Am 23. März erreichten vier Busse mit Kindern und Jugendlichen nach einer langen Fahrt von 25 Stunden die Hermann-Gmeiner-Akademie in Innsbruck. Die Hälfte von ihnen reiste gleich weiter in das SOS-Kinderdorf in Imst.
Nur zwölf Tage hatten die Verantwortlichen Zeit, alles vorzubereiten: „Das war alles andere als trivial“, beschrieb Wolfram Brugger, Leiter am Standort Innsbruck die Herausforderungen. Zumal der Standort Innsbruck als Seminarzentrum eingerichtet war, in Imst musste gar ein leer stehendes Gebäude, in dem früher pensionierte SOS-Kinderdorf-Mütter nach ihrer aktiven Zeit lebten, adaptiert werden.

Die Gruppe wurde daher interimistisch in einem Hotel in Imst untergebracht und konnte erst nach zehn Tagen in das SOS-Kinderdorf übersiedeln. „Da wurde möbliert, Fenster wurden getauscht und die Heizung installiert“, erinnerte sich Brugger an den Kraftakt, der unter anderem mithilfe vieler Freiwilliger gestemmt worden war.
Unterricht in Innsbruck für Schüler und Begleitpersonen
Inzwischen gehen alle in Imst und Innsbruck in verschiedene Volks-, Mittelschulen und aufs Gymnasium. Für die Kleinsten wurde hausintern ein Programm geschaffen, für die Begleitpersonen ein Deutschkurs etabliert, erzählte Efendi Onay, Leiter einer Wohngemeinschaft für unbegleitet minderjährige Flüchtlinge in Hall in Tirol.

Obwohl er schon lange im Bereich der Flüchtlingshilfe arbeitet, sei jede Situation anders: „Man weiß ungefähr, was es braucht, um die Kinder willkommen zu heißen – aber kennt sein Gegenüber nicht.“ Es gelte, jeden Tag seine Fühler nach den Bedürfnissen der Schützlinge auszustrecken, erzählte Onay sichtlich begeistert von seiner Arbeit. Wie lange man die Betreuung benötigen werde, wisse er freilich nicht: „Wir sind aber auf alle Zeitspannen vorbereitet.“
Es sei ein großer Vorteil, dass beide Standorte über große Sport- und Spielplätze für Aktivitäten draußen verfügen. Dreirad-, Roller- Radfahren, Laufen, Springen oder Fußballspielen sei inzwischen alltäglich – in Imst auch gemeinsam mit Kindern aus dem SOS-Kinderdorf. Zudem gebe es eigene Räume für kreatives Spielen, Malen, Lesen oder Musizieren, sagte Wolfram Brugger.
Kinder bekommen hier vom Krieg in der Heimat nichts mit
Eine der Betreuerinnen ist Olena Kolos, die in einer ukrainischen Einrichtung für Waisenkinder bzw. für Kinder, die sich zuhause in einer schwierigen Situation befinden, arbeitete. Sie und die Kinder fühlen sich willkommen und bekommen „positive Hilfe“, beschrieb sie ihre Erfahrungen. Als die Kinder nach ihrem ersten Schultag zurückgekommen waren, sagten sie: „Wir verstehen kein Wort, aber es gefällt uns sehr.“ Vom Krieg daheim würden sie nichts mitbekommen, vielmehr fühlten sie sich „wie im Urlaub“.

Insgesamt 1.100 Kinder und Jugendliche in Tirol
Die Kinder und Jugendlichen sind ein Teil von rund 350 Kindern, die in der Ukraine in einer Betreuungseinrichtung gelebt hatten und nun in Tirol seien, berichtete Soziallandesrätin Gabriele Fischer (Grüne).
Insgesamt haben 1.100 Unter-17-Jährige hier ein vorübergehendes Daheim gefunden. „3.600 Ukrainerinnen und Ukrainer wurden mittlerweile in Tirol registriert, 305 Menschen haben bereits eine Beschäftigungsbewilligung“, sagte Fischer. Nach wie vor kommen vorwiegend Frauen und Kinder aus dem Kriegsgebiet, jedoch bei weitem nicht mehr so viele wie zu Beginn. „Die Zahlen haben sich sehr abgeflacht. Wir sind aber darauf eingerichtet, mehr Menschen aufzunehmen“, meinte Fischer.
Gastfamilienprogramm mittlerweile ausgeweitet
SOS-Kinderdorf ist laut eigenen Angaben bereits seit 20 Jahren in der Ukraine aktiv, besonders in der Ostukraine. Seit Kriegsbeginn wurden 230 geflüchtete Menschen, darunter 176 Kinder, in österreichischen SOS-Kinderdorf-Einrichtungen aufgenommen. Insgesamt wurden über 1.000 Kinder aus 122 Pflegefamilien aus Kriegsgebieten evakuiert und sicher untergebracht.
Das Gastfamilienprogramm für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wurde zudem auf Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg ausgeweitet. Die NGO unterstützt außerdem viele lokale Hilfsprojekte, wie in Lemberg, Ivano-Frankivsk und Dnipro.