Protest der Pflegekräfte in Innsbruck
ORF
ORF
Politik

Pflegereform vor Kundgebungen präsentiert

Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) hat am Donnerstag in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz ein Pflegereform-Paket präsentiert – im Vorfeld der neuen Demonstrationen von Pflegekräften. Weitgehend positive Reaktionen gab es in Tirol.

Sehr plötzlich, aber wohl nicht ganz zufällig wählte der Minister den Tag der Pflege für die Präsentation der langerwarteten Pflegereform. Pflegekräfte in ganz Österreich hatten für Donnerstag Protestkundgebungen geplant. Vor zwei Jahren hatte der damalige Minister Rudolf Anschober (Grüne) die Pflegereform angekündigt, sein Nachfolger Johannes Rauch legte sie jetzt vor.

Über eine halbe Milliarde für bessere Gehälter

Das Reformpaket nennt sich „die Pflegemilliarde“. Eine Milliarde Euro soll demnach in den nächsten beiden Jahren zusätzlich in die Pflege gesteckt werden, knapp mehr als die Hälfte davon fließt in eine Gehaltserhöhung für alle angestellten Pflegerinnen und Pfleger. Sie soll in Summe der Höhe eines zusätzlichen Monatsgehaltes entsprechen und in den nächsten beiden Jahren als monatlicher Bonus ausbezahlt werden.

Fotostrecke mit 5 Bildern

Protest der Pflegekräfte in Innsbruck
ÖGB Tirol
Auch in Innsbruck gab es eine große Kundgebung der Pflegekräfte
Protest der Pflegekräfte in Innsbruck
ÖGB Tirol
Protest der Pflegekräfte in Innsbruck
ÖGB Tirol
Protest der Pflegekräfte in Innsbruck
ORF
Protest der Pflegekräfte in Innsbruck
ORF

Pro Nachdienst soll es zwei Stunden Zeitguthaben geben, während der Pflegeausbildung gibt es künftig einen Zuschuss von 600 Euro pro Monat. Neu- oder Wiedereinsteiger bekommen ein Pflegestipendium von mindestens 1.400 Euro pro Monat. Pflegende Angehörige, die einen Großteil der Pflege zuhause leisten und selbst- oder weiterversichert sind, sollen einen Bonus von 1.500 Euro jährlich erhalten.

Für den ÖGB-Chef jetzt Land an der Reihe

Für Tirols ÖGB-Chef Philip Wohlgemuth ist das Paket ein erster Schritt in die richtige Richtung, wie er sagte. Mehrere Gewerkschaften hatten für Donnerstag zu Pflege-Großkundgebungen in ganz Österreich gerufen. Wohlgemuth sieht nach den Bundesankündigungen jetzt das Land gefordert, das seinerseits seit Längerem eine Pflegereform ankündigt. Die sogenannten 3-M-Forderungen blieben jedenfalls aufrecht, sagt Wohlgemuth: 3-M stehe für mehr Personal, mehr Geld und mehr Freizeit.

„Die Pflegekräfte, ganz egal ob im Altenwohnheim oder in einem Krankenhaus, sind am Limit. Sie können nicht mehr. Ich bekomme zahlreiche Schreiben, die das bestätigen. Es gibt auch immer mehr Pflegerinnen und Pfleger, die aufhören wollen. Es ist in der Pflege mittlerweile nicht mehr fünf vor zwölf, es ist schon 13 Uhr. Deshalb gehen wir jetzt schon wieder auf die Straße, damit die Politik nicht nur zuhört sondern endlich etwas tut.“

Philip Wohlgemuth
ÖGB Tirol
Philip Wohlgemuth nimmt das Land in die Pflicht, die Pflegereform umzusetzen

Mehr Geld, mehr Freizeit, mehr Personal

Die Forderungen der Interessensvertreter sind seit Jahren dieselben: mehr Geld, mehr Freizeit, mehr Personal – heißt mehr Wertschätzung. So bringt es Gewerkschafter Wohlgemuth auf den Punkt. Dazu soll das Antrittsalter mit abschlagsfreier Pension bereits mit 60 Jahren festgesetzt werden und die Pflegeschülerinnen und – schüler bereits in der Ausbildung ein Gehalt bekommen, schließt sich die SPÖ Tirol an. Forderungspapiere würden zahlreich auf dem Tisch liegen, sagte Wohlgemuth, doch bisher haben die zuständigen Landesräte in Tirol wohl aufmerksam zugehört, doch letztlich die Verantwortung auf den Bund geschoben.

