Hintereisferner
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Wissenschaft

Modelle machen Schneeverwehungen messbar

Am Hintereisferner im Ötztal untersuchen Wissenschafter der Universität Innsbruck die Veränderung des Gletschers. Gemessen werden unter anderem die Schneeverwehungen und die Verteilung des Niederschlags. Zum Einsatz kommt dabei ein ferngesteuerter Laserscanner.

Gletscher nehmen im Klimawandel eine Schlüsselrolle ein. Ihr schnelles Abschmelzen ist ein gut sichtbares Zeichen, dass sich die Erde verändert. Das Verschwinden der Gletscher hat Auswirkungen auf den Wasserhaushalt einer Region.

Aber es ist nicht einfach, den Überblick über die genaue Entwicklung der Gletscher zu behalten. Dafür gibt es – noch – zu viele, und sie sind auch zu groß für ein individuelles Monitoring.

Modelle sollten auch auf andere Gebiete übertragbar sein

Daher ist es für die Wissenschaft wichtig, Modelle zu entwickeln, die die physikalischen Prozesse hinter dem Wandel eines Gletschers möglichst genau abbilden. Zudem sollten sich diese Modelle auch möglichst einfach auf weitere Gebiete, die nicht exakt beobachtbar sind, übertragen lassen.

Forscher der Universitäten Innsbruck und Erlangen-Nürnberg arbeiten in dem Projekt „Schneedeckendynamik und Massenbilanz auf Gebirgsgletschern“ daran, solche Gletschermodelle zu entwickeln und zu verbessern. Dabei werden Veränderungen der Masse und Energieflüsse rund um die Gletscher in hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung analysiert, um Niederschlagsverteilungen, Schneeverwehungen und lokale Wetterphänomene besser berücksichtigen zu können.

Hintereisferner
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Seit Jahren werden am Hintereisferner Messungen vorgenommen

„Je kleiner die Gebirgsgletscher werden, desto wichtiger werden diese sehr kleinräumigen Phänomene für ihre Modellierung“, betont Brigitta Goger vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck.

Laserscanner misst Oberfläche des Gletschers täglich

Für ihre Arbeiten wählte das Forscherteam den Hintereisferner, ein mit sechs Quadratkilometern Fläche vergleichsweise großer, aber dennoch leicht zugänglicher Gletscher im hinteren Ötztal, aus.

Der große Vorteil des Hintereisferners ist, dass er zu den am besten erforschten Gletschern Österreichs und generell der Alpen zählt. Seit 2016 ist hier eine Messinfrastruktur vorhanden, die in dieser Form weltweit einzigartig ist: ein permanent installierter Laserscanner, der – ferngesteuert von Innsbruck – die Gletscheroberfläche täglich abtasten kann. Aus den Geländemodellen, die aus den umfangreichen Messdaten abgeleitet werden können, lassen sich Höhen-, Volumen- und Masseveränderungen errechnen.

Tägliche Schneedrift kann berechnet werden

Zunächst wurden im Rahmen des Projekts die Genauigkeit und Fehleranfälligkeit des Messsystems untersucht. Diese Faktoren seien von Aspekten wie Messdistanz, Wetter und Wind abhängig und somit ausschlaggebend für aussagekräftige Modellierungen, die darauf aufbauen.

„Wir wissen nun, dass wir eine Messgenauigkeit mit maximalen Abweichungen von etwa zehn Zentimetern schaffen – gut genug, um auch die tägliche Schneedrift aus den Geländemodellen ableiten zu können“, resümiert Goger, die anhand der Daten an einem eigenen „Schneedrift-Modul“ für die Gletschermodellierung arbeitet.

Interaktion zwischen Eis und Atmosphäre

Mit dem Modell wird es nach Angaben der Wissenschafter möglich sein, die Daten zur Gletscheroberfläche, die sich täglich durch Niederschlag, Schmelze oder Schneeverwehungen verändern, mit einem Atmosphärenmodell in Zusammenhang zu bringen. Die Luftbewegungen über dem Gletscher sind besonders komplex, hebt Goger hervor.

„Der Wärmeaustausch zwischen Eisoberfläche und darüberliegender Atmosphäre ist sehr inhomogen, was großen Einfluss auf die lokalen Luftbewegungen hat. Auch dieser Aspekt hat Einfluss auf die Massenbilanz des Gletschers“, sagt Goger. Die Eismassen sind zudem gewöhnlich von einer kalten Luftschicht umgeben, die warmen oberflächennahen Strömungen entgegenwirkt und ein schnelleres Abschmelzen bremst. Die Modellierungen könnten hier etwa auch Aufschluss darüber geben, wie viel ein Gletscher an Masse verlieren kann, ohne diesen „Schutzschild“ zu verlieren.