Die Stadtwerke griffen damit zwei Nachhaltigkeitstrends auf, sagte Projektleiter Martin Tschurtschenthaler im APA-Gespräch: Sharing-Economy – also die gemeinsame Nutzung bestimmter Gegenstände – und E-Mobilität.
14 E-Fahrzeuge stehen zur Verfügung
2017 wurde der Grundstein für das Projekt „Beecar“ gelegt und E-Mobilität damit zu einem neuen Geschäftsbereich der Stadtwerke Kufstein GmbH. 2018 wurden dann Nägel mit Köpfen gemacht: Die Stadtwerke schafften die ersten drei elektrisch betriebenen Autos für die Festungsstadt an.
Mittlerweile sei die E-Flotte auf 14 Fahrzeuge angewachsen, im heurigen Frühjahr sollen vier weitere Standorte in den zwei Umlandgemeinden Thiersee und Schwoich in Betrieb genommen werden, so Tschurtschenthaler. Aktuell sei man neben der Bezirkshauptstadt Kufstein auch in Kössen und Niederndorf vertreten.

Buchung im Internet
Unter Carsharing versteht man die organisierte gemeinschaftliche Nutzung von Fahrzeugen. Über eine Buchungsplattform wird das gewünschte Fahrzeug gebucht und kann dann im ausgewählten Zeitraum genutzt werden. „Wir wollten nicht nur eine Alternative zum eigenen Auto, sondern auch eine Ergänzung zum öffentlichen Nah- und Personenverkehr (ÖPNV) schaffen“, so Tschurtschenthaler und verwies auf die berühmte „letzte Meile“.
„Beecar“ sieht er als „Zusatzprodukt“. Die Stadtwerke betreiben schließlich auch den Stadtbus. Obwohl klassische Verbrenner in der Anschaffung „einfacher und günstiger“ gewesen wären, habe man sich dazu entschieden, „einen Schritt voranzugehen“ und auf elektrisch betriebene Fahrzeuge zu setzen.
Über VVT-Jahresticket eigenes Abo
Dabei war „Beecar“ nicht der erste E-Carsharing-Anbieter im Bundesland. „Flugs“, ein Unternehmen der Regionalenergie Osttirol, stellt E-Autos im Bezirk Lienz zur Verfügung. „FloMOBIL“ der Stadtwerke Wörgl tut das an mittlerweile 20 Standorten im Großraum Innsbruck sowie in den Bezirken Imst, Schwaz, Kitzbühel und Kufstein.
Die Carsharing-Anbieter haben sich zudem seit dem Jahr 2019 untereinander vernetzt. Sie kooperieren über den Verkehrsverbund Tirol (VVT) und bieten hierfür ein gemeinsames E-Carsharing-Modell in 28 Kommunen an. Besitzer eines VVT-Tirol-Jahrestickets können dort E-Autos über ein eigenes Abonnement nutzen.
„Es ist nicht so, dass jeder Anbieter versucht, ganz Tirol zu erobern“, kommentierte Tschurtschenthaler diese Situation. Es gebe „ein Bekenntnis zur Kooperation“ und einen regelmäßigen Austausch über die Plattform des Landes „So fährt Tirol 2050“. Man stehe „in keiner direkten Konkurrenz“ zueinander. Schließlich soll der Kunde „den Anbieter gar nicht wahrnehmen, sondern sich einfach in das Auto setzen und losfahren“.
„Vom Führerscheinneuling bis zur Pensionistin“
Apropos Kundschaft: Diese sei „komplett heterogen – vom Führerscheinneuling bis zur Pensionistin“, so Tschurtschenthaler. Zwei Drittel der rund 400 Kunden seien Privatpersonen, ein Drittel Firmen. Anfangs sei einiges an Überzeugungsarbeit vonnöten gewesen, berichtete der Projektleiter. Direkte Akquise – etwa Gespräche mit in Kufstein ansässigen Firmen – habe viele überzeugt.
Neben Kostenvorteilen und Flexibilität führte Tschurtschenthaler den Umweltgedanken ins Treffen. „Es wird von Unternehmen heutzutage gefordert, Verantwortung in Bezug auf die Klimakrise zu übernehmen“, stellte er fest. Nach der Coronavirus-Pandemie sei die Nachfrage von Privatpersonen stark gestiegen, die der Unternehmen sei – aufgrund der Verlagerung von Treffen in den virtuellen Raum – hingegen rückläufig gewesen.
„Beecar“ sieht Tschurtschenthaler jedenfalls als „Infrastrukturprodukt“ mit Zukunftspotenzial. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur sei eingangs finanziell ins Gewicht gefallen, habe aber einen nachhaltigen Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger. Nun seien die Autos – die geleast werden – der „größte Aufwandsposten“, ließ er wissen. Insgesamt flossen 156.000 Euro in das Projekt – die Summe wurde zur Hälfte vom Land Tirol und der Europäischen Union gefördert.
Wirkungsbereich soll vergrößert werden
Ziel sei es, „so zu wachsen, dass wir den Wirkungsbereich vergrößern“. Der Fokus liege aber ganz klar auf der „Regionalität“, bei „Beecar“ pflege man eine „persönliche Beziehung“ zu den Kunden – etwa bei Beratungsgesprächen, so Tschurtschenthaler. Das Einzugsgebiet von „Beecar“ liege in Kufstein und den umliegenden Gemeinden. E-Carsharing nannte er einen „starken Beitrag“ zur Mobilitätswende, auch wenn die Anbieter dadurch die Tiroler Verkehrsproblematik wohl nicht „komplett umdrehen“ würden. Aber: „Wir leisten – gemeinsam mit anderen Anbietern – Pionierarbeit.“
Erfreut zeigte sich Tirols Umwelts- und Mobilitätslandesrätin und Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) indes über die Tatsache, dass Kufstein „richtungsweisend“ vorangehe. Die Vorteile des „Autoteilens“, ein Konzept, das besonders im urbanen Bereich immer beliebter wird, lägen auf der Hand, so die Landeshauptmann-Stellvertreterin: „Die Nutzerinnen und Nutzer sparen sich die Kosten und den Pflegeaufwand für ein eigenes Auto und können je nach Bedarf aus verschiedenen Angeboten auswählen.“
Der „Mix aus einem gut ausgebauten öffentlichen Verkehr mit attraktiven Tarifen, aktiver Mobilität und alternativen Mobilitätslösungen wie dem flächendeckenden E-Carsharing-Angebot in Kufstein“ sei „ein idealer Weg und Teil eines zukunftsfähigen Mobilitätsverhaltens“, so die grüne Politikerin weiter.
Verkehr ist größtes Klimaproblem
Der Verkehr ist Österreichs größtes Klimaproblem. Vor der Coronavirus-Krise verursachte der Verkehr bereits in fünf Bundesländern mehr als die Hälfte des CO2-Ausstoßes, wie eine aktuelle Analyse des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ) auf Basis von Daten des Umweltbundesamts zeigt: im Burgenland, in Vorarlberg, Salzburg, Kärnten und Tirol. Am höchsten war die Zunahme des CO2-Ausstoßes des Verkehrs seit 1990 laut VCÖ in Tirol (plus 87,3 Prozent) – nicht zuletzt aufgrund der starken Zunahme des Lkw-Transits.