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Soziales

30 Jahre Kinderschutz in Tirol

Seit 30 Jahren besteht der Kinderschutz Tirol als Institution, 1992 wurde der Verläufer des heutigen Kinderschutzzentrums gegründet. Rechtlich hat sich seither viel getan, Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist aber nach wie vor eine Realität.

Vor 30 Jahren habe es kaum Einrichtungen für den Kinderschutz in Tirol gegeben, so das Resümee rund um das Jubiläum am Mittwoch. Inzwischen gibt es fünf Kinderschutzzentren in Innbruck, Lienz, Imst, Wörgl und Reutte. 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreuen dort Kinder und Jugendliche, die von sexueller, physischer oder psychischer Gewalt betroffen sind, und beraten auch Familien, Erziehungsberechtigte und Menschen aus dem Umfeld.

Beratung in einem Kinderschutzzentrum
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Betroffene Kinder und Jugendliche werden in den Kinderschutzzentren ebenso betreut wie die Familien

Fortschritte im Laufe der Zeit, Gewalt weiter präsent

1975 fällt das Züchtigungsrecht, 1989 kommt das Gewaltverbot. 1992, genau vor dreißig Jahren, wird der Vorläufer des heutigen Innsbrucker Kinderschutzzentrums gegründet, sagt Astrid Lanza, Fachbereichsleiterin für Kinderschutz bei der Kinder- und Jugend GmbH: „Bis zu dem Zeitpunkt war eher so der Standpunkt, wenn Kinder nicht gut aufwachsen, dann nimmt man sie in Fürsorge“. Kinderschutz sei von der Wertehaltung aber mehr so zu verstehen, wie man Familiensysteme verändern und stärken könne, damit diese Gewalt zurückgehe.

Der Kinderschutz sei in Tirol über die Jahre ausgebaut worden, Gewalt sei in vielen Famillien aber immer noch präsent, sagt Geschäftsführerin Petra Sansone. In den vergangenen Jahren sei zu bemerken, dass Menschen wieder mehr Hürden sehen, wenn sie sich melden sollen mit Verdacht oder Beobachtungen von Gewalt gegen Kinder. Die Pandemie habe das Gewaltpotential zudem erhöht. Bei einem Verdachtsfall solle umgehend der Kinderschutz informiert werden. Vordergründig gehe es um eine professionelle und richtige Einschätzung der Situation, Angst vor voreiligen Schritten brauche keiner zu haben, so die Vertreterinnen der Kinder- und Jugend GmbH.

7.200 Beratungen im Vorjahr

Die Angebote der Kinder- und Jugend GmbH bestehen aus Beratungsleistungen, Psychotherapien von Kindern und Jugendlichen im Kontext der Kinderschutzarbeit, Prozessbegleitungen, Vernetzungen von Hilfsangeboten, Präventionsprojekten sowie Schulungen und Seminaren zum Thema Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Derzeit sind von den fast 2.300 KlientInnen der Kinderschutzzentren etwas mehr als die Hälfte Mädchen und Frauen (55 Prozent), die meisten Kinder und Jugendlichen sind zwischen sieben und 14 Jahre alt. Im Vorjahr führten die Teams der Kinderschutzzentren insgesamt 7.200 Beratungen durch.

Beratungsbroschüren der Kinderschutzzentren
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Die Kinder- und Jugend GmbH in Tirol hat ein umfangreiches Informations- und Beratungsangebot

Seit dem Jahr 2002 bieten sie auch eine psychosoziale und juristische Prozessbegleitung an. Im Jahr 2021 betreuten die Kinderschutzzentren 152 Fälle. „Wir unterstützen Kinder und Jugendliche sowie deren Bezugspersonen bei polizeilichen Anzeigen und während Strafverfahren. Das hat den Vorteil, dass für die Familien keine Anwalts- und Gerichtskosten entstehen und die Klientinnen und Klienten möglichst schonend durch den meist sehr belastendenden Prozess eines Gerichtsverfahrens kommen", so Lanza.

Zusammenarbeit mit den Behörden

„Als die schwächsten Glieder in unserer Gesellschaft benötigen Kinder und Jugendliche besonderen Schutz. Jedes Kind hat ein Recht darauf, in Geborgenheit und Sicherheit – und fernab jeder Form von Gewalt – aufzuwachsen. Wenn Eltern und Erziehungsberechtigte dies nicht gewährleisten können und es dazu kommt, dass Kinder zuhause nicht mehr sicher sind, braucht es entsprechende Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen“, erklärte Soziallandesrätin Gabriele Fischer (Grüne) anlässlich der 30-Jahr-Feier. Die Kinderschutzzentren seien nicht mehr wegzudenkende Stützpfeiler in der Angebotslandschaft im Sinne des Wohles von Kindern und Jugendlichen. Gemeinsam werde dabei versucht, individuelle Lösungen für die Betroffenen zu finden.

Das Team vor Ort hat demnach im Auge, möglichst rasch gezielte Interventionen und Hilfsmaßnahmen zu erarbeiten, um Kindern und Jugendlichen so den Ausstieg aus der Gewaltsituation zu ermöglichen und sie vor weiteren Gewalterfahrungen zu schützen. Dabei sei die Kooperation mit anderen Hilfseinrichtungen wichtig. In diesem Sinne werde auch mit den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern der Kinder- und Jugendhilfe bei den Bezirkshauptmannschaften zusammengearbeit.

Schwerpunkt sexualisierte Gewalt

Rund die Hälfte aller allein im Jahr 2021 durchgeführten Beratungen hatte den Verdacht auf bzw. die sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche zum Inhalt. „Wir haben über die Jahre sehr viel an facheinschlägigem Knowhow aufgebaut“, so Sansone. Wenn der Kontakt mit den Kinderschutzzentren privat hergestellt wird, erfolgt die Kontaktaufnahme – in rund zwei Drittel der Fälle – über die Erziehungsberechtigten oder – in einem Drittel der Fälle – über die Kinder und Jugendlichen selbst. Genauso häufig kommt es vor, dass die Kinderschutzzentren von professioneller Seite kontaktiert werden. „Wir werden dann etwa von der Kinder- und Jugendhilfe oder einer anderen Einrichtung informiert. Dies können stationäre Einrichtungen, sonstiges Betreuungspersonal, aber etwa auch die Schule oder der Kindergarten sein“, erklärt Astrid Lanza.

In den vergangenen Jahren haben sich die Probleme teilweie in die digitale Welt verschoben. Täter nutzen dabei das Internet, um dort oft getarnt in Kontakt mit Heranwachsenden zu kommen, so die Expertinnen. Vieles spiele sich auch im Darknet ab, das Netzwerk bietet Tätern Anonymität für ihre kriminellen Machenschaften.