Im März und im November letzten Jahres protestierte Tiroler Pflegepersonal bereits öffentlich. Am 12. Mai, dem „Tag der Pflege“, gingen die Pflegerinnen und Pfleger in Innsbruck wieder auf die Straße. Der ÖGB erwartete hunderte Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Viele konnten allerdings nicht kommen, weil sie stattdessen den Personalengpass in den Pflegeeinrichtungen kompensieren mussten.

Protest Pflegerinnen Pfleger Südring Innsbruck
ORF
Schon letzten Herbst gingen Pflegekräfte mit konkreten Forderungen auf die Straße

Leja geht von baldiger Gehaltserhöhung aus

Von Gesundheitslandesrätin Annette Leja (ÖVP) hieß es dazu am Donnerstag, man werde an der Tiroler Pflegestrategie weiterarbeiten, die im Juni präsentiert werde. Bezüglich der von Rauch angekündigten Gehaltserhöhung sagte Leja, man werde in Wien massiv Druck machen, dass das Geld ehestens dort ankomme, wo es hingehört: „Ich gehe ganz klar davon aus, dass das heuer noch ausbezahlt wird“.

Zur Bezahlung während der Ausbildung sagt Leja, das sei schon im Vorfeld für sie ein wichtiger Punkt gewesen, weshalb man im Jänner mit dem Tiroler Pflegestipendium plus begonnen habe, was jetzt vom Bund noch aufgebessert worden sei. Der Tag heute sei ein Freudentag und ein Festtag für die Pflege, so Leja. Man habe die Grundlage im Staat für Vertrauen geschaffen, dass von Seiten der Politik entsprechende Maßnahmen gesetzt werden. Man werde im Land intensiv weiterarbeiten, die Pflege brauche auch verschiede andere Rahmenbedingungen, die mit Geld nur bedingt zu tun hätten, so Leja.

Platter: Reform ehestmöglich umsetzen

Von Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hieß es, die langwierigen Verhandlungen seien nun in einem umfassenden Maßnahmenpaket gefruchtet, das sich durchaus sehen lassen könne. Jetzt gehe es darum, diese Reform ehestmöglich umzusetzen und die dafür nötigen Beschlüsse noch vor dem Sommer herbeizuführen. „Tirol wird seine Verantwortung bei der Umsetzung des Pflegepakets und auch hinsichtlich der anteilig anfallenden Kosten selbstverständlich übernehmen“, so Platter.

Protest der Pflegekräfte in Innsbruck
ÖGB Tirol
Der Protestzug machte auch vor dem Innsbrucker Landhaus halt

AK: „Lassen uns nicht nur schnell Knochen vorwerfen“

Anlässlich der Großkundgebung in Innsbruck zum heutigen Tag der Pflege sicherte Tirols AK Präsident Erwin Zangerl den fast zweitausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus ganz Westösterreich die weitere Unterstützung zu. Die quasi über Nacht aufgetauchte „größte Pflegereform aller Zeiten“ werde man prüfen und die Sozialpartner werden dies zum Anlass nehmen, ihre Forderungen noch einmal einzubringen.

Ordentliche Bezahlung, massive Aufstockung des Personals und ein sofortiger Abbau der enormen Zeitguthaben nennt Zangerl als vorrangiges Ziel, nachgeben werde man nicht, so der Tiroler AK Präsident. Er warnte auch davor, das Volumen des Pakets nicht zu überschätzen und erinnerte an die Patientenmilliarde, „denn auch die suchen wir heute noch“.