Gletschersee in Nepal
D. Rounce
D. Rounce
Wissenschaft

Wachsende Bedrohung durch Gletscherseen

In den asiatischen Hochgebirgen könnten Gletscherseen infolge des Klimawandels zu einer zunehmenden Bedrohung für die Bevölkerung werden. Das zeigen neue Modelle, die unter Mitwirkung eines Innsbrucker Forscherteams entwickelt wurden.

Wo Gletscher schmelzen, können Gletscherseen entstehen. Mit ihren instabilen Ufern bilden sie ein hohes Gefahrenpotenzial, etwa wenn nach Lawinen oder Felsstürzen Dämme brechen und sich Wasser- und Schuttmassen in die darunter liegenden Täler ergießen.

Volumen könnte sich bis 2100 verzehnfachen

Die Modellrechnungen von Innsbrucker und Berliner Forschern zeigen, dass aufgrund des Klimawandels die Anzahl von Gletscherseen in Zentralasien im Verlauf des 21. Jahrhunderts stark zunehmen könnte. Das Wasservolumen der Gletscherseen könnte sich von knapp vier Kubikkilometer im Jahr 2018 auf über 40 Kubikkilometer im Jahr 2100 verzehnfachen. Vor allem in den noch stark vergletscherten nördlichen und nordwestlichen Gebirgszügen, beispielsweise im Tienshan an der Grenze von China mit den zentralasiatischen Länder Kirgistan und Tadschikistan sowie im pakistanischen Karakorum wird eine Vervielfachung der Gletscherseen erwartet.

Gletschersee in Nepal
D. Rounce
Der Imja-Tsho-Gletschersee in Nepal: 2016 wurde der See um vier Millionen Kubikmeter entwässert, da er zu gefährlich wurde.

Neuartiges Modell verwendet

Für die Studie wurde erstmals ein eisdynamisches Modell verwendet, erklärt Fabien Maussion. Dabei handelt es sich um das erste offen zugängliche globale Modell zur Simulation der Entwicklung aller Gletscher weltweit. Es ist in der Lage, vergangene und künftige Massenbilanzen, das Volumen und auch die Geometrie von fast jedem Gletscher der Erde darzustellen. Maussion ist federführend in der Anwendung und Weiterentwicklung des Open Global Glacier Model OGGM in Innsbruck engagiert.

Ergebnisse sollen vor Ort genutzt werden

Die Ergebnisse sollen genutzt werden, um auf regionaler und lokaler Ebene zu untersuchen, welche dieser zukünftigen Seen besonders gefährlich werden könnten. Nur so sei es langfristig möglich, in Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort Anpassungsstrategien und Maßnahmen zu entwickeln, die helfen, den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen, heißt es in der Aussendung der Universität Innsbruck.

Einen Einfluss auf die Modelle haben auch verschiedene Klimaszenarien. Es spiele eine entscheidende Rolle, ob die Welt einen nachhaltigen Weg einschlägt oder weiterhin ungebremst fossile Brennstoffe nutzt, sagt Maussion. Gletscher reagierten deutlich auf steigende Temperaturen, und die Seen bilden sich in einer wärmeren Welt vermehrt und schneller aus. „Wir können aber noch gegensteuern“, zeigt sich Maussion optimistisch.

Gletschersee
Andrea Fischer
Gletscherseen wie hier unter dem Sulzenauferner in den Stubaier Alpen, können auch in den Alpen gefährlich werden

Gefahr droht auch in den Alpen

Ausbrüche von Gletscherseen können auch in den Alpen zu einer Gefahr werden. So ist im Bereich der ehemaligen Zunge des Sulzenauferners in den Stubaier Alpen der dort entstandene See vor einigen Jahren ausgebrochen und sorgte für Vermurungen – mehr dazu in Klimawandel: Neue Gletscherseen als Gefahr.