Bohrung an Geothermiebaustelle
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Umwelt

Neue Wege in der Erdwärmenutzung

Erdwärme ist eine der zuverlässigsten erneuerbaren Energiequellen, da sie von Wetter- und Klimaeinflüssen weitgehend unabhängig ist. In Zukunft könnte es in Tirol mehr Gemeinschaftsanlagen geben oder die Möglichkeit, mehr heißes Wasser aus großen Tiefen zu gewinnen. Auch der Brenner-Basistunnel wird in Zukunft geothermisch genutzt.

Zu einem Drittel Restwärme aus der Zeit der Entstehung der Erde und zu zwei Drittel Wärme aus radioaktivem Zerfall im Erdinneren sorgen dafür, dass es im Boden mit jedem Kilometer Tiefe um durchschnittlich 30 Grad wärmer wird.

Bohrung an Geothermiebaustelle
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Bei dieser Geothermie-Baustelle in Rum wurden drei je 70 Meter tiefe Löcher gebohrt

Gemeinsame Nutzung auf Gemeindeebene

In immer mehr Tiroler Häusern sorgt der kontinuierliche Wärmestrom aus dem Erdinneren auch für behagliche Raumtemperaturen, sei es zur Heizung im Winter oder auch zur Kühlung im Sommer. Geothermie eigne sich besonders für eine flächenhafte Wärmeverteilung im Haus, wie bei einer Fußbodenheizung, sagt die Geothermie-Expertin Edith Haslinger vom Austrian Institute of Technology (AIT) in Wien. Bei Neubauten sei Geothermie das Mittel der Wahl für die Bereitstellung von Wärme. Aber auch in älteren Bauten könne man auf Geothermie umrüsten oder sie mit anderen erneuerbaren Energien kombinieren, etwa mit Strom aus einer Photovoltaikanlage, der die Wärmepumpe antreibt.

Eigentlich bräuchte es nicht einmal für jedes Haus eine eigene Bohrung. Mehrere Häuser oder ganze Gemeinden können sich zusammenschließen und etwa ein Erdsondenfeld bohren, so Haslinger. Die Energiegemeinschaften, die es beim Strom gebe, werde es auch im Wärmebereich geben. In Tallagen sei auch die Grundwassernutzung für Wärme interessant, sagt Haslinger.

Ab 300 Metern beginnt die Tiefengeothermie

Für Private, Gemeinden oder etwa auch Bürogemeinschaften ist die oberflächennahe Geothermie interessant. Ab 300 Metern Tiefe beginnt der Bereich der sogenannten „Tiefengeothermie“. Allerdings muss meist deutlich tiefer als 300 Meter gebohrt werden, in Österreich meist so um die 2.000 bis 4.000 Meter, erklärt Haslinger. Hauptsächlich würden hier heiße Wässer genutzt, etwa für den Betrieb von Thermen. Heißes Wasser aus großer Tiefe könnte aber auch für Fernwärme interessant sein. Die Möglichkeiten von Tiefengeothermie in Tirol werden laut Haslinger derzeit untersucht.

Edith Haslinger
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Die Geothermieexpertin Edith Haslinger sieht bei oberflächennaher Geothermie in der Regel kein großes Risikopotenzial

Risiken halten sich in Grenzen

Die Risiken durch Geothermie schätzt Edith Haslinger als gering ein. So müsse man etwa bei Bohrung auf Altlasten im Untergrund achten, auf Gasvorkommen oder auch auf gespanntes Grundwasser, das mit Druck hochkommen würde, wenn man eine abdichtende Schicht durchbohrt. Lokale Bohrunternehmen würden den Untergrund aber genau kennen, sagt Haslinger. Tiefe Bohrungen seien eine große technische Herausforderung und würden von entsprechenden Gutachten begleitet werden, so Haslinger. Mittlerweile gebe es auch neue seismische Erkundungsmethoden.

Keine einseitige Nutzung von Anlagen

Zur Gefahr der Abkühlung des Bodens durch Geothermieanlagen meint Haslinger, Erdwärmeanlagen müssten ausgeglichen betrieben werden. Vor allem bei größeren Anlagen gebe es keine Genehmigungen mehr nur zum Heizen oder Kühlen. Das Einbringen der Abwärme im Sommer regeneriere die Erdwärmeanlage, was auch sehr gut für die Effizienz der Anlage sei.

Neben der oberflächennahen und der tiefen Geothermie gibt es auch Spezialformen, wie etwa die Tunnelgeothermie. So sollen die warmen Drainagewässer des Brennerbasistunnels in einem gemeinsamen Projekt von BBT und Innsbrucker Kommunalbetrieben in Zukunft zur Wärmegewinnung für Wohnungen in Innsbruck genutzt werden.

Wasser fließt durch Tunnel
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Wasser wird vor Einmündung in die Sill Wärme entzogen

Wie der Projektverantwortliche von Seiten des BBT Tobias Cordes erklärt, erwarte man etwa 75 bis 100 Liter Wasser pro Sekunde, das letztlich mit 20 Grad Temperatur den Bereich des Tunnelportals in der Sillschlucht erreicht. Kurz bevor das Wasser die Sill erreicht, soll ihm mit Hilfe von Wärmetauschern Wärme entzogen werden.

Wasser im BBT
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Vorbildliche Projekte in der Schweiz und Deutschland

Der an der Technischen Universität Graz tätige Tiroler Thomas Geisler hat das wissenschaftliche Forschungsprojekt zur Nutzung der Wässer des BBT geleitet. Das Projekt „Thermocluster“ war ein von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft gefördertes Projekt, an dem neben dem BBT und der IKB mehrere Institutionen beteiligt waren.

In der Schweiz und in Deutschland gebe es schon viele tolle Beispiele, wo tiefe Infrastruktur genutzt werde, um Wärme daraus zu gewinnen, so Geisler. Den besonderen Vorteil des BBT sieht Geisler darin, dass einerseits das Wasser von der Grenze am Brenner direkt auf Innsbruck zufließt und andererseits in unmittelbarer Nähe des Tunnelportals viele Abnehmer sind, was Verluste durch lange Transportwege verhindert.