NHT Wohnprojekt im Pradler Saggen
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Wohnen

Innsbruck: Ideen gegen hohe Wohnpreise

Wohnen in Innsbruck ist teuer und wird es auch bleiben, sind sich Expertinnen und Experten einig. Ausreichend geförderter Wohnbau, Energieeffizienz und alternative Wohnformen sind Maßnahmen und Ansätze, um das Problem anzugehen.

Zwischen 15 und 20 Euro pro Quadratmeter beim Mieten, durchschnittlich 6.200 Euro beim Kauf einer Wohnung: Innsbruck ist die teuerste Studentenstadt Österreichs. Während man in Wien für ein Garconniere 550 Euro bezahlt, sind es in Innsbruck für Vergleichbares schon 640 Euro.

Die Preisspirale werde sich nicht aufhören zu drehen, sagte Arno Wimmer, Fachgruppenvertreter der Immobilienmakler: „In den letzten Jahren hat sich der Immobilienpreis in Innsbruck verdoppelt. Bei den Mietpreisen schaut es besser aus: Da kam es zu moderaten jährlichen Steigerungen, immer etwas über der jeweiligen Inflationsrate. Die Betriebskosten sind dabei stärker gestiegen als die Nettowohnpreise.“ Das Ende der Fahnenstange scheine noch nicht erreicht, betonte er.

Immobilien als beliebte Investition

Die Gründe für die exorbitante Steigerung sind vielschichtig. Zum einen liege es an einer dafür günstigen Finanzmarktsituation mit einem niedrigen Zinsniveau, sagt Hannes Gschwentner, Geschäftsführer des gemeinnützigen Wohnbauträgers Neue Heimat Tirol. Viele würden in Immobilien investieren, die Nachfrage übersteige das Angebot klar.

Modell studentisches Wohnen nahe Hauptbahnhof
IKM/Dullnigg
Im Pradler Saggen entsteht derzeit eine große Wohnanlage mit 550 geförderten Wohnungen.

Zu wenig geförderter Wohnbau

Die Stadt Innsbruck und das Land Tirol verfolgen das Ziel, mit der Schaffung von mehr Wohnungen, also mehr Angebot, die starke Nachfrage zu bedienen und damit die Preisspirale zu verlangsamen beziehungsweise zu stoppen. Derzeit wird im Innsbrucker Stadtteil Pradler Saggen an dem bisher größten Wohnbauprojekt der Landeshauptstadt gearbeitet: 550 geförderte Wohnungen entstehen, gedeckelt mit 400 Euro pro Person.

Grundsätzlich sei das ein guter Ansatz, aber es brauche noch viel mehr davon, forderte Hannes Gschwentner: „In anderen Landeshauptstädten, wie Graz, wurde der gemeinnützige Wohnbau viel stärker forciert als in Innsbruck. Da sind die Immobilienpreise sogar rückläufig. Es gibt in Innsbruck schlicht zu wenig Grundstücke, die dem gemeinnützigen Wohnbau zur Verfügung gestellt werden. Hier ist natürlich die Politik gefordert, aber speziell im Innsbrucker Gemeinderat herrscht Uneinigkeit, wie man der Situation begegnen möchte.“

Exorbitant hohe Baupreise

Die extrem hohen Baupreise kommen verschärfend hinzu. Fast alle Rohstoffe sind teurer geworden, der Preis von Stahl habe sich sogar verdoppelt. „Die Baupreise waren bereits vor der Ukrainekrise auf einem Rekordniveau. Wir als gemeinnützige Bauträger können die von der Wohnbauförderung vorgegebenen Baukosten in Wahrheit nicht erreichen. Das wird sich auch auf die Höhe der Mieten auswirken“, erklärte Gschwentner. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass sich dieses Preisniveau auch die nächsten Jahre halten wird.

Mann mit Holzbrett in der Hand
ORF
Rohstoffe und damit das Bauen sind so teuer wie noch nie

Hohe Preise auch außerhalb von Innsbruck

Bereits jetzt sei es für Normalverdienerinnen und Normalverdiener schwer, in Innsbruck Wohnungen und Immobilien am freien Markt zu erstehen. „Ändert sich in den nächsten Jahren nicht entscheidend etwas, wird das irgendwann ein Ding der Unmöglichkeit“, fürchtete Arno Wimmer.

Die extrem hohen Preise in Innsbruck haben auch Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt in den umliegenden Gemeinden: Derzeit ist beim Kauf einer Immobilie außerhalb von Innsbruck der Quadratmeter bis zu 1.900 Euro billiger. „Aber die Gemeinden von Telfs bis Wattens ziehen schon ordentlich nach“, so Hannes Gschwentner.

Energieeffizienz ist kostensenkend

Ein entscheidendes Stichwort für leistbares Wohnen ist „Energieeffizienz“. Tirol habe weltweit die höchste Dichte an Passivhäusern, sagte der ehemalige Universitätsprofessor und Holzbauingenieur Michael Flach, der sich mit alternativen Wohnformen beschäftigt: „Aber es reicht nicht, nur im Neubau einen hohen Energiestandard zu erzielen, es müssen auch bestehende Gebäude saniert werden. Das macht nicht nur für das Klima, sondern auch für die Geldbörse einen entscheidenden Unterschied. Vor allem, wenn wie derzeit die Energiepreise um 50 bis 80 Prozent hochschnellen.“

Durch richtige Sanierungsarbeiten könnten die Energiekosten sogar auf ein Zehntel reduziert werden, betonte er. Allerdings: „Das ist für viele, die bereits an der Grenze leben, viel Geld“, so Flach. Durch eine Sanierung Energie zu sparen, ist also nicht für alle eine Option.

Das Wohnen der Zukunft

Das Wohnen der Zukunft sei laut Flach ein flexibles, ganzheitliches und gemeinschaftliches. Pilotprojekte in Städten wie Zürich oder München verbinden dabei verdichtete Bauweise mit gemeinschaftlich genutzten Wohnräumen. Die Impulse für das Wohnen von morgen kommen meist von den Bewohnerinnen und Bewohnern selbst. Nicht selten schließen sich junge Familien und alleinstehende Pensionierte auf der vergeblichen Suche nach leistbarem Baugrund oder bezahlbaren Wohnungen zu sogenannten Baugruppen zusammen, um ein Gemeinschaftsprojekt selbst in die Hand zu nehmen.

Auch neu gedachte und im Bauprojekt integrierte Verkehrskonzepte können die Wohnkosten senken: „Autostellplätze und Preise für Treibstoff werden oftmals in der Kostenrechnung unterschätzt. Eine gute Anbindung an das Verkehrsnetz, Fahrrad-Verleihsysteme oder Carsharing für die Bewohner eines Wohnhauses könnten hier Lösungen sein“, zählte Flach auf.

Visualisierung des Bauprojekts Campagne Reichenau
Land Tirol
Das Campagne-Areal soll ein Stück Stadt in der Stadt sein

Pilotprojekt für neues Wohnen

Mit dem Campagne-Areal in der Innsbrucker Reichenau läuft derzeit ein Pilotprojekt der Stadt Innsbruck, das die oben genannten Punkte zumindest teilweise mitdenkt. Innsbruck habe aber noch Aufholbedarf, zeigte sich Michael Flach überzeugt: „In anderen Städten ist man da erfinderischer. Tirol empfinde ich dagegen noch als sehr traditionell beim Bauen und die Politik als träge, was alternative Formen des Wohnens angeht.“