er von vier Mäusen, die zwischen den Identitäten Tier und Mensch schwankend einem Fiebertraum entsprungen zu sein schienen.
Dass diese Mäuse auch den Kafka-Text „Josefine, die Sängerin oder Das Volk der Mäuse“ bevölkern, nutzte Simonischek dafür, die Sprache der Kafka-Fragmente und Gedanken selbst zu fokussieren. Aus an sich geschriebenen Worten wurden auch durch Rhythmus plastische Ideen, greifbare Gedanken und luzide Abhandlungen.
Dreidimensional und minimalistisch
Die Bühne dazu gab sich minimalistisch, ebenso wie die Musik von Daniel Freitag, die effizient mit wenigen Tönen auskam und sich leitmotivisch wie ein immer wiederkehrender Albtraum festsetzte. Zum Stück-Thema passende Geräusche von Mäusen verteilten sich zudem in manchen Passagen dreidimensional im Theatersaal der Kammerspiele.
All das erzeugte ein paradoxes Gefühl des Aufgehobenseins bei gleichzeitig höchstem Unbehagen. Als Kafka gleich zu Beginn beim Husten Blut spuckte, führte das noch angesichts der Radikalität und Authentizität der Darstellung zu einem kleinen Schockmoment, doch mehr und mehr durfte man sich in dieser abgründigen Welt der letzten Kafka-Tage einrichten.
Die Verzweiflung von Kafka
Es war ein durchwegs rätselhafter Ort, an dem man Kunstdiskursen über die Beschaffenheit der Musik der Mäusesängerin Josefine folgen, der Angst und der Verzweiflung von Kafka beiwohnen und sich an seltsamen, raumgreifenden Maschinen kaum sattsehen konnte.
Deren Bedeutung schob sich, ganz den großen Kafka-Texten gleich, immer wieder auf. So lange, bis man ihre groteske Existenz akzeptierte, ihr verschiedene Bedeutungszuschreibungen machte, nur um diese dann wieder zu verwerfen.
Es beginnt und endet mit Dunkelheit
Als Kafka zuletzt nicht starb, zumindest nicht theatralisch in Szene gesetzt, sondern mit „seinen“ Mäusen – dargestellt von Sara Nunius, Janine Wegener, Raphael Kübler und Christina Constanze Polzer – ein Lied sang, schloss sich der Kreis und der Vorhang. Das Stück begann und endete damit mit einigen Momenten Dunkelheit. Dazwischen lag das kryptische „Kafka-Präparat“ von Simonischek mit seiner ganz eigenen Zeitlogik.
Für ebenjenes sowie für die Darsteller und den Regisseur gab es schließlich lautstarken Applaus mit einigen Bravo-Rufen. Vor allem Kafka-Darsteller Brehl durfte sich über Extra-Applaus freuen.