Genrebild Bodenaushubdeponie
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Umwelt

Weiter Ärger über Bodenaushubdeponien

In Tirol gibt es rund 230 Bodenaushubdeponien. Schon lange fordern die Gemeinden mehr Mitspracherecht. Das Land lässt derzeit verfassungsrechtlich prüfen, welche Möglichkeiten es dafür auf Landesebene gibt.

Sieben Hektar Waldfläche, eine halbe Million Kubikmeter Verfassungsvermögen, eine Laufzeit von 20 Jahren: Das sind die Daten einer geplanten Mega-Deponie in Angerberg im Bezirk Kufstein. „Es ist ein wunderschöner Naturraum, der nicht nur für die Angerberger als Naherholungsgebiet dient, sondern auch für den Großraum Kufstein-Wörgl. Warum ein intakter Fleck Erde zerstört werden soll, geht mir nicht ein“, sagt Katrin Mattke, die in unmittelbarer Nähe zur geplanten Deponie wohnt und eine Bürgerbewegung gegen das Projekt ins Leben gerufen hat.

Angerberg geplante Deponie
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Auf dieser Waldfläche soll eine Bodenaushubdeponie entstehen – zumindest wenn es nach der Bodner-Gruppe geht.

Sie ist nicht die Einzige, die etwas dagegen hat. Der Landesumweltanwalt, Anrainer und der Bürgermeister der Ortschaft haben bereits Beschwerde eingereicht oder planen, dies zu tun. „Das ist ein riesiges Sorgenthema bei uns“, sagt Bürgermeister Walter Osl. „Dass ein Hügel von so einer Fläche gerodet und zusätzlich noch aufgeschüttet werden soll, das muss man glaube ich nicht verstehen.“

Landesumweltanwalt Walter Tschon sieht zusätzlich ökologische und umweltbezogene Probleme und beanstandet auch die Anfahrt. Ob von Kufstein oder Wörgl kommend: Es geht durch Siedlungsgebiet, vorbei sogar an einer Schule und einem Kindergarten.

Baufirma Bodner-Bau plant Deponie

Geplant wird die Deponie von der Baufirma Bodner-Bau. Die Firma mit Sitz in Kufstein begründet die Deponie mit dem nötigen Bedarf für den Wohnungsbau in dem Bezirk. Derzeit liegt das Projekt in der Vorprüfung beim Land.

Wichtige Unterlagen würden noch fehlen, auch eine Projektmodifizierung stehe im Raum, sagt die Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne): „Wir haben die Beschwerden der Anrainer und der Gemeinde gehört. Und sie werden im Genehmigungsprozess so gut es geht auch berücksichtigt. In diesem Fall hat die Gemeinde auch die vollumfänglichen Beschwerderechte.“

Ingrid Felipe
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Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe weiß um die Problematik der Bodenaushubdeponien

Mögliche Sonderflächenwidmung für Bodenaushubdeponien

Die Beschwerderechte gehen vielen zu wenig weit. Derzeit haben Gemeinden nur bei Deponien, die größer als 100.000 Kubikmeter sind Parteistellung. Schon lange wird mehr Mitsprache für die Gemeinden gefordert – das Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) ist jedoch Bundessache. Bisher scheiterten Vorschläge wie eine Sonderflächenwidmung und damit ein verpflichtender Gemeinderatsbeschluss über mögliche Deponien an einer unterschiedlichen Rechtsauffassung.

Das Land sah die Kompetenz dafür beim Bund, der Bund wiederum verwies auf Möglichkeiten auf Landesebene. Das Land lässt deshalb beim Verfassungsgerichtshof derzeit prüfen, wer wie zuständig ist. „Ich sehe die Sonderflächenwidmung als nicht als Lösung für die Probleme mit den Bodenaushubdeponien. Die Gefahr besteht, dass dann nirgendwo mehr Deponien errichtet werden. Und dann haben wir erst wieder ein Problem. Das stärkere Instrument ist meiner Meinung nach, dass Gemeinden auch bei Deponien unter einer Größe von 100.000 Kubikmeter Parteistellung haben“, sagt Felipe.

Genrebild Bodenaushubdeponie Lastwagen Bagger
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Rund 230 Bodenaushubdeponien gibt es in Tirol.

Doch längst nicht immer haben Gemeinden etwas gegen geplante Deponien. Oftmals würden sie davon profitieren, bei rund einem Viertel aller bestehenden Deponien sind sie sogar selbst die Betreiber.

Die Frage des Bedarfs

Über allem steht die Frage des Bedarfs. Das Land rechnet mit einem jährlich benötigten Ablagerungsvolumen von etwas über zwei Millionen Kubikmeter pro Jahr. Das ergibt einen Zeitraum von rund acht Jahren, bis alle bestehenden Deponien voll sind. Ingrid Felipe: „Eine vorausschauende Planung von Deponien ist wichtig, um auf unvorhergesehene Ereignisse wie Muren oder auch Großbauprojekte vorbereitet zu sein. Außerdem sollten lange Anfahrtswege vermieden werden. Es kann nicht das Ziel sein, dass Bodenmaterial aus Kufstein nach Landeck geliefert werden muss.“

Der Landesumweltanwalt Walter Tschon sieht das ähnlich, ortet aber dennoch einen Wildwuchs an Deponien: „Bei uns sind bis April diesen Jahres bereits wieder über 20 Anträge auf eine Errichtung oder Verlängerung von Bodenaushubdeponien eingegangen. Mit einem Gesamtvolumen von 1,7 Millionen Kubikmeter.“ Tschon fordert verbindliche Kriterien für die Errichtung von Deponien, um die Umwelt und Anrainer zu schützen. Dazu gehören Abstände zu Wohngebieten, der Ausschluss von naturschutzfachlichen Schutzgebieten, passende Zufahrtsstraßen und das Aussparen von Erholungseinrichtungen.

Angerberg Deponiedorf Bodenaushubdeponie
www.deponie-nein-danke.at
In Angerberg gibt es eine Bürgerbewegung gegen die geplante Deponie.

Kriterien, die bei der geplanten Deponie in Angerberg bereits greifen würden. Zudem ist der Ort bereits von zwei Deponien betroffen, die im Zuge des Baus der Unterinntaltrasse geplant sind. „Es kann doch nicht sein, dass einzelne Regionen oder überhaupt Ortschaften von mehreren Deponien belastet sind. Von einem nötigem Bedarf kann hier keine Rede sein. Mir wären mehrere große Deponien in günstiger Lage, verteilt über ganz Tirol lieber, als der Wildwuchs, den wir momentan erleben.“