Mann sitzt allein vor weißer Wand
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Gesundheit

Resilienz: Wie die Seele den Widerstand lernt

15 Prozent der Tiroler fühlen sich seit Beginn der Pandemie stark belastet, besonders Menschen mit psychischen Erkrankungen. Ein wichtiger Schutzfaktor ist die seelische Widerstandsfähigkeit. An der Med-Uni läuft dazu eine Studie, für die Teilnehmer gesucht werden.

Fast jede sechste Tirolerin und jeder sechste Tiroler leidet seit Ausbruch der Pandemie unter einer gleichbleibenden psychischen Belastung. Das zeigen erhobene Zahlen für den Sommer 2020, ebenso wie für den Winter 2021 und den Anfang des Jahres 2022. Seit Pandemiebeginn wurden bereits zu drei Zeitpunkten – im Sommer 2020, im Winter 2021 und Anfang 2022 – über 1.000 Menschen aus Tirol und Südtirol gefragt, wie sie die Pandemie auf psychischer Ebene meistern. Die Situation hat sich für die Betroffenen laut der Studie der Medizinischen Universität Innsbruck kaum verändert.

v.l: Studienleiter Alex Hofer, Direktor der Innsbrucker Univ.-Klinik für Psychiatrie I und Mark Spanner, Klinischer Psychologe und Mitarbeiter der neuen Resilienz-Studie
MUI/Heidegger
Studienleiter Alex Hofer und Mitarbeiter Mark Spanner

Bei Menschen, die etwa unter einer Suchterkrankung, Schizophrenie oder Depression leiden, ist der Druck durch die Pandemie zum Teil sogar noch stärker geworden, wie der Studienleiter und Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie, Alex Hofer, weiß: „Frauen sind mehr belastet als Männer, was wir auch schon aus den Zeiten vor der Pandemie kennen. Zumindest können Frauen diese Belastung eher formulieren, in Worte fassen und darüber sprechen. Menschen mit finanziellen Problemen oder Arbeitslose sind mehr belastet, ebenso vor allem auch junge Menschen.“

Drogen- und Alkohol-Konsum ist gestiegen

Die Studie in Nord-, Ost-, und Südtirol läuft noch bis 2024 weiter. Eines sei aber jetzt schon klar: Viele Betroffene würden gezielt Substanzen konsumieren, um sich zumindest kurzfristig vermeintlich besser zu fühlen. „Das steigt ganz massiv. Das sehen wir auch in der Allgemeinbevölkerung und das ist sehr bedenklich. Zu Beginn der Untersuchung hat etwa ein Fünftel der Befragten zu Suchtmitteln gegriffen, jetzt ist es fast schon ein Drittel“, warnte Hofer.

Illustration zum Thema „Alkohol“.
APA/Georg Hochmuth
Wenn Druck und Sorgen zu groß werden, flüchten sich viele Betroffene in den Alkohol

Die Psychiatrie fürchtet, dass die Suchterkrankungen in Tirol massiv ansteigen werden. Insgesamt würden seit der Krise auch depressive Symptome zunehmen, erklärte der Studienleiter. Im stationären Bereich wurde häufiger Depression und Angst diagnostiziert. Von 2020 auf 2021 nahmen diese um rund 30 Prozent im Vergleich zu den Jahren vor Corona zu. An der Innsbrucker Psychiatrie hat man Sorge, dass die psychischen Erkrankungen insgesamt in Tirol noch weiter ansteigen werden. Es brauche zusätzliche Therapie-Plätze, forderte Alex Hofer, es mangle aber an der Finanzierung.

Wie die Seele gestärkt werden kann

Wenn Expertinnen und Experten von „Resilienz“ sprechen, meinen sie damit quasi das „seelische Immunsystem“, das in Krisen schützen kann. Wie stark und wie lange dieser Schutz andauern kann, wird jetzt in einer neuen Studie untersucht, wie Hofer erklärte: „Es gibt wichtige Säulen der Resilienz. Da geht es zum Beispiel darum, dass man eine Situation grundsätzlich akzeptiert und einsieht: Es ist jetzt, wie es ist und das nehme ich an. Aber – und das ist der wesentliche Punkt – man erstarrt dann nicht völlig, sondern geht in eine Art ‚Selbstwirksamkeit‘.“

Meditation in der Sauna
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Seelische Belastbarkeit lässt sich lernen

Wie das gelingen kann, ist derzeit Gegenstand einer Untersuchung, die bereits am Laufen ist. Dabei sollen 200 Teilnehmende nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen aufgeteilt werden, in denen zwei unterschiedliche Methoden angewandt werden. Die erste Gruppe führt die sogenannte „Progressive Muskelentspannung“ durch, bei der bestimmte Muskelgruppen gezielt angespannt und wieder entspannt werden. Die zweite Gruppe trainiert die Methode „RASMUS – Resilienz durch Achtsamkeit, Selbst-Mitgefühl und Selbstfürsorge“. Die Studie wird in Live-Online-Trainings absolviert.

Resilienz lernen: Teilnehmerinnen und Teilnehmer gesucht

Für das Projekt werden noch weitere Teilnehmerinnern und Teilnehmer aus der Allgemeinbevölkerung gesucht. Gesucht werden Menschen, die schwer belastet aber wenig widerstandsfähig sind, keine Vorerkrankung haben und sich nicht in psychiatrischer, psychologischer oder psychotherapeutischer Behandlung befinden und auch keine Entspannungstrainings machen. Sie können sich online anmelden.