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Gesundheit

PIMS: Wenn Kinder schwer krank werden

Zwei bis acht Wochen nach einer CoV-Infektion können Kinder die Entzündungskrankheit PIMS bekommen. An der Kinderklinik Innsbruck rechnet man nach den hohen Infektionszahlen der letzten Monate auch mit einem Anstieg der PIMS-Erkrankungen.

Kurz nach Weihnachten bekam der 11-jährige Vito hohes Fieber und starke Schmerzen im Bauch. Seine Eltern brachten ihn daraufhin mit dem Verdacht auf eine Blinddarmentzündung in die Innsbrucker Klinik. Dort stellte sich allerdings heraus, dass ihr Sohn an PIMS erkrankt war. Rund drei Wochen zuvor war der Bub positiv auf das Coronavirus getestet worden. Symptome hatte er damals keine.

PIMS
Das Akronym „PIMS“ steht für „Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome“. Dabei handelt es sich um eine Krankheit, die bei Kindern etwa drei bis acht Wochen nach einer Coronavirus-Infektion mit der Wahrscheinlichkeit von eins zu 3.000 auftreten kann.

Krankheit ähnelt zunächst Rheuma

Die Krankheit sei nicht leicht zu diagnostizieren, betonte Kinderarzt Jürgen Brunner, aber man habe gelernt, die Puzzleteile zusammenzufügen, indem Kinderärzte aus allen Bereichen zusammenarbeiten. Brunner selbst ist Experte der pädiatrischen Rheumatologie, denn Entzündungen spielen bei PIMS eine große Rolle. Viele Fälle erinnern zuerst an das rheumatische Krankheitsbild. Die jungen Patientinnen und Patienten kommen mit Bauchschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden oder Hautveränderungen in die Klinik. Im Labor lassen sich hohe Entzündungswerte feststellen.

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Kinderärztinnen und -ärzte aus verschiedenen Fachbereichen arbeiten zusammen

Hälfte der Kinder auf Intensivstation

Wichtig sei, dass sofort eine passende Behandlung gestartet werde, sagte Benoit Bernar, der ebenfalls Kinderarzt an der Innsbrucker Klinik ist. Er sammelt seit Beginn der Pandemie Daten zu PIMS. Insgesamt sind in Tirol bisher 34 Kinder mit PIMS diagnostiziert worden, der Großteil davon erst im letzten halben Jahr. Alleine in der letzten Woche sind vier neue Patientinnen und Patienten dazugekommen. Alle müssen stationär behandelt werden, die Hälfte sogar auf der Intensivstation. Im Durchschnitt sind die erkrankten Kinder 8 bis 9 Jahre alt und ungeimpft.

Auch der 11-jährige Vito musste Anfang des Jahres mit starken Medikamenten behandelt werden. Er bekam Cortison und Immunglobuline und verbrachte knapp eine Woche im Krankenhaus. „Ich habe noch nie von Cortison gehört, mein Gesicht und mein Bauch haben sich aufgeblasen“, schilderte der 11-Jährige die Nebenwirkungen. „Man hat schon Angst und hofft, dass alles vorbei geht“, erinnerte sich sein Vater Martin Scharfetter. „Nach jetzigem Forschungsstand werden Kinder, die an PIMS erkrankt sind, wieder vollständig gesund“, beruhigte Bernar. „In der akuten Phase sind die Kinder aber schwer krank, wir hatten auch einen Fall, der sogar intubiert werden musste.“

Steigende PIMS-Zahlen nach Omikron-Welle

In den nächsten Wochen rechnet man auf der Kinderklinik mit steigenden PIMS-Zahlen. „Es waren noch nie in der Pandemie so viele Kinder infiziert“, sagt der Leiter der Pädiatrie I, Thomas Müller. Laut Studien schütze die Impfung zu 90 Prozent vor der Folgeerkrankung. Die Argumentation, dass Kinder und Jugendliche eine Covid-Infektion leichter wegstecken, lässt Müller nicht gelten: „Wenn ich die Nebenwirkungen von Cortison und Immunglobuline einer zwei- oder dreifachen Impfung gegenüberstelle, dann ist glaube ich die Risiko-Nutzen-Abwägung klar zu Gunsten einer Impfung zu sehen“, appellierte er.

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Nur noch eine Untersuchung, dann kann Vito PIMS endgültig hinter sich lassen

Schwere Erkrankung als Einschnitt

Anfang Mai hat Vito seine letzte große Untersuchung. Beim Sport und in der Schule kann der 11-jährige Bub schon wieder teilnehmen. Mehrere Monate nach der Erkrankung ist er wieder normal belastungsfähig, so das Fazit der Ärztinnen und Ärzte. „Aber es war ein Einschnitt, diese schwere Erkrankung und die Medikation“, erinnerte sich Vater Martin Scharfetter, „uns ist wichtig, dass möglichst viele Eltern erfahren, dass es diese Krankheit gibt. Wenn das Kind Wochen nach der Corona-Infektion erkrankt, mit hohem Fieber daheim liegt und sich das tagelang nicht bessert, dass man sich dann möglichst rasch auf den Weg in die Kinderklinik macht.“

Auch den Ärztinnen und Ärzten ist es wichtig, aufzuklären: Wenn das Kind eine Covid-Infektion durchgemacht hat und ein bis zwei Monate danach schwer krank wird, dann müssten die Warnsignale ernst genommen werden, betonten sie